January 2020
003 - ISLA ROBINSON CRUSOE
28/01/20 00:00 Chile
Hallo Ihr Lieben!
26. Januar 2020: Bei Tagesanbruch laufen wir müde und erschöpft in die »Cumberland Bay«, dem besten Ankerplatz der Insel »Más a Tierra« (»Mehr zum Land hin«), die zum Juan Fernandez Archipel, also noch zu Chile gehört. Juan Fernandez? Genau. Genau hier versenkte die deutsche Besatzung ihren Kreutzer SMS DRESDEN mit einer Ladung Sprengstoff, nachdem man am 14. März 1915 unter schwerem britischen Beschuss die Flagge der kaiserlichen Kriegsmarine gestrichen hatte. Auch unser alter Freund Lord Anson muss diesen Platz gut gekannt haben. Den ganzen Winter 1741 wartete er hier auf einige versprengte Schiffe seiners Geschwaders, unter anderem die unglückliche HMS WAGER. Aber auch die glücklichere HMS ANNA PINK liegt hier auf dem Grund der Bucht. Anson war seinerzeit offenbar mit den Überholungsarbeiten ihrer Besatzung unzufrieden. Jedenfalls beschloss er die Besatzung der ANNA und alles brauchbare an Bord seines Flaggschiffes HMS CENTURION zu schaffen. Ihr erinnert Euch (siehe VERA Newsletter 045, oder George Anson: »A voyage round the world in the years MDCCXL, I, II, III, IV«).
Heute wartet hier in der »Cumberland Bay« die niederländische STORMALONG (www.sy-stormalong.nl) und ihre junge Crew auf uns, mit frisch gebrühtem Café. Das lässt sich gut an. Gemeinsam beschließen wir, mit BOUNCE, dem Beiboot der VERA, in die »Stadt« zu fahren, nach »San Juan Bautista«, der Hauptstadt des Archipels mit seinen knapp 800 Einwohnern. Wir wollen bei der hiesigen Armada Station einklarieren (ein wenig Zen), etwas zu Mittag essen und evtl. eine kleine Wanderung auf »Más a Tierra« unternehmen. In Wirklichkeit bezeichnet man diese Inseln heutzutage nicht mehr nach ihrer Lage relativ zur Küste Südamerikas, sondern nur noch nach ihrem prominentesten ehemaligen Einwohner. »Más Afuera« (also »Weiter draussen«) heißt aus Marketing Gründen jetzt also »Isla Alejandro Selkirk« und »Más a Tierra« führt den wohl noch wohlklingenderen Namen »Isla Robinson Crusoe«. Tatsächlich ist es genau diese Insel, auf welcher der schottische Seemann Alexander Sekirk zwischen 1704 und 1709 vier Jahre und vier Monate ganz alleine zugebracht hat, nachdem er sich mit Thomas Stradling, dem jungen und unerfahrenen Kapitän des Englischen Freibeuters CINQUE PORTS über die in den Planken ihres Schiffes wütenden Bohrwürmer überworfen hatte. Die gut dokumentierten Abenteuer Sekirk‘s sollen den weltberühmten Schriftstelle Daniel Defoe dazu inspiriert haben, den allerersten (Abenteuer)roman in Englischer Sprache zu verfassen, der zum weltweiten Bestseller biblischen Ausmaßes geriet. Zumindest in Sachen Übersetzungen in verschiedene Sprachen wird Defoe’s Meisterwerk bis heute nurmehr von der »Heiligen Schrift« übertroffen.
Nach dem nicht unerfreulichen Lunch in einem urigen Lokal am Hang mit gutem Ausblick über die Bucht machen wir uns mit vollen Mägen auf den Weg zum »Mirador Alejandro Selkirk«, einem in 600 Meter Höhe gelegenen Aussichtspunkt, den der hagere Schotte jeden Tag erklettert haben soll, um in alle Himmelsrichtungen nach dem Rechten zu schauen. Dafür hatte er jedenfalls gute Gründe. Als englischem Freibeuter drohte ihm der Strang, falls er irgendwie in die Hände der Spanier geraten sollte. Immerhin boten sich die entlegenen Inseln für alle passierenden Schiffe an, Wasser und sogar Fleischvorräte zu bunkern, nachdem irgendeine erfinderische Crew einmal auf die seinerzeit genial erscheinende Idee gekommen war, eine kleine Herde Ziegen auf »Más a Tierra« auszusetzen. Da Selkirk eine alte Flinte und ein wenig Munition besaß, konnte er sich eine Zeit lang über Wasser halten, bis er es in Sachen Ziegenjagd per Pfeil und Bogen, Speer, Schlinge oder Falle zur Meisterschaft gebracht hatte. Der Pfad zieht sich, steinig und steil. Nach knapp zwei Stunden gelangen wir an ein interessantes Hinweisschild: Achtzig Meter von hier hatte sich Selkirk an einer strategisch wirklich