January 2019
006 - DURCH DEN LE MAIRE KANAL NACH CHOLET ISLAND UND PORT LOCKROY
29/01/19 00:00 Antarctica
Hallo Ihr Lieben!
Der tiefe Einschnitt an der Südküste von »Lautaro Island« erweist sich als unerwartet guter und sicherer Zufluchtsort. Das flache Wasser der Bucht hält größere »Bergy Bits« fern, was sehr beruhigend wirkt. Wir bleiben ein paar Tage im Päckchen neben der HAIYOU, kochen, diskutieren und genießen den Blick auf die muntere Eselspinguinkolonie gleich neben den Booten, wo täglich neue Küken schlüpfen und gut betuddelt werden.
Dann: Ein strahlend blauer Morgen nach einer stürmischen Nacht, endlich Flaute aus allen Richtungen, einfach perfekt, um endlich einen Blick in den fotogenen »Le Maire Kanal« zu werfen, der in dieser Saison wegen des ungewöhnlich dichten Eises kaum befahrbar sein soll, noch nicht einmal von den größten Kreuzfahrtschiffen. Auf dem UKW Funk hörte man bisher immer von großen Schwierigkeiten oder spektakulären Umkehrmanövern. Doch nun sollen einige Dampfer durchgekommen sein. Nun denn…
In der südlichen »Gerlache Straße« kommen wir noch gut voran. Das berüchtigte, normalerweise sturmumtoste »Kap Renard« mit seinen eisigen Zinnen bleibt an Backbord, als wir in den »Le Maire Kanal« einbiegen. Im Kielwasser der HAIYOU fühlen wir uns zunächst noch sicher und beobachten allerhand Getier am Wegesrand. Aber dann kommt es knüppeldicke: Die Eisdecke schließt sich immer mehr, größere Schollen, »Growler«, »Bergy Bits« und ausgewachsene Eisberge liegen im Weg, der immer länger wird: Zickzackfahrt mit langwierigen Ausweichmanövern. Auch die von der Tide verursachte Strömung macht uns alsbald schwer zu schaffen, schiebt uns gelegentlich zurück auf dem Weg, den wir mühsam erkämpft haben. Und: Immer öfter schließt sich der von der HAIYOU vor uns aufgebrochene Kanal direkt hinter ihrem Heck, so das wir einige male heftig ins Eis krachen. Das ist laut und fühlt sich an wie »Autoscooter« fahren auf dem Jahrmarkt. Sollen wir umkehren? Wären wir allein hier, so hätten wir längst das Weite gesucht. Stunde um Stunde kämpfen wir uns voran. B verbiegt am Bug unsere Eislanze und M hat große Mühe, maximal einen Meter hinter der HAIYOU zu bleiben. Es gelingt uns nicht so recht, die Szene zu genießen, oder auch nur Photos zu machen. Dieses Revier fordert und laugt aus. Als wir am Ausgang des engen »Le Maire Kanal« das Südkap von »Booth Island« runden, ist definitiv der südlichste Punkt dieser Reise erreicht: 65 Grad und 7 Minuten, südlicher Breite, versteht sich. Mehr geht nicht, zumindest nicht mit unserem Booten. Die sonst guten Ankerplätze um »Pleneau Island« und der Ukrainischen Forschungsstation »Vernadsky« sind in dieser Saison noch immer solide zugefroren.
Nach dem harten Tag im »Le Maire Kanal« sehnen wir uns nach einem sicheren Zufluchtsort. Das GFS droht uns mit starkem Ostwind, ab morgen Mittag. Auf dem UKW erfahren wir, das »Port Charcot«, der normalerweise beste Platz in dieser Ecke derzeit ungenießbar ist. Munter herumtreibende großformatige Eisberge überall. Aber Edd, der junge Kapitän der PELAGIC AUSTRALIS hat uns da einen Geheimtip gegeben: »Cholet Island«, unweit von »Port Charcot«. Da soll es einen kleinen, gut gegen Nord oder Ostwind geschützten Einschnitt geben, mit brauchbaren Felsen für die unabdingbaren Landleinen. Gemeinsam mit der HAIYOU Crew arbeiten wir drei Stunden wie die Berserker um beide Boote so gut es geht abzusichern. Wir bringen sogar Leinen aus, die quer über die kleine Insel zum anderen Ufer führen, wo es bessere und schwerere Fixpunkte gibt. Dann ist es getan. Wir können auf einen großartigen Tag anstoßen und den Wendepunkt unserer Reise. Nachts gehen wir abwechselnd Eiswache. Wer weiß, was da noch so in die Bucht getrieben wird.
In der dritten Nacht ist es soweit, natürlich gegen Mitternacht. Ein reihenhausgroßes »Bergy Bit« ist von einem größeren Tafeleisberg draußen vor »Cholet Island« abgebrochen und treibt nun mit dem Tidenstrom auf uns zu, gegen den schwächelnden Ostwind. Wir müssen weg, schnell weg. In größter Eile bergen wir unsere zahllosen und hunderte von Metern langen Landleinen. Der fette Eisberg verfehlt den Bug der VERA lediglich um einen Meter. Draussen vor der Bucht sind wir total erledigt und schweißgebadet. Auf Deck liegen Fender und Berge von unklaren und tropfnassen Leinen. Was jetzt? »Port Lockroy« auf »Wienke Island«? Durch die eisige Nacht? Der »Hafen« der ehrwürdige Britische Forschungsstation liegt 22 Seemeilen nordöstlich von hier. Wir wissen nicht wie viel Eis noch immer in der südlichen »Gerlache Straße« liegt, das bei schlechtem Licht kaum zu sehen sein dürfte. Dennoch beschließen wir, es zu versuchen, vor allem weil der Wind nur schwach weht und noch weiter abnehmen sollte…
Diese Kalkulation erweist sich als Fehler. Die Türme von »Kap Renard« peilen unter einem spektakulär leuchtenden Vollmond querab, als der Wind unerwartet auffrischt. 20 Knoten, dann 30 und mehr, aus NE, natürlich genau von vorn. Hoher, ätzender Seegang jetzt. Der VOLVO läuft auf vollen Touren. In Böen bringt das jetzt noch zweienhalb Knoten über Grund. Kaltes, weißes Salzwasser wälzt sich über das Deck der VERA. B und ich starren mit tränenden Augen in die Nacht. Eis! Ständig müssen wir ausweichen. Ich (M) sehe nichts. Salz auf der Brille, die ohnehin nichts taugt. Bald sind wir klatschnass und tiefgefroren. Auf der HAIYOU sitzen sie jetzt im geheizten Steuerhaus hinter Panzerglas. Die Eiswache draussen wird stündlich abgelöst. Das gibt zu denken. Stunden später: Im Windschatten von »Wienke Island« lässt der Wind ein wenig nach. Zwei große Buckelwale spielen ein paar Bootslängen querab im Mondlicht. Ein herrlicher Anblick. Es ist fast geschafft. Im Morgengrauen erreichen wir »Port Lockroy«, wo mindestens sechs andere Yachten Schutz gesucht haben, darunter zu unserer Freude auch die holländische JONATHAN mit Caroline und Mark. Der Anker fällt und hält. Wir sind in Sicherheit. Und fühlen uns großartig.
In den darauffolgenden Tagen genießen wir mit den Freunden die vergleichsweise nervenschonende Sicherheit, die die gegen alle Windrichtungen geschützte, fast kreisrunde und von hohen Gipfeln eingerahmte Bucht von »Port Lockroy« bietet. Die Briten wussten schon was sie taten, als sie hier nach dem zweiten Weltkrieg ihr Hauptquartier aufschlugen. Heute ist die alte Station ein Museum, das während der Saison von tausenden von Kreuzfahrern bepilgert wird. Neben den vielen Eselspinguinen gibt es sehenswerte Exponate zu sehen, wissenschaftliche Ausrüstung, Skier, Schlitten und Dinge des täglichen Lebens. Im gut sortierten Souvenirshop führen sie einfach alles, vom »Port Lockroy« T-Shirt über Postkarten und Briefmarken (es gibt hier sogar einen offiziellen Briefkasten), bis zu den Pinguintassen und natürlich Shakleton‘s Lieblingswhisky. Die Flasche für 70,- $ US würde den Wert unseres Schiffes bestimmt erhöhen, sofern sie denn an Bord in ihrer Vitrine verbliebe.
Hier in »Port Lockroy« verlässt uns völlig unerwartet die HAIYOU, mit der wir in den letzen Wochen durch dick und dünn gegangen sind. Ein Schlaganfall in der Familie. Chris, Lynn und Javier laufen sofort aus, hinein in einen eisigen Nordost, nonstop zurück nach Puerto Williams. Unser Neid hält sich in Grenzen, trotz des offenbar brauchbaren Wetterfensters. Aber auch für uns neigt sich die Saison dem Ende zu. Noch diese Woche planen wir, die 50 Seemeilen durch den »Neumeyer Kanal« nach »Melchior Island« in Angriff zu nehmen. Dort wollen wir auf guten Wind warten, der uns eine sichere Heimreise über die gefürchtete »Drake Passage« verspricht. Wenn alles gut geht, erfahrt Ihr darüber mehr, in einem frischen Newsletter.
Herzliche Grüße und alles erdenklich Gute wünschen Euch B und M / SY VERA / Port Lockroy / Antarctica / POS 64.49,6S - 063.29,3W
1 - Ein perfekter Morgen in der südlichen »Gerlache Straße«.

2 - SY HAIYOU am »Kap Renard«.

3 - Blick zurück auf das »Kap Renard«: Zwei eisige Zinnen wie aus dem Märchenbuch.

4 - Im Kielwasser der HAIYOU am Eingang des spektakulären »Le Maire Kanals«.

5 - Noch herrscht Ruhe im »Le Maire Kanal«. Ein Film von B+M.
6 - Vereister »Le Maire Kanal«: Drei Faultiere am Wegesrand.

7 - Vereister »Le Maire Kanal«: Action auf der HAIYOU.

8 - »Ankerplatz« auf »Cholet Island«: Abendstimmung.
9 - »Cholet Island«: Gute Nacht.

10 - »Port Lockroy«: Die ehrwürdige Britische Forschungsstation.

11 - Im Museum von »Port Lockroy«: Elizabeth Taylor bewacht eine Koje.

12 - »Port Lockroy«: BOUNCE bringt uns zurück an Bord. Ein Film von B+M.
13 - Unsere Route durch den »Le Maire Kanal« nach »Cholet Island« und weiter nach »Port Lockroy«.

Der tiefe Einschnitt an der Südküste von »Lautaro Island« erweist sich als unerwartet guter und sicherer Zufluchtsort. Das flache Wasser der Bucht hält größere »Bergy Bits« fern, was sehr beruhigend wirkt. Wir bleiben ein paar Tage im Päckchen neben der HAIYOU, kochen, diskutieren und genießen den Blick auf die muntere Eselspinguinkolonie gleich neben den Booten, wo täglich neue Küken schlüpfen und gut betuddelt werden.
Dann: Ein strahlend blauer Morgen nach einer stürmischen Nacht, endlich Flaute aus allen Richtungen, einfach perfekt, um endlich einen Blick in den fotogenen »Le Maire Kanal« zu werfen, der in dieser Saison wegen des ungewöhnlich dichten Eises kaum befahrbar sein soll, noch nicht einmal von den größten Kreuzfahrtschiffen. Auf dem UKW Funk hörte man bisher immer von großen Schwierigkeiten oder spektakulären Umkehrmanövern. Doch nun sollen einige Dampfer durchgekommen sein. Nun denn…
In der südlichen »Gerlache Straße« kommen wir noch gut voran. Das berüchtigte, normalerweise sturmumtoste »Kap Renard« mit seinen eisigen Zinnen bleibt an Backbord, als wir in den »Le Maire Kanal« einbiegen. Im Kielwasser der HAIYOU fühlen wir uns zunächst noch sicher und beobachten allerhand Getier am Wegesrand. Aber dann kommt es knüppeldicke: Die Eisdecke schließt sich immer mehr, größere Schollen, »Growler«, »Bergy Bits« und ausgewachsene Eisberge liegen im Weg, der immer länger wird: Zickzackfahrt mit langwierigen Ausweichmanövern. Auch die von der Tide verursachte Strömung macht uns alsbald schwer zu schaffen, schiebt uns gelegentlich zurück auf dem Weg, den wir mühsam erkämpft haben. Und: Immer öfter schließt sich der von der HAIYOU vor uns aufgebrochene Kanal direkt hinter ihrem Heck, so das wir einige male heftig ins Eis krachen. Das ist laut und fühlt sich an wie »Autoscooter« fahren auf dem Jahrmarkt. Sollen wir umkehren? Wären wir allein hier, so hätten wir längst das Weite gesucht. Stunde um Stunde kämpfen wir uns voran. B verbiegt am Bug unsere Eislanze und M hat große Mühe, maximal einen Meter hinter der HAIYOU zu bleiben. Es gelingt uns nicht so recht, die Szene zu genießen, oder auch nur Photos zu machen. Dieses Revier fordert und laugt aus. Als wir am Ausgang des engen »Le Maire Kanal« das Südkap von »Booth Island« runden, ist definitiv der südlichste Punkt dieser Reise erreicht: 65 Grad und 7 Minuten, südlicher Breite, versteht sich. Mehr geht nicht, zumindest nicht mit unserem Booten. Die sonst guten Ankerplätze um »Pleneau Island« und der Ukrainischen Forschungsstation »Vernadsky« sind in dieser Saison noch immer solide zugefroren.
Nach dem harten Tag im »Le Maire Kanal« sehnen wir uns nach einem sicheren Zufluchtsort. Das GFS droht uns mit starkem Ostwind, ab morgen Mittag. Auf dem UKW erfahren wir, das »Port Charcot«, der normalerweise beste Platz in dieser Ecke derzeit ungenießbar ist. Munter herumtreibende großformatige Eisberge überall. Aber Edd, der junge Kapitän der PELAGIC AUSTRALIS hat uns da einen Geheimtip gegeben: »Cholet Island«, unweit von »Port Charcot«. Da soll es einen kleinen, gut gegen Nord oder Ostwind geschützten Einschnitt geben, mit brauchbaren Felsen für die unabdingbaren Landleinen. Gemeinsam mit der HAIYOU Crew arbeiten wir drei Stunden wie die Berserker um beide Boote so gut es geht abzusichern. Wir bringen sogar Leinen aus, die quer über die kleine Insel zum anderen Ufer führen, wo es bessere und schwerere Fixpunkte gibt. Dann ist es getan. Wir können auf einen großartigen Tag anstoßen und den Wendepunkt unserer Reise. Nachts gehen wir abwechselnd Eiswache. Wer weiß, was da noch so in die Bucht getrieben wird.
In der dritten Nacht ist es soweit, natürlich gegen Mitternacht. Ein reihenhausgroßes »Bergy Bit« ist von einem größeren Tafeleisberg draußen vor »Cholet Island« abgebrochen und treibt nun mit dem Tidenstrom auf uns zu, gegen den schwächelnden Ostwind. Wir müssen weg, schnell weg. In größter Eile bergen wir unsere zahllosen und hunderte von Metern langen Landleinen. Der fette Eisberg verfehlt den Bug der VERA lediglich um einen Meter. Draussen vor der Bucht sind wir total erledigt und schweißgebadet. Auf Deck liegen Fender und Berge von unklaren und tropfnassen Leinen. Was jetzt? »Port Lockroy« auf »Wienke Island«? Durch die eisige Nacht? Der »Hafen« der ehrwürdige Britische Forschungsstation liegt 22 Seemeilen nordöstlich von hier. Wir wissen nicht wie viel Eis noch immer in der südlichen »Gerlache Straße« liegt, das bei schlechtem Licht kaum zu sehen sein dürfte. Dennoch beschließen wir, es zu versuchen, vor allem weil der Wind nur schwach weht und noch weiter abnehmen sollte…
Diese Kalkulation erweist sich als Fehler. Die Türme von »Kap Renard« peilen unter einem spektakulär leuchtenden Vollmond querab, als der Wind unerwartet auffrischt. 20 Knoten, dann 30 und mehr, aus NE, natürlich genau von vorn. Hoher, ätzender Seegang jetzt. Der VOLVO läuft auf vollen Touren. In Böen bringt das jetzt noch zweienhalb Knoten über Grund. Kaltes, weißes Salzwasser wälzt sich über das Deck der VERA. B und ich starren mit tränenden Augen in die Nacht. Eis! Ständig müssen wir ausweichen. Ich (M) sehe nichts. Salz auf der Brille, die ohnehin nichts taugt. Bald sind wir klatschnass und tiefgefroren. Auf der HAIYOU sitzen sie jetzt im geheizten Steuerhaus hinter Panzerglas. Die Eiswache draussen wird stündlich abgelöst. Das gibt zu denken. Stunden später: Im Windschatten von »Wienke Island« lässt der Wind ein wenig nach. Zwei große Buckelwale spielen ein paar Bootslängen querab im Mondlicht. Ein herrlicher Anblick. Es ist fast geschafft. Im Morgengrauen erreichen wir »Port Lockroy«, wo mindestens sechs andere Yachten Schutz gesucht haben, darunter zu unserer Freude auch die holländische JONATHAN mit Caroline und Mark. Der Anker fällt und hält. Wir sind in Sicherheit. Und fühlen uns großartig.
In den darauffolgenden Tagen genießen wir mit den Freunden die vergleichsweise nervenschonende Sicherheit, die die gegen alle Windrichtungen geschützte, fast kreisrunde und von hohen Gipfeln eingerahmte Bucht von »Port Lockroy« bietet. Die Briten wussten schon was sie taten, als sie hier nach dem zweiten Weltkrieg ihr Hauptquartier aufschlugen. Heute ist die alte Station ein Museum, das während der Saison von tausenden von Kreuzfahrern bepilgert wird. Neben den vielen Eselspinguinen gibt es sehenswerte Exponate zu sehen, wissenschaftliche Ausrüstung, Skier, Schlitten und Dinge des täglichen Lebens. Im gut sortierten Souvenirshop führen sie einfach alles, vom »Port Lockroy« T-Shirt über Postkarten und Briefmarken (es gibt hier sogar einen offiziellen Briefkasten), bis zu den Pinguintassen und natürlich Shakleton‘s Lieblingswhisky. Die Flasche für 70,- $ US würde den Wert unseres Schiffes bestimmt erhöhen, sofern sie denn an Bord in ihrer Vitrine verbliebe.
Hier in »Port Lockroy« verlässt uns völlig unerwartet die HAIYOU, mit der wir in den letzen Wochen durch dick und dünn gegangen sind. Ein Schlaganfall in der Familie. Chris, Lynn und Javier laufen sofort aus, hinein in einen eisigen Nordost, nonstop zurück nach Puerto Williams. Unser Neid hält sich in Grenzen, trotz des offenbar brauchbaren Wetterfensters. Aber auch für uns neigt sich die Saison dem Ende zu. Noch diese Woche planen wir, die 50 Seemeilen durch den »Neumeyer Kanal« nach »Melchior Island« in Angriff zu nehmen. Dort wollen wir auf guten Wind warten, der uns eine sichere Heimreise über die gefürchtete »Drake Passage« verspricht. Wenn alles gut geht, erfahrt Ihr darüber mehr, in einem frischen Newsletter.
Herzliche Grüße und alles erdenklich Gute wünschen Euch B und M / SY VERA / Port Lockroy / Antarctica / POS 64.49,6S - 063.29,3W
1 - Ein perfekter Morgen in der südlichen »Gerlache Straße«.

2 - SY HAIYOU am »Kap Renard«.