einmalig guten Stelle ein richtiges Haus gebaut, nah bei einem munteren Bach, gut aus behauenem Stein gemauert und mit einem phantastischen Blick über die gesamte »Cumberland Bay«. Die noch heute gut erkennbare Ruine rührt an, gerade wenn man an Selkirk’s verzweifelte Lage denkt. Immerhin sind wir zu viert, dürfen (nach ein wenig mehr Zen) jederzeit wieder weg, und haben noch dazu zwei gut gebaute einheimische Hunde dabei, die sehr freundlich und anhänglich sind. Selkirk hätte sicherlich einiges für so einen pelzigen Kameraden gegeben. Anders als »Robinson Crusoe« fand er nämlich keinen Diener »Freitag« am Strand. Der Juan Fernandez Archipel war wohl nie von indigenen Menschenfressern bewohnt.
Oben am Grat sind wir alle ziemlich geschafft und ordentlich durchgeschwitzt. Es ist kalt, der Wind pfeift und leider sind Wolken aufgezogen, die uns den Blick nach Süden über das Meer verwehren. Selkirk muss stundenlang hier oben gestanden haben, voll Bangen und Hoffen. Ein Schiff? Aber was für eins? Am 1. Februar 1709 war es soweit: Die englische Fregatte DUKE unter dem Kommando des charismatischen und erfolgreichen Freibeuters Woodes Rogers näherte sich von Süden her und ankerte bald darauf in der »Cumberland Bay«. Es gelang Selkirk, die Besatzung mit einem stark rauchenden Feuer am Strand auf sich aufmerksam zu machen. Bald darauf diente er auf der DUKE als erster Maat. Später übergab ihm Rogers sogar das Kommando über eine der spanischen Schatzgaleonen, die man vor der Küste Mexicos gekapert hatte. Ende gut, alles gut für den langen Schotten, vor allem wenn man bedenkt, das Selkirk’s ehemaliges Schiff, die CINQUE PORTS, bald nach der Trennung von den Spaniern aufgebracht worden war und die gesamte Besatzung in spanischen Kerkern oder Bergwerken zu Grunde ging.
Am nächsten Morgen statten wir der »Armada« einen weiteren Besuch ab, um unsere Ausklarierungspapiere abzuholen (noch etwas Zen). Unser Versuch, in der öffentlichen Bibliothek einen Zugang zum Internet zu legen scheitert an der nicht vorhandenen Bandbreite. Newsletter 047 ff. müssen wir also ein anderes mal auf den Weg bringen. Ah, das Internet… Segen und Fluch. Zum wandern reizt das Wetter heute nicht. Regenböen, Kälte, Nebel, schlechte Sicht. Auf dem Rückweg zu BOUNCE, der abenteuerlich an der rostigen Pier der Hauptstadt auf uns wartet, laufen wir dem beflissenen SAG Beamten vom Ministerium für Landwirtschaft und Gesundheit in die Arme. B + ich besitzen zum Glück alle erforderlichen SAG Papiere aus Puerto Williams. Linette und Nils dagegen nicht. In einer weiteren ausgiebigen Runde Zen füllt Linette nun mit B’s Hilfe einen ungeheuren Stapel Papiere aus, der sämtliche Nahrungsmittel an Bord der STORMALONG dokumentieren soll... Nils und M versuchen derweil »Cerveza local« zu kaufen, was nicht gelingt. Ausverkauft. Es reicht. Man kann sich vorstellen, wie sehr Alexander Selkirk diese Insel gehasst haben muss. Zumindest bei diesem Schietwetter.
28. Januar 2020: Die Inseln des Juan Fernandez Archipel verschwinden achteraus im Dunst. Südost um die 15 Knoten, nach Beaufort also Stärke vier, Kaiserwetter auf einmal. Die fliegenden Holländer Nils und Linette auf ihrer STORMALONG sind mit uns ausgelaufen. Noch sind sie in Sicht: Ein feiner weißer Strich, schräg geneigt am Horizont. Doch bald werden wir die Freunde aus den Augen verlieren. Der UKW Funk trägt nur ein paar Meilen. Vor unseren Booten liegt die Einsamkeit und die Weiten des Pazifischen Ozeans. Wir sind auf dem Weg nach »Rapa Nui«, der weltberühmten Osterinsel mit ihren monolithischen steinernen »Moai« Statuen. Sie liegt etwa 1.600 Seemeilen weiter im Nordwesten, also knappe 3.000 Kilometer von hier. Wünscht uns Glück.
Herzliche Grüße und alles erdenklich Gute wünschen Euch B und M / SY VERA / auf See / POS 34.14,6 S - 078.02,6 W
1 - Juan Fernandez / »Más a Tierra« / Cumberland Bay: Ein erster Eindruck. Ein Film von B+M.
2 - Karte von Juan Fernandez, gezeichnet nach Skizzen von Lord Anson.