3 - Blick zurück auf das »Kap Renard«: Zwei eisige Zinnen wie aus dem Märchenbuch.

4 - Im Kielwasser der HAIYOU am Eingang des spektakulären »Le Maire Kanals«.

5 - Noch herrscht Ruhe im »Le Maire Kanal«. Ein Film von B+M.
6 - Vereister »Le Maire Kanal«: Drei Faultiere am Wegesrand.

7 - Vereister »Le Maire Kanal«: Action auf der HAIYOU.

8 - »Ankerplatz« auf »Cholet Island«: Abendstimmung.

9 - »Cholet Island«: Gute Nacht.

10 - »Port Lockroy«: Die ehrwürdige Britische Forschungsstation.

11 - Im Museum von »Port Lockroy«: Elizabeth Taylor bewacht eine Koje.

12 - »Port Lockroy«: BOUNCE bringt uns zurück an Bord. Ein Film von B+M.
13 - Unsere Route durch den »Le Maire Kanal« nach »Cholet Island« und weiter nach »Port Lockroy«.

005 - CUVERVILLE ISLAND, SKONTORP COVE UND LAUTORO ISLAND
18/01/19 00:00 Antarctica
005 - Cuverville Island, Skontorp Cove und Lautoro Island
Hallo Ihr Lieben!
Mit jedem weiteren Meter in den Süden wird das Vorwärtskommen schwieriger. »Growler«, »Bergy Bits« und ausgewachsene »Bergs« wollen geschickt umkurvt sein, aber auch kleinere Schollen und Brocken, die der VERA zumindest kosmetischen Schaden zufügen könnten. So werden die 30 Seemeilen von »Enterprise« nach »Cuverville Island« zu einem eiskalten Abenteuer im Cockpit, das Dank der gewaltigen Landschaft, der herrschenden Flaute und der ausgezeichneten Sicht diesmal aber sehr gut auszuhalten ist. Wir leben draußen, so richtig draußen, und am Abend sind wir total erledigt. Unsere Freunde von der HAIYOU sitzen im beheizten Glashaus ihrer »Garcia Exploration« und genießen dasselbe Panorama, bequemer, wärmer und sicherer. Aber: Ist bequemer, wärmer und sicherer immer besser?
Wir erreichen »Cuverville Island« am frühen Nachmittag. Der Ankerplatz dort an der großen Eselspinguin Kolonie genießt keinen guten Ruf. Schlecht haltender Grund, Treibeis in allen Größen. Heute aber herrscht Flaute und die Sonne wärmt uns die Gesichter. BOUNCE bringt uns hinaus in das Labyrinth zwischen den gestrandeten »Bergy Bits« am Eingang der Bucht. Muntere Eselspinguine wimmeln im Wasser, die Sonne funkelt im Eis, pure Magie. Die Nacht neben der HAIYOU wird denkwürdig. Der charakteristisch eselige »IiiiAhhh!« Ruf der Eselspinguine klingt ungewohnt, aber gut. Dazu Knacken und Krachen die gewaltigen Gletscher ringsum, und immer wieder rauschen große Lawinen zu Tal, während wir friedlich in der Koje liegen. Erst am Morgen treibt uns ein fetter »Growler« vor den Bug. Mit unserem in Ushuaia zusammengebastelten »Icestick« kann ich (M) ihn jedoch abwehren, wie Don Quijote die Windmühle mit seiner langen Lanze.
Ein neuer Tag: B und ich landen mit dem Dinghy und besuchen die große Pinguinkolonie, die sich in vielen Jahren an den nahegelegenen Hängen und Graten entwickelt hat. Die Umstände sind günstig. Der Wind steht im Rücken, was unbestreitbar seine Vorteile hat. Dazu kann man hier im Schnee bleiben und die Stiefel sauber halten, aber doch recht nah an diese faszinierenden, gut angezogenen und vollkommen arglosen Tiere herankommen. Es gibt viel zu sehen. Die flauschigen Küken sind frisch geschlüpft und werden ununterbrochen gewärmt, gefüttert und betuddelt. Fette Skua Raubmöwen kreisen in der Luft und hoffen auf eine Umaufmerksamkeit der Eltern. Die Art und Weise, wie die weitläufige Kolonie angelegt ist gibt zu denken. Manche Vögel müssen offensichtlich stundenlang laufen und klettern, um vom Meer zu ihrem Nest zu kommen. Warum lassen die sich das gefallen? Ich (M) habe da so meine Theorie: Manch junger Nonkonformist buckelt und kuscht so lange vor den Älteren, bis ihm (oder ihr) das zeitaufwändige Pendeln endgültig stinkt. Dann beginnt eine abenteuerliche Entdeckungsreise, die mit etwas Glück in der Gründung einer ganz neuen Kolonie endet, so eine, wo man sein Nest direkt ans Wasser bauen darf, ohne jemanden zu fragen. Mit der Zeit gibt es so immer mehr Eselspinguinkolonien. Das könnte, wenn man es recht bedenkt, bei Homo Sapiens ganz ähnlich gelaufen sein… Dinner mit der HAIYOU Crew an Bord der VERA. Wir diskutieren noch lange über unterschiedliche Lebensmodelle, Juval Harari, das Fermi Paradox, Diäten und Joga. Die Nacht wird erneut friedlich. Glück gehabt.
Es sind knapp zwanzig Meilen in die idyllische, von steilen Eiswänden und kalbenden Gletschern umgebene »Skontorp Cove«, unserem nächsten, halbwegs sicherem Zwischenstopp auf dem Weg in den tiefen Süden. Das umkurven der Eisberge wird immer aufwendiger. Bloß aufpassen, das es nicht kracht. Zwei Forschungsstationen liegen in der »Paradise Bay«, also direkt am Weg. Chile und Argentinien wetteifern hier um die bahnbrechendste wissenschaftliche Entdeckung. Javier von der HAIYOU schindet über die absurd attraktive Stationsleiterin eine Einladung in die Argentinische Station »Almirante Brown« für uns heraus, die wir dankend annehmen. Immerhin ermöglicht uns der Landgang hier, unsere Füße auf den Antarktischen Kontinent zu setzen, diesmal wirklich und nicht nur auf eine der vorgelagerten Inseln. Der Blick von den Hügeln über der Station ist einmalig und geht weit hinaus in die »Gerlache Straße«. Zwei Buckelwale plantschen in der »Paradise Bay«. Sagt B.
Unerwartet trifft die PELAGIC AUSTRALIS in unserer kleinen »Skontorp Cove« ein. Im Frühjahr hatten wir uns in Puerto Williams mit der jungen Dreiercrew angefreundet. Skipper Edd lädt uns zu »Drinks« ein und fischt schon mal nach Eis. Die im Wasser treibenden Stückchen sind faszinierend anzusehen. Glitzernd transparente Skulpturen, geformt von den Gesetzen der Natur. Elliptische Kurven, gerippelte Oberflächen, kleine Knöchel wie an den Flossen der Buckelwale oder an Hightech Foils, hier und da ein schwarzer Splitter von Fels. Alles fließt. Strömungslehre: Wohl eine der faszinierendsten naturwissenschaftlichen Disziplinen. Wenn man noch mal jung wäre, dann könnte man… Was soll‘s. Bald sitzen wir zum Umtrunk beisammen, im gut beheizten Salon von Skip Novaks mächtigem Expeditionsschlitten. Neun gut betuchte Chartergäste sind an Bord, Extrembergsteiger und Tourengeher aus aller Welt. In den nächsten Woche wollen sie sich für drei Tage auf »Brabant Island« aussetzen lassen. Ein unbestiegener Gipfel lockt, und eine extreme Abfahrt im jungfräulichen Pulverschnee. Rückflüge Ende Januar. Man ist irgendwie neugierig auf uns, auf das Woher und das Wohin. Bei eisberggekühlten Gin Tonics erzähle ich (M) von unseren Plänen, und von der Freiheit, die sich ergibt, wenn daheim keine Karriere mehr wartet. Das gibt ihnen zu denken, irgendwie. Als wir später zurück zur VERA rudern schneit es aus allen Rohren. Tiefschnee an Deck, eisige Temperaturen. Wir winschen BOUNCE besser an Deck, schon wegen der fressgierigen Seeleoparden, die hier herumhängen sollen. Die Extrembergsteiger haben sich für den Morgen zum schwimmen ums Boot verabredet. Na dann viel Freude dabei.
Bei herrlichem Wetter bleiben wir mit der HAIYOU einige Tage in der gemütlichen »Skontorp Cove«. Weiter im Süden soll es noch viel zu viel Eis geben, wie wir den UKW Gesprächen der Kreuzfahrer und einer e-mail von Calypso, der jungen, rothaarigen und frisch gebackenen Skipperin der ebenfalls hier operierenden Charteryacht SPIRIT OF SYDNEY entnehmen. Kaum einer schafft es derzeit durch die »Le Maire Straße«, oder gar bis nach »Vernadzky«, der Ukrainischen Forschungsstation, die in den meisten Jahren der südlichste Punkt ist, der sich mit einer kleinen Yacht erreichen lässt. Wir zögern also noch, es selbst zu versuchen. Bei auffrischendem NE Wind verlegen wir mit der HAIYOU zehn Meilen weiter in eine romantisch gelegene, kleine Eselspinguinkolonie auf der Südseite von »Lautaro Island«. Während dort bei eisigem Wind noch immer gebrütet wird, basteln wir drei Stunden lang an einem komplexen Spinnennetz von Landleinen. Das sollte erstmal halten. Gut so, bei diesem Wetter, das nicht mehr »dingle« ist, sondern eher »manky«.
Herzliche Grüße und alles erdenklich Gute wünschen Euch B und M / SY VERA / Lautoro Island / Antarctica / POS 64.49,6S - 063.06,2W
1 - »Cuverville Island«: VERA mit ein paar »Growlern«.

2 - »Cuverville Island«: B am Berg .

3 - »Cuverville Island«: Eselspinguine mit frisch geschlüpften Küken.

4 - »Cuverville Island«: Eselspinguinpärchen beim Füttern ihres flauschigen Kükens.

5 - Der definitive Eselspinguinfilm. Ein Film von B+M.
6 - »Cuverville Island«: Abendstimmung.

7 - VERA in »Skontorp Cove«.

8 - »Skontorp Cove«: Zwei Schlummerrollen auf ihrer heimeligen kleinen Scholle.

9 - »Almirante Brown«: Die Argentinische Forschungsstation am Eingang zur »Paradise Bay«.

10 - »Skontorp Cove«: Architektur ohne Architekten.

11 - Kälte im Cockpit.

12 - »Lautaro Island«: Blick nach Südwesten von unserem Versteck aus.

13 - Unsere Route von »Enterprise Harbor« nach »Lautaro Island«.

Hallo Ihr Lieben!
Mit jedem weiteren Meter in den Süden wird das Vorwärtskommen schwieriger. »Growler«, »Bergy Bits« und ausgewachsene »Bergs« wollen geschickt umkurvt sein, aber auch kleinere Schollen und Brocken, die der VERA zumindest kosmetischen Schaden zufügen könnten. So werden die 30 Seemeilen von »Enterprise« nach »Cuverville Island« zu einem eiskalten Abenteuer im Cockpit, das Dank der gewaltigen Landschaft, der herrschenden Flaute und der ausgezeichneten Sicht diesmal aber sehr gut auszuhalten ist. Wir leben draußen, so richtig draußen, und am Abend sind wir total erledigt. Unsere Freunde von der HAIYOU sitzen im beheizten Glashaus ihrer »Garcia Exploration« und genießen dasselbe Panorama, bequemer, wärmer und sicherer. Aber: Ist bequemer, wärmer und sicherer immer besser?
Wir erreichen »Cuverville Island« am frühen Nachmittag. Der Ankerplatz dort an der großen Eselspinguin Kolonie genießt keinen guten Ruf. Schlecht haltender Grund, Treibeis in allen Größen. Heute aber herrscht Flaute und die Sonne wärmt uns die Gesichter. BOUNCE bringt uns hinaus in das Labyrinth zwischen den gestrandeten »Bergy Bits« am Eingang der Bucht. Muntere Eselspinguine wimmeln im Wasser, die Sonne funkelt im Eis, pure Magie. Die Nacht neben der HAIYOU wird denkwürdig. Der charakteristisch eselige »IiiiAhhh!« Ruf der Eselspinguine klingt ungewohnt, aber gut. Dazu Knacken und Krachen die gewaltigen Gletscher ringsum, und immer wieder rauschen große Lawinen zu Tal, während wir friedlich in der Koje liegen. Erst am Morgen treibt uns ein fetter »Growler« vor den Bug. Mit unserem in Ushuaia zusammengebastelten »Icestick« kann ich (M) ihn jedoch abwehren, wie Don Quijote die Windmühle mit seiner langen Lanze.
Ein neuer Tag: B und ich landen mit dem Dinghy und besuchen die große Pinguinkolonie, die sich in vielen Jahren an den nahegelegenen Hängen und Graten entwickelt hat. Die Umstände sind günstig. Der Wind steht im Rücken, was unbestreitbar seine Vorteile hat. Dazu kann man hier im Schnee bleiben und die Stiefel sauber halten, aber doch recht nah an diese faszinierenden, gut angezogenen und vollkommen arglosen Tiere herankommen. Es gibt viel zu sehen. Die flauschigen Küken sind frisch geschlüpft und werden ununterbrochen gewärmt, gefüttert und betuddelt. Fette Skua Raubmöwen kreisen in der Luft und hoffen auf eine Umaufmerksamkeit der Eltern. Die Art und Weise, wie die weitläufige Kolonie angelegt ist gibt zu denken. Manche Vögel müssen offensichtlich stundenlang laufen und klettern, um vom Meer zu ihrem Nest zu kommen. Warum lassen die sich das gefallen? Ich (M) habe da so meine Theorie: Manch junger Nonkonformist buckelt und kuscht so lange vor den Älteren, bis ihm (oder ihr) das zeitaufwändige Pendeln endgültig stinkt. Dann beginnt eine abenteuerliche Entdeckungsreise, die mit etwas Glück in der Gründung einer ganz neuen Kolonie endet, so eine, wo man sein Nest direkt ans Wasser bauen darf, ohne jemanden zu fragen. Mit der Zeit gibt es so immer mehr Eselspinguinkolonien. Das könnte, wenn man es recht bedenkt, bei Homo Sapiens ganz ähnlich gelaufen sein… Dinner mit der HAIYOU Crew an Bord der VERA. Wir diskutieren noch lange über unterschiedliche Lebensmodelle, Juval Harari, das Fermi Paradox, Diäten und Joga. Die Nacht wird erneut friedlich. Glück gehabt.
Es sind knapp zwanzig Meilen in die idyllische, von steilen Eiswänden und kalbenden Gletschern umgebene »Skontorp Cove«, unserem nächsten, halbwegs sicherem Zwischenstopp auf dem Weg in den tiefen Süden. Das umkurven der Eisberge wird immer aufwendiger. Bloß aufpassen, das es nicht kracht. Zwei Forschungsstationen liegen in der »Paradise Bay«, also direkt am Weg. Chile und Argentinien wetteifern hier um die bahnbrechendste wissenschaftliche Entdeckung. Javier von der HAIYOU schindet über die absurd attraktive Stationsleiterin eine Einladung in die Argentinische Station »Almirante Brown« für uns heraus, die wir dankend annehmen. Immerhin ermöglicht uns der Landgang hier, unsere Füße auf den Antarktischen Kontinent zu setzen, diesmal wirklich und nicht nur auf eine der vorgelagerten Inseln. Der Blick von den Hügeln über der Station ist einmalig und geht weit hinaus in die »Gerlache Straße«. Zwei Buckelwale plantschen in der »Paradise Bay«. Sagt B.
Unerwartet trifft die PELAGIC AUSTRALIS in unserer kleinen »Skontorp Cove« ein. Im Frühjahr hatten wir uns in Puerto Williams mit der jungen Dreiercrew angefreundet. Skipper Edd lädt uns zu »Drinks« ein und fischt schon mal nach Eis. Die im Wasser treibenden Stückchen sind faszinierend anzusehen. Glitzernd transparente Skulpturen, geformt von den Gesetzen der Natur. Elliptische Kurven, gerippelte Oberflächen, kleine Knöchel wie an den Flossen der Buckelwale oder an Hightech Foils, hier und da ein schwarzer Splitter von Fels. Alles fließt. Strömungslehre: Wohl eine der faszinierendsten naturwissenschaftlichen Disziplinen. Wenn man noch mal jung wäre, dann könnte man… Was soll‘s. Bald sitzen wir zum Umtrunk beisammen, im gut beheizten Salon von Skip Novaks mächtigem Expeditionsschlitten. Neun gut betuchte Chartergäste sind an Bord, Extrembergsteiger und Tourengeher aus aller Welt. In den nächsten Woche wollen sie sich für drei Tage auf »Brabant Island« aussetzen lassen. Ein unbestiegener Gipfel lockt, und eine extreme Abfahrt im jungfräulichen Pulverschnee. Rückflüge Ende Januar. Man ist irgendwie neugierig auf uns, auf das Woher und das Wohin. Bei eisberggekühlten Gin Tonics erzähle ich (M) von unseren Plänen, und von der Freiheit, die sich ergibt, wenn daheim keine Karriere mehr wartet. Das gibt ihnen zu denken, irgendwie. Als wir später zurück zur VERA rudern schneit es aus allen Rohren. Tiefschnee an Deck, eisige Temperaturen. Wir winschen BOUNCE besser an Deck, schon wegen der fressgierigen Seeleoparden, die hier herumhängen sollen. Die Extrembergsteiger haben sich für den Morgen zum schwimmen ums Boot verabredet. Na dann viel Freude dabei.
Bei herrlichem Wetter bleiben wir mit der HAIYOU einige Tage in der gemütlichen »Skontorp Cove«. Weiter im Süden soll es noch viel zu viel Eis geben, wie wir den UKW Gesprächen der Kreuzfahrer und einer e-mail von Calypso, der jungen, rothaarigen und frisch gebackenen Skipperin der ebenfalls hier operierenden Charteryacht SPIRIT OF SYDNEY entnehmen. Kaum einer schafft es derzeit durch die »Le Maire Straße«, oder gar bis nach »Vernadzky«, der Ukrainischen Forschungsstation, die in den meisten Jahren der südlichste Punkt ist, der sich mit einer kleinen Yacht erreichen lässt. Wir zögern also noch, es selbst zu versuchen. Bei auffrischendem NE Wind verlegen wir mit der HAIYOU zehn Meilen weiter in eine romantisch gelegene, kleine Eselspinguinkolonie auf der Südseite von »Lautaro Island«. Während dort bei eisigem Wind noch immer gebrütet wird, basteln wir drei Stunden lang an einem komplexen Spinnennetz von Landleinen. Das sollte erstmal halten. Gut so, bei diesem Wetter, das nicht mehr »dingle« ist, sondern eher »manky«.
Herzliche Grüße und alles erdenklich Gute wünschen Euch B und M / SY VERA / Lautoro Island / Antarctica / POS 64.49,6S - 063.06,2W
1 - »Cuverville Island«: VERA mit ein paar »Growlern«.

2 - »Cuverville Island«: B am Berg .

3 - »Cuverville Island«: Eselspinguine mit frisch geschlüpften Küken.

4 - »Cuverville Island«: Eselspinguinpärchen beim Füttern ihres flauschigen Kükens.

5 - Der definitive Eselspinguinfilm. Ein Film von B+M.
6 - »Cuverville Island«: Abendstimmung.

7 - VERA in »Skontorp Cove«.

8 - »Skontorp Cove«: Zwei Schlummerrollen auf ihrer heimeligen kleinen Scholle.