3 - Denkmal für Alexander Selkirk in »San Juan Bautista«.

4 - B mit der STORMALONG Crew an Alexander Selkirk’s Hütte.

5 - Phantastischer Blick von Selkirk’s Hütte hinunter auf die Cumberland Bay.

6 - Selkirk hätte sicherlich einiges für solch pelzige Kameraden gegeben.

7 - Blick von Selkirk’s »Lookout« auf die Südseite »seiner« Insel. Ein Film, von B+M.
8 - VERA und STORMALONG vor Anker in der Cumberland Bay / Isla Robinson Crusoe.
26. Januar 2020: Bei Tagesanbruch laufen wir müde und erschöpft in die »Cumberland Bay«, dem besten Ankerplatz der Insel »Más a Tierra« (»Mehr zum Land hin«), die zum Juan Fernandez Archipel, also noch zu Chile gehört. Juan Fernandez? Genau. Genau hier versenkte die deutsche Besatzung ihren Kreutzer SMS DRESDEN mit einer Ladung Sprengstoff, nachdem man am 14. März 1915 unter schwerem britischen Beschuss die Flagge der kaiserlichen Kriegsmarine gestrichen hatte. Auch unser alter Freund Lord Anson muss diesen Platz gut gekannt haben. Den ganzen Winter 1741 wartete er hier auf einige versprengte Schiffe seiners Geschwaders, unter anderem die unglückliche HMS WAGER. Aber auch die glücklichere HMS ANNA PINK liegt hier auf dem Grund der Bucht. Anson war seinerzeit offenbar mit den Überholungsarbeiten ihrer Besatzung unzufrieden. Jedenfalls beschloss er die Besatzung der ANNA und alles brauchbare an Bord seines Flaggschiffes HMS CENTURION zu schaffen. Ihr erinnert Euch (siehe VERA Newsletter 045, oder George Anson: »A voyage round the world in the years MDCCXL, I, II, III, IV«).
Heute wartet hier in der »Cumberland Bay« die niederländische STORMALONG (www.sy-stormalong.nl) und ihre junge Crew auf uns, mit frisch gebrühtem Café. Das lässt sich gut an. Gemeinsam beschließen wir, mit BOUNCE, dem Beiboot der VERA, in die »Stadt« zu fahren, nach »San Juan Bautista«, der Hauptstadt des Archipels mit seinen knapp 800 Einwohnern. Wir wollen bei der hiesigen Armada Station einklarieren (ein wenig Zen), etwas zu Mittag essen und evtl. eine kleine Wanderung auf »Más a Tierra« unternehmen. In Wirklichkeit bezeichnet man diese Inseln heutzutage nicht mehr nach ihrer Lage relativ zur Küste Südamerikas, sondern nur noch nach ihrem prominentesten ehemaligen Einwohner. »Más Afuera« (also »Weiter draussen«) heißt aus Marketing Gründen jetzt also »Isla Alejandro Selkirk« und »Más a Tierra« führt den wohl noch wohlklingenderen Namen »Isla Robinson Crusoe«. Tatsächlich ist es genau diese Insel, auf welcher der schottische Seemann Alexander Sekirk zwischen 1704 und 1709 vier Jahre und vier Monate ganz alleine zugebracht hat, nachdem er sich mit Thomas Stradling, dem jungen und unerfahrenen Kapitän des Englischen Freibeuters CINQUE PORTS über die in den Planken ihres Schiffes wütenden Bohrwürmer überworfen hatte. Die gut dokumentierten Abenteuer Sekirk‘s sollen den weltberühmten Schriftstelle Daniel Defoe dazu inspiriert haben, den allerersten (Abenteuer)roman in Englischer Sprache zu verfassen, der zum weltweiten Bestseller biblischen Ausmaßes geriet. Zumindest in Sachen Übersetzungen in verschiedene Sprachen wird Defoe’s Meisterwerk bis heute nurmehr von der »Heiligen Schrift« übertroffen.
Nach dem nicht unerfreulichen Lunch in einem urigen Lokal am Hang mit gutem Ausblick über die Bucht machen wir uns mit vollen Mägen auf den Weg zum »Mirador Alejandro Selkirk«, einem in 600 Meter Höhe gelegenen Aussichtspunkt, den der hagere Schotte jeden Tag erklettert haben soll, um in alle Himmelsrichtungen nach dem Rechten zu schauen. Dafür hatte er jedenfalls gute Gründe. Als englischem Freibeuter drohte ihm