9 - »Almirante Brown«: Die Argentinische Forschungsstation am Eingang zur »Paradise Bay«.

10 - »Skontorp Cove«: Architektur ohne Architekten.

11 - Kälte im Cockpit.

12 - »Lautaro Island«: Blick nach Südwesten von unserem Versteck aus.

13 - Unsere Route von »Enterprise Harbor« nach »Lautaro Island«.

004 - ENTERPRISE ISLAND
11/01/19 00:00 Antarctica
Hallo Ihr Lieben!
Am frühen Morgen des 07. Januars verlassen wir unseren Ankerplatz in der »Whalers Bay« auf »Deception Island« und steuern auf den Ausgang der Vulkaninsel zu, den übel beleumundeten »Neptunes Bellows«. Gerade in diesem Augenblick kommt uns ein Kreuzfahrtschiff entgegen, Hurtigruten, Norwegen. Auf dem Funk hören wir, das man vor Ort ist, um die seit sechs Wochen in der »Whalers Bay« zeltenden norwegischen Pinguinforscher zum Lunch und zum Duschen im Wellness Bereich einzuladen. Man will später zwei große Schlauchboote schicken, um die Wissenschaftler abzuholen. Ordentlich Betrieb hier.
Draussen in der offenen »Bransfield Strait« empfängt uns unerwartet eine chaotische, hohe See und kräftiger Westwind, viel mehr als angesagt. Dazu Schneetreiben und schlechte Sicht. Das geht auf die Stimmung und schlägt auf den Magen. 60 Seemeilen sind es bis »Trinity Island«, ein langer, harter Tag. Immerhin segeln wir, schnell und bei halben Wind, was einiges an Diesel spart. Aber die steilen, weißen Katzenköpfe erschweren es, die gefährlichen kleine Eisbrocken im Wasser zu erkennen, die man fachmännisch in »Growler« oder »Bergy Bits« unterteilt. Der Unterschied zwischen »Growlern« und »Bergy Bits« ist das Radarecho, das sie werfen. »Bergy Bits« sieht man rechtzeitig am Bildschirm, »Growler« nicht. Eine Kollision bei Brassfahrt ist in beiden Fällen zu vermeiden.
Bald sind wir ordentlich durchgefroren und todmüde von der anstrengenden Eiswache in unserem offenen, zugigem Cockpit. Später Nachmittag: Wir passieren Trinity Island, ein furchteinflößendes, menschenfeindliches Gletschermonster mit eisigen Reißzähnen aus schwarzem Fels, wie aus einem Roman von George R. R. Martin. Auf der Südostseite soll es einen brauchbaren Ankerplatz geben: »Mikkelsen Harbor«, schlechter Ankergrund, aber ok bei Flaute oder schwachen westlichen Winden. Als wir am Abend am Südkap der Insel um die Ecke biegen frischt der Wind erneut auf und auch der Seegang legt wieder zu. Aus Ost, Südost jetzt, komischerweise. Das steht jetzt also voll in diesen so genanten »Harbor« hinein. Was jetzt? B zieht eine obskure Kuliskizze aus ihrem gut sortierten Antarktisordner. Es soll da einen anderen Platz unweit der Südwestecke geben, der bei Ostwind gehen könnte. »Faff Cove«, nirgendwo eingezeichnet, nirgendwo erwähnt, alle Karten sind vage. Wir tasten uns vorsichtig heran. Voraus Eiswände und senkrechte schwarze Klippen. Es schneit, die Sicht ist mies. Nordostwind jetzt, der rapide zulegt. Wenn das hier nicht hinhaut müssen wir ablaufen, weiter Richtung »Enterprise Island«, weitere 60 Seemeilen, bei diesem Sauwetter. Diese eiskalte Aussicht jagt mir (M) Angst ein, die sich durch Verspannungen und ein flaues Gefühl im Magen äußert. Doch dann: Völlig unerwartet »Sesam öffnet sich« voraus eine kleine Bucht, ein fast kreisrunder alter Krater, an der Südseite eingebrochen. Bügelanker genau in die Mitte, mit ordentlich Kette. Hält bombensicher. Wir sehen uns um. Senkrechte Eiswände umfassen uns. Ein feiner Saum von Fels unten am Wasser. Ein unglaublicher Platz, den man niemals angemessen fotografieren könnte. Ruhe. Zwei muntere Eselspinguine paddeln ums Boot und freuen sich mit uns. Es ist unglaublich, aber wir fühlen uns sicher hier. Gute Nacht.
Zwölf Stunden Schlaf haben uns gut getan. Mit frischen Kräften nutzen wir den frischen Nordwind um weiter Süd zu machen, hinein in die alten Walfanggründe der »Gerlache Straße«, zwischen »Brabant Island« und den Bergketten der Antarktischen Halbinsel, die sich an Backbord bis zu 3000 Metern erheben. Geologisch gehören sie zu den Anden, was Argentinien und Chile offenbar den Vorwand liefert, das gesamte Gebiet für sich zu beanspruchen. Da sind sie allerdings nicht alleine. Am Eingang der »Gerlache Straße« patrouilliert ein Kolumbianisches Kriegsschiff. AIS und Großvater Hensoldt sind sich da einig. Was die wohl hier wollen? Den ganzen Tag steuern wir im Slalom zwischen den »Growlern« und den »Bergy Bits« hindurch, die immer zahlreicher werden. Buckelwale springen herum oder zeigen ihre Fluken. B sieht sie, M kommt meist zu spät. Mein Augenlicht lässt nach. Das Alter? Vielleicht auch die verdammte nasse Brille, die nicht mehr so recht passt. Schließlich taucht »Enterprise Island« vor uns auf, wo es eine sichere Zuflucht zwischen einer kleinen vergletscherten Bucht und dem Wrack des alten Walfängers »SS GOVERNOREN« gibt, der hier von seiner Besatzung lichterloh brennend auf Grund gesetzt wurde. Die australisch, französisch, chinesisch, argentinische HAIYOU ist bereits vor Ort, was uns das recht komplizierte Anlegemanöver sehr erleichtert. Wir kochen Nudeln, trinken ein großes Bier und fallen ins Bett.
Der Morgen weckt uns mit strahlendem Sonnenschein und einem sagenhaften Blick auf die gegenüberliegenden Bergketten der Antarktischen Halbinsel. Ringsum Eis, gleißender Schnee, Gletscher, Felsen, dazu der rotrostige Stahl des alten Dampfschiffes, auf dem ein Schwarm von zankenden und schimpfenden Seeschwalben nistet. Ein Panorama, eine Atmosphäre, die so unglaublich sind, das es schwer zu beschreiben ist. Nach dem Morgentee setze ich (also M) mich auf die Bugspitze der VERA, um ein wenig Gitarre zu üben. Auf dem Bug der HAIYOU neben uns sitzt Javier im Schneidersitz, suckelt an seinem Mate Becher und meditiert. Dann, ganz plötzlich, wie ein UFO aus heiterem Himmel, taucht ein schwarzes ZODIAC Schlauchboot neben uns auf, voller Astronauten in gelben Raumanzügen und blauen Schwimmwesten, die Javier und mich anstarren wie Zootiere. Kameras surren und klicken. Wir werden bestaunt: »Where do you come from? Germany? Wow! How long did it take you to get here? Have you really crossed the Drake?«. »It‘ll go away,« sagt Javier und suckelt indigniert an seinem Mate. Stattdessen werden es mehr, viel mehr. Zwölf randvolle Schlauchboote mit Astronauten, dazu eine Riesenflotte von Kayaks von der »MS OCEAN ADVENTURE« mit Abenteurern aus aller Welt. B plauscht mit einer amerikanischen Bootsführerin. Ein cooler Job für die Sommersaison, und gut bezahlt. Dennoch sind wir froh, als sie nach der ausgiebigen Besichtigung unseres Wracks weiterziehen und wieder Ruhe einkehrt.
Die nächsten Tage genießen wir in vollen Zügen bei strahlend blauem Wetter, das uns sogar eine glitzernd weiße Winterwanderung auf die umliegenden Hügel und einen Blick auf die »Gerlache Straße« und die Antarktische Halbinsel ermöglicht. Zwei weitere Yachten treffen ein, die SPIRIT OF SYDNEY und die PARADISE. Individualistencharter, der andere Gäste anzieht, als die Luxuskreuzfahrtschiffe. Wir werden zu Umtrunks und zum Grillen eingeladen und genießen es, ein wenig mit der sehr internationalen Gruppe zu plauschen und ordentlich Wein zu trinken. Man liegt gut hier, an der alten rostigen »SS GOVERNOREN«. Wenn nur die täglich in Flotten von Schlauchbooten angekarrten Massen von Astronauten nicht wären… So zieht es uns irgendwann weiter, wieder hinaus in die eisige »Gerlache Straße«, Süd machen, solange der Sommer währt. Wir melden uns wieder.
Herzliche Grüße und alles erdenklich Gute wünschen Euch B und M / SY VERA / Enterprise Harbor / Isla Lientur / Antarctica
1 - Ein »Growler«.

2 - Zuflucht in der »Faff Cove«. Ein Film von B+M.
3 - »Bergy Bit« in der »Gerlache Straße«. Im Hintergrund die Antarktische Halbinsel. Ein Film von B+M.
4 - »Enterprise Harbor« mit dem Wrack der SS GOVERNOREN. Die australische HAIYOU ist bereits vor Ort.

5 - Das Panorama zum Frühstück.

6 - Besuch zum Frühstück: Astronauten mit gelben Raumanzügen.

7 - B im »Enterprise Harbor«.

8 - »Enterprise Harbor«: Über den Wolken.

9 - »Enterprise Harbor«: VERA im Päckchen mit HAIYOU, SPIRIT und PARADISE.

10 - Harpunenmunition an Bord des alten Walfängers SS GOVERNOREN.

11 - Unsere Route von »Deception Island« nach »Enterprise Harbor«.

Am frühen Morgen des 07. Januars verlassen wir unseren Ankerplatz in der »Whalers Bay« auf »Deception Island« und steuern auf den Ausgang der Vulkaninsel zu, den übel beleumundeten »Neptunes Bellows«. Gerade in diesem Augenblick kommt uns ein Kreuzfahrtschiff entgegen, Hurtigruten, Norwegen. Auf dem Funk hören wir, das man vor Ort ist, um die seit sechs Wochen in der »Whalers Bay« zeltenden norwegischen Pinguinforscher zum Lunch und zum Duschen im Wellness Bereich einzuladen. Man will später zwei große Schlauchboote schicken, um die Wissenschaftler abzuholen. Ordentlich Betrieb hier.
Draussen in der offenen »Bransfield Strait« empfängt uns unerwartet eine chaotische, hohe See und kräftiger Westwind, viel mehr als angesagt. Dazu Schneetreiben und schlechte Sicht. Das geht auf die Stimmung und schlägt auf den Magen. 60 Seemeilen sind es bis »Trinity Island«, ein langer, harter Tag. Immerhin segeln wir, schnell und bei halben Wind, was einiges an Diesel spart. Aber die steilen, weißen Katzenköpfe erschweren es, die gefährlichen kleine Eisbrocken im Wasser zu erkennen, die man fachmännisch in »Growler« oder »Bergy Bits« unterteilt. Der Unterschied zwischen »Growlern« und »Bergy Bits« ist das Radarecho, das sie werfen. »Bergy Bits« sieht man rechtzeitig am Bildschirm, »Growler« nicht. Eine Kollision bei Brassfahrt ist in beiden Fällen zu vermeiden.
Bald sind wir ordentlich durchgefroren und todmüde von der anstrengenden Eiswache in unserem offenen, zugigem Cockpit. Später Nachmittag: Wir passieren Trinity Island, ein furchteinflößendes, menschenfeindliches Gletschermonster mit eisigen Reißzähnen aus schwarzem Fels, wie aus einem Roman von George R. R. Martin. Auf der Südostseite soll es einen brauchbaren Ankerplatz geben: »Mikkelsen Harbor«, schlechter Ankergrund, aber ok bei Flaute oder schwachen westlichen Winden. Als wir am Abend am Südkap der Insel um die Ecke biegen frischt der Wind erneut auf und auch der Seegang legt wieder zu. Aus Ost, Südost jetzt, komischerweise. Das steht jetzt also voll in diesen so genanten »Harbor« hinein. Was jetzt? B zieht eine obskure Kuliskizze aus ihrem gut sortierten Antarktisordner. Es soll da einen anderen Platz unweit der Südwestecke geben, der bei Ostwind gehen könnte. »Faff Cove«, nirgendwo eingezeichnet, nirgendwo erwähnt, alle Karten sind vage. Wir tasten uns vorsichtig heran. Voraus Eiswände und senkrechte schwarze Klippen. Es schneit, die Sicht ist mies. Nordostwind jetzt, der rapide zulegt. Wenn das hier nicht hinhaut müssen wir ablaufen, weiter Richtung »Enterprise Island«, weitere 60 Seemeilen, bei diesem Sauwetter. Diese eiskalte Aussicht jagt mir (M) Angst ein, die sich durch Verspannungen und ein flaues Gefühl im Magen äußert. Doch dann: Völlig unerwartet »Sesam öffnet sich« voraus eine kleine Bucht, ein fast kreisrunder alter Krater, an der Südseite eingebrochen. Bügelanker genau in die Mitte, mit ordentlich Kette. Hält bombensicher. Wir sehen uns um. Senkrechte Eiswände umfassen uns. Ein feiner Saum von Fels unten am Wasser. Ein unglaublicher Platz, den man niemals angemessen fotografieren könnte. Ruhe. Zwei muntere Eselspinguine paddeln ums Boot und freuen sich mit uns. Es ist unglaublich, aber wir fühlen uns sicher hier. Gute Nacht.
Zwölf Stunden Schlaf haben uns gut getan. Mit frischen Kräften nutzen wir den frischen Nordwind um weiter Süd zu machen, hinein in die alten Walfanggründe der »Gerlache Straße«, zwischen »Brabant Island« und den Bergketten der Antarktischen Halbinsel, die sich an Backbord bis zu 3000 Metern erheben. Geologisch gehören sie zu den Anden, was Argentinien und Chile offenbar den Vorwand liefert, das gesamte Gebiet für sich zu beanspruchen. Da sind sie allerdings nicht alleine. Am Eingang der »Gerlache Straße« patrouilliert ein Kolumbianisches Kriegsschiff. AIS und Großvater Hensoldt sind sich da einig. Was die wohl hier wollen? Den ganzen Tag steuern wir im Slalom zwischen den »Growlern« und den »Bergy Bits« hindurch, die immer zahlreicher werden. Buckelwale springen herum oder zeigen ihre Fluken. B sieht sie, M kommt meist zu spät. Mein Augenlicht lässt nach. Das Alter? Vielleicht auch die verdammte nasse Brille, die nicht mehr so recht passt. Schließlich taucht »Enterprise Island« vor uns auf, wo es eine sichere Zuflucht zwischen einer kleinen vergletscherten Bucht und dem Wrack des alten Walfängers »SS GOVERNOREN« gibt, der hier von seiner Besatzung lichterloh brennend auf Grund gesetzt wurde. Die australisch, französisch, chinesisch, argentinische HAIYOU ist bereits vor Ort, was uns das recht komplizierte Anlegemanöver sehr erleichtert. Wir kochen Nudeln, trinken ein großes Bier und fallen ins Bett.
Der Morgen weckt uns mit strahlendem Sonnenschein und einem sagenhaften Blick auf die gegenüberliegenden Bergketten der Antarktischen Halbinsel. Ringsum Eis, gleißender Schnee, Gletscher, Felsen, dazu der rotrostige Stahl des alten Dampfschiffes, auf dem ein Schwarm von zankenden und schimpfenden Seeschwalben nistet. Ein Panorama, eine Atmosphäre, die so unglaublich sind, das es schwer zu beschreiben ist. Nach dem Morgentee setze ich (also M) mich auf die Bugspitze der VERA, um ein wenig Gitarre zu üben. Auf dem Bug der HAIYOU neben uns sitzt Javier im Schneidersitz, suckelt an seinem Mate Becher und meditiert. Dann, ganz plötzlich, wie ein UFO aus heiterem Himmel, taucht ein schwarzes ZODIAC Schlauchboot neben uns auf, voller Astronauten in gelben Raumanzügen und blauen Schwimmwesten, die Javier und mich anstarren wie Zootiere. Kameras surren und klicken. Wir werden bestaunt: »Where do you come from? Germany? Wow! How long did it take you to get here? Have you really crossed the Drake?«. »It‘ll go away,« sagt Javier und suckelt indigniert an seinem Mate. Stattdessen werden es mehr, viel mehr. Zwölf randvolle Schlauchboote mit Astronauten, dazu eine Riesenflotte von Kayaks von der »MS OCEAN ADVENTURE« mit Abenteurern aus aller Welt. B plauscht mit einer amerikanischen Bootsführerin. Ein cooler Job für die Sommersaison, und gut bezahlt. Dennoch sind wir froh, als sie nach der ausgiebigen Besichtigung unseres Wracks weiterziehen und wieder Ruhe einkehrt.
Die nächsten Tage genießen wir in vollen Zügen bei strahlend blauem Wetter, das uns sogar eine glitzernd weiße Winterwanderung auf die umliegenden Hügel und einen Blick auf die »Gerlache Straße« und die Antarktische Halbinsel ermöglicht. Zwei weitere Yachten treffen ein, die SPIRIT OF SYDNEY und die PARADISE. Individualistencharter, der andere Gäste anzieht, als die Luxuskreuzfahrtschiffe. Wir werden zu Umtrunks und zum Grillen eingeladen und genießen es, ein wenig mit der sehr internationalen Gruppe zu plauschen und ordentlich Wein zu trinken. Man liegt gut hier, an der alten rostigen »SS GOVERNOREN«. Wenn nur die täglich in Flotten von Schlauchbooten angekarrten Massen von Astronauten nicht wären… So zieht es uns irgendwann weiter, wieder hinaus in die eisige »Gerlache Straße«, Süd machen, solange der Sommer währt. Wir melden uns wieder.
Herzliche Grüße und alles erdenklich Gute wünschen Euch B und M / SY VERA / Enterprise Harbor / Isla Lientur / Antarctica
1 - Ein »Growler«.

2 - Zuflucht in der »Faff Cove«. Ein Film von B+M.
3 - »Bergy Bit« in der »Gerlache Straße«. Im Hintergrund die Antarktische Halbinsel. Ein Film von B+M.
4 - »Enterprise Harbor« mit dem Wrack der SS GOVERNOREN. Die australische HAIYOU ist bereits vor Ort.

5 - Das Panorama zum Frühstück.

6 - Besuch zum Frühstück: Astronauten mit gelben Raumanzügen.

7 - B im »Enterprise Harbor«.

8 - »Enterprise Harbor«: Über den Wolken.

9 - »Enterprise Harbor«: VERA im Päckchen mit HAIYOU, SPIRIT und PARADISE.

10 - Harpunenmunition an Bord des alten Walfängers SS GOVERNOREN.

11 - Unsere Route von »Deception Island« nach »Enterprise Harbor«.

003 - DRAKE PASSAGE: NACH DECEPTION ISLAND
06/01/19 00:00 Chile | Antarctica
Hallo Ihr Lieben!
Nach den vorangegangenen, arbeitsintensiven Wochen der Vorbereitung war die Abreise aus Puerto Williams am Tag nach der gelungenen und gut begrillten kollektiven Weihnachtsfeier nochmal extra stressig. Ausklarieren, diverse Einkäufe der letzten Minute stauen, ein Spinnennetz von Leinen loswerfen, e-mail Adressen austauschen, winken. Dann sind wir endlich los. Zum runterkommen buchteln wir uns in zwei Tagen über »Caleta Lennox« nach »Caleta Martial«, keine zehn Seemeilen vom Hoorn der Hörner entfernt. Kaum ist der Anker drin, heult es auch schon los. Harte Regenböen aus NW, die ganze Nacht. Ein irrer Platz, aber ganz gut geeignet um ein letztes mal auszuschlafen. Kap Hoorn empfängt uns morgens mit NW 7 und einem interessant gestaffeltem Seegang, so wie beim letzten mal im vergangenen März. Allerdings sind unsere Seebeine durch das Jahr Fjorde und Wandern nicht besser geworden. Trotz aller Vorkehrungen füttern wir gemeinsam die Fische, bis einige Stunden später das Kontinentalschelf steil gen Süden abbricht und die See wieder ruhiger atmet. Große Albatrosse zirkeln uns ein. NE 5-6 jetzt, über das Backstag. Alles bestens.
29. Dezember 2018, »Drake Passage«, gute 180 Seemeilen südlich von Kap Hoorn. Flaute auf einer alten Kabbelwelle auf langer Dünung aus NW. Kurs auf die Südshetland Inseln. Das Baro fällt wie ein Stein. 985 Millibar jetzt. Wind ist im Anmarsch, viel Wind. NW diesmal, so orakelt das GFS. Der frisch gewartete Volvo schnurrt. Schleichfahrt. Draussen dichter Nebel, keine hundert Meter Sicht. Es riecht nach Eis, oder? Vermutlich Einbildung. Auf unserem neuen Radar, das sich neuerdings mit dem Apple Laptop angefreundet hat, ist ringsum nichts zu sehen. Kein Schiff, kein Eis.
30. Dezember, 61 Grad Süd. Auf dieser Breite hatte Cook auf seiner ersten Reise genug. Später gelangte er auf einer anderen Länge sogar bis auf 71 Grad Süd, fand aber auch dort nirgends Land, nur Nebel und Eisberge. Wir dagegen segeln mit genauen Karten und metergenauer, vollautomatischer Satellitenpeilung. Wir wissen also, dank der Leistung anderer, das die Antarktis südöstlich von hier eine langgestreckte Halbinsel aufweist, mit etlichen vorgelagerten Inseln, den Südshetlands. Zu diesen gehört auch die Vulkaninsel »Deception«, einst das Herz der internationalen Walfangszene. Womöglich ist sie aber auch manchem deutschen Blauwassersegler ein Begriff. Schließlich strandete dort das berühmte Seglerpaar Heide und Erich Wilts mit ihrer Segelyacht FREYDIS Anfang der Neunziger in einem schweren Sturm, überlebte einen langen, einsamen Winter, und schrieb den Bestseller »Gestrandet in der weissen Hölle«. Ein Traumziel also. Noch 100 Seemeilen. Draussen grau in grau auf tintenblauem Grund bei knackig kaltem NW, eine eigenartig fahl helle Nacht, die jetzt im Hochsommer nur wenige Stunden dauert. Kalt ist‘s, saukalt. Keine Sau weit und breit. Aber die VERA fliegt dahin. Neun Knoten unter gerefftem Groß, Kutter und Genua auf eigenartig glatter See.
Im Morgengrauen erreichen wir wohlbehalten die »Boyd Strait«, die Durchfahrt zwischen »Snow Island« und »Smith Island«. B sieht Eis. Ein mächtiger, strahlend weißblauer Eisberg liegt mitten in der Einfahrt, umgeben von gefährlichen kleinen »Growlern«, Eisstücken von LKW Größe, die beim Aufprall böse Schäden verursachen dürften. Wir müssen aufpassen, und draussen Eiswache gehen. Ein cooler Job, auch weil um uns herum ganze Herden von Pinguinen plantschen. Zum Glück ist der Wind weg, wie abgestellt. Der Volvo läuft. Gegen Mittag steigt die Vulkaninsel »Deception« vor uns aus dem Nebel. Die enge Einfahrt in den Kratersee trägt einen furchterregenden Namen: »Neptunes Bellows«, »Das Brüllen Neptuns« und sieht auch so aus: Nadelscharfe Klippen, senkrechte Felswände. Zum Glück ist der Hausherr heute ausser Haus. Wir kommen also ungeschoren durch. Ein einmaliges Panorama öffnet sich vor dem Bug der VERA: Die überflutete Caldera des alten Vulkans. Rechts die alte Walfangbasis in der »Whalers Bay« mit rostigen Trankochern, runden Tanks, dazu verfallene Holzhäuser. Hier muss es einst hoch hergegangen sein, als sich mit Walfang noch das große Geld verdienen ließ. Heute hat sich da etwas surreal verschoben. Große Kreuzfahrtschiffe liegen in der »Whalers Bay« und spucken aberhunderte von Goretextouristen auf den heißen Strand mit seinen rauchenden Fumarolen. Nix für uns. Am anderen Ende des Kraters liegt die kleine, gut geschützte »Telefon Bay«. Der Anker fällt am frühen Abend und hält. Am schwarzen Strand liegt ein Stapel Seeelefanten faul herum und ignoriert uns. Heute ist Sylvester, gutes Timing also. Wir essen Toast mit Guacamole, stoßen an und fallen ins Bett. Nach UTC ist es ja auch schon Neujahr, das für uns mit dem ganz großen Abenteuer beginnt. Immerhin haben wir mit etwas Glück das beste aus diesem recht kurzen Wetterfenster gemacht. Einmal mehr zeigt sich, das die hohen Etmale, zu der die alte VERA noch immer fähig ist, nicht nur der Sicherheit zuträglich sind, sondern auch der Bequemlichkeit dienen. Ihre Konstrukteure Olin und Rod Stephens wussten worauf es auf See ankommt.
Am frühen Morgen trifft die australische HAIYOU (Chinesisch für »Meeresfreund«, Garcia 45 Exploration, nagelneu, Liftkiel, Eisklasse, beheiztes Panzerglasdeckshaus) mit ihrer französisch, chinesisch, argentinischen Dreiercrew ein, und liegt am Morgen friedlich neben uns. Als sich dort bis zum frühen Nachmittag nichts rührt und auch auf dem UKW keine Antwort kommt, beginnen wir uns Sorgen zu machen. Kohlenstoffmonoxidvergiftung nach durchfeierter Sylvesternacht? Immerhin haben Chris und Lynn erst vor kurzem einen dieser herrlich zuverlässigen Killeröfen eingebaut, so einen, mit sichtbaren Flammen und rußendem Schlot an Deck. Eben machen wir das Dinghy klar, um die vermutlich grauenhafte Szene in Augenschein zu nehmen, als Chris an Deck kommt und winkt. Gleich sitzen wir bei Café und Kuchen beisammen. Nix Kohlenstoffmonoxidvergiftung, nur Erschöpfung nach der harten Segelei. Und natürlich haben sie Kohlenstoffmonoxidmelder der neuesten Bauart, mit Fühlern in allen Kabinen und »App« Steuerung vom Iphone aus. Die Anlage hat sie heute Nachmittag tatsächlich geweckt, aber nicht wegen CO Alarm, sondern weil sie ihren gewohnten WIFI Zugang vermisst, mit dem sie normalerweise alle relevanten Messwerte zur Auswertung ins Netz stellt. Hightech.
Gleich gegenüber der »Telefon Bay« liegt die kleine »Pendulum Cove«, nach einem wissenschaftlichen Experiment zur Vermessung der tatsächlichen Form des Erdballs benannt. Bei Schneesturm aus NE, Null Sicht und eisigen Temperaturen verbringen wir einen Tag und eine Nacht dort mit unserer Eberspächer unter Deck, lesend, schreibend, kochend, essend und schlafend, bevor wir uns mit der Wetterbesserung endlich in die berühmte »Whalers Bay« verholen können, wo derzeit einmal kein Kreuzfahrtschiff liegt. Landgang: Die beim Ausbruch des Vulkans Ende der 60er Jahre zerstörte Britische Forschungsstation und die rostigen Reste eines ganzen Jahrhunderts mörderischen Walfangs in großindustriellem Stil bietet jede Menge Sehenswertes. Dazu heiße Fumarolen auf schwarzem Strand, auf dem sich eine Truppe cleverer Pinguine die Federn und und einige Seeleoparden ihre mit Pinguinen fettgefressenen Bäuche wärmen. Leben um gefressen zu werden. Das gibt zu denken.
Zu denken gibt uns auch der vor uns liegende Törn, der uns weiter gen Süden, nach »Trinity Island« führen soll. Mehr Kälte, mehr Eis, schlechte Ankerplätze, mehr Risiko, das ein wenig auf den Magen schlägt. Das GFS Wettermodell für die nächsten Tage sieht soweit ok aus. Drückt uns also die Daumen.
Herzliche Grüße und ein frohes und glückliches neues Jahr wünschen Euch B und M / SY VERA / Deception Island / South Shetlands / Antarctica
1 - Fotogene Klippen am »Cabo Deceit«, nur wenige Seemeilen gleich gegenüber von Kap Hoorn gelegen.

2 - Ruhige Drake Passage. B klappert mit den Töpfen. Ein Film von B+M.
3 - Sonnenaufgang über der Antarktis.

4 - Karte Drake Passage.

5 - Unser erster Eisberg.

6 - »Deception Island« voraus.

7 - VERA und BOUNCE in der »Telefon Bay« / »Deception Island«.

8 - Die alten Trankocher in der »Whalers Bay« / »Deception Island«.

9 - »Deception Island«: Zügelpinguine wärmen sich ihre fedrigen Hinterteile im heißen Sand.

10 - Und hier der dazugehörige Zügelpinguinfilm. Ein Film von B+M.
Nach den vorangegangenen, arbeitsintensiven Wochen der Vorbereitung war die Abreise aus Puerto Williams am Tag nach der gelungenen und gut begrillten kollektiven Weihnachtsfeier nochmal extra stressig. Ausklarieren, diverse Einkäufe der letzten Minute stauen, ein Spinnennetz von Leinen loswerfen, e-mail Adressen austauschen, winken. Dann sind wir endlich los. Zum runterkommen buchteln wir uns in zwei Tagen über »Caleta Lennox« nach »Caleta Martial«, keine zehn Seemeilen vom Hoorn der Hörner entfernt. Kaum ist der Anker drin, heult es auch schon los. Harte Regenböen aus NW, die ganze Nacht. Ein irrer Platz, aber ganz gut geeignet um ein letztes mal auszuschlafen. Kap Hoorn empfängt uns morgens mit NW 7 und einem interessant gestaffeltem Seegang, so wie beim letzten mal im vergangenen März. Allerdings sind unsere Seebeine durch das Jahr Fjorde und Wandern nicht besser geworden. Trotz aller Vorkehrungen füttern wir gemeinsam die Fische, bis einige Stunden später das Kontinentalschelf steil gen Süden abbricht und die See wieder ruhiger atmet. Große Albatrosse zirkeln uns ein. NE 5-6 jetzt, über das Backstag. Alles bestens.
29. Dezember 2018, »Drake Passage«, gute 180 Seemeilen südlich von Kap Hoorn. Flaute auf einer alten Kabbelwelle auf langer Dünung aus NW. Kurs auf die Südshetland Inseln. Das Baro fällt wie ein Stein. 985 Millibar jetzt. Wind ist im Anmarsch, viel Wind. NW diesmal, so orakelt das GFS. Der frisch gewartete Volvo schnurrt. Schleichfahrt. Draussen dichter Nebel, keine hundert Meter Sicht. Es riecht nach Eis, oder? Vermutlich Einbildung. Auf unserem neuen Radar, das sich neuerdings mit dem Apple Laptop angefreundet hat, ist ringsum nichts zu sehen. Kein Schiff, kein Eis.
30. Dezember, 61 Grad Süd. Auf dieser Breite hatte Cook auf seiner ersten Reise genug. Später gelangte er auf einer anderen Länge sogar bis auf 71 Grad Süd, fand aber auch dort nirgends Land, nur Nebel und Eisberge. Wir dagegen segeln mit genauen Karten und metergenauer, vollautomatischer Satellitenpeilung. Wir wissen also, dank der Leistung anderer, das die Antarktis südöstlich von hier eine langgestreckte Halbinsel aufweist, mit etlichen vorgelagerten Inseln, den Südshetlands. Zu diesen gehört auch die Vulkaninsel »Deception«, einst das Herz der internationalen Walfangszene. Womöglich ist sie aber auch manchem deutschen Blauwassersegler ein Begriff. Schließlich strandete dort das berühmte Seglerpaar Heide und Erich Wilts mit ihrer Segelyacht FREYDIS Anfang der Neunziger in einem schweren Sturm, überlebte einen langen, einsamen Winter, und schrieb den Bestseller »Gestrandet in der weissen Hölle«. Ein Traumziel also. Noch 100 Seemeilen. Draussen grau in grau auf tintenblauem Grund bei knackig kaltem NW, eine eigenartig fahl helle Nacht, die jetzt im Hochsommer nur wenige Stunden dauert. Kalt ist‘s, saukalt. Keine Sau weit und breit. Aber die VERA fliegt dahin. Neun Knoten unter gerefftem Groß, Kutter und Genua auf eigenartig glatter See.
Im Morgengrauen erreichen wir wohlbehalten die »Boyd Strait«, die Durchfahrt zwischen »Snow Island« und »Smith Island«. B sieht Eis. Ein mächtiger, strahlend weißblauer Eisberg liegt mitten in der Einfahrt, umgeben von gefährlichen kleinen »Growlern«, Eisstücken von LKW Größe, die beim Aufprall böse Schäden verursachen dürften. Wir müssen aufpassen, und draussen Eiswache gehen. Ein cooler Job, auch weil um uns herum ganze Herden von Pinguinen plantschen. Zum Glück ist der Wind weg, wie abgestellt. Der Volvo läuft. Gegen Mittag steigt die Vulkaninsel »Deception« vor uns aus dem Nebel. Die enge Einfahrt in den Kratersee trägt einen furchterregenden Namen: »Neptunes Bellows«, »Das Brüllen Neptuns« und sieht auch so aus: Nadelscharfe Klippen, senkrechte Felswände. Zum Glück ist der Hausherr heute ausser Haus. Wir kommen also ungeschoren durch. Ein einmaliges Panorama öffnet sich vor dem Bug der VERA: Die überflutete Caldera des alten Vulkans. Rechts die alte Walfangbasis in der »Whalers Bay« mit rostigen Trankochern, runden Tanks, dazu verfallene Holzhäuser. Hier muss es einst hoch hergegangen sein, als sich mit Walfang noch das große Geld verdienen ließ. Heute hat sich da etwas surreal verschoben. Große Kreuzfahrtschiffe liegen in der »Whalers Bay« und spucken aberhunderte von Goretextouristen auf den heißen Strand mit seinen rauchenden Fumarolen. Nix für uns. Am anderen Ende des Kraters liegt die kleine, gut geschützte »Telefon Bay«. Der Anker fällt am frühen Abend und hält. Am schwarzen Strand liegt ein Stapel Seeelefanten faul herum und ignoriert uns. Heute ist Sylvester, gutes Timing also. Wir essen Toast mit Guacamole, stoßen an und fallen ins Bett. Nach UTC ist es ja auch schon Neujahr, das für uns mit dem ganz großen Abenteuer beginnt. Immerhin haben wir mit etwas Glück das beste aus diesem recht kurzen Wetterfenster gemacht. Einmal mehr zeigt sich, das die hohen Etmale, zu der die alte VERA noch immer fähig ist, nicht nur der Sicherheit zuträglich sind, sondern auch der Bequemlichkeit dienen. Ihre Konstrukteure Olin und Rod Stephens wussten worauf es auf See ankommt.
Am frühen Morgen trifft die australische HAIYOU (Chinesisch für »Meeresfreund«, Garcia 45 Exploration, nagelneu, Liftkiel, Eisklasse, beheiztes Panzerglasdeckshaus) mit ihrer französisch, chinesisch, argentinischen Dreiercrew ein, und liegt am Morgen friedlich neben uns. Als sich dort bis zum frühen Nachmittag nichts rührt und auch auf dem UKW keine Antwort kommt, beginnen wir uns Sorgen zu machen. Kohlenstoffmonoxidvergiftung nach durchfeierter Sylvesternacht? Immerhin haben Chris und Lynn erst vor kurzem einen dieser herrlich zuverlässigen Killeröfen eingebaut, so einen, mit sichtbaren Flammen und rußendem Schlot an Deck. Eben machen wir das Dinghy klar, um die vermutlich grauenhafte Szene in Augenschein zu nehmen, als Chris an Deck kommt und winkt. Gleich sitzen wir bei Café und Kuchen beisammen. Nix Kohlenstoffmonoxidvergiftung, nur Erschöpfung nach der harten Segelei. Und natürlich haben sie Kohlenstoffmonoxidmelder der neuesten Bauart, mit Fühlern in allen Kabinen und »App« Steuerung vom Iphone aus. Die Anlage hat sie heute Nachmittag tatsächlich geweckt, aber nicht wegen CO Alarm, sondern weil sie ihren gewohnten WIFI Zugang vermisst, mit dem sie normalerweise alle relevanten Messwerte zur Auswertung ins Netz stellt. Hightech.
Gleich gegenüber der »Telefon Bay« liegt die kleine »Pendulum Cove«, nach einem wissenschaftlichen Experiment zur Vermessung der tatsächlichen Form des Erdballs benannt. Bei Schneesturm aus NE, Null Sicht und eisigen Temperaturen verbringen wir einen Tag und eine Nacht dort mit unserer Eberspächer unter Deck, lesend, schreibend, kochend, essend und schlafend, bevor wir uns mit der Wetterbesserung endlich in die berühmte »Whalers Bay« verholen können, wo derzeit einmal kein Kreuzfahrtschiff liegt. Landgang: Die beim Ausbruch des Vulkans Ende der 60er Jahre zerstörte Britische Forschungsstation und die rostigen Reste eines ganzen Jahrhunderts mörderischen Walfangs in großindustriellem Stil bietet jede Menge Sehenswertes. Dazu heiße Fumarolen auf schwarzem Strand, auf dem sich eine Truppe cleverer Pinguine die Federn und und einige Seeleoparden ihre mit Pinguinen fettgefressenen Bäuche wärmen. Leben um gefressen zu werden. Das gibt zu denken.
Zu denken gibt uns auch der vor uns liegende Törn, der uns weiter gen Süden, nach »Trinity Island« führen soll. Mehr Kälte, mehr Eis, schlechte Ankerplätze, mehr Risiko, das ein wenig auf den Magen schlägt. Das GFS Wettermodell für die nächsten Tage sieht soweit ok aus. Drückt uns also die Daumen.
Herzliche Grüße und ein frohes und glückliches neues Jahr wünschen Euch B und M / SY VERA / Deception Island / South Shetlands / Antarctica
1 - Fotogene Klippen am »Cabo Deceit«, nur wenige Seemeilen gleich gegenüber von Kap Hoorn gelegen.

2 - Ruhige Drake Passage. B klappert mit den Töpfen. Ein Film von B+M.
3 - Sonnenaufgang über der Antarktis.

4 - Karte Drake Passage.

5 - Unser erster Eisberg.

6 - »Deception Island« voraus.

7 - VERA und BOUNCE in der »Telefon Bay« / »Deception Island«.

8 - Die alten Trankocher in der »Whalers Bay« / »Deception Island«.

9 - »Deception Island«: Zügelpinguine wärmen sich ihre fedrigen Hinterteile im heißen Sand.

10 - Und hier der dazugehörige Zügelpinguinfilm. Ein Film von B+M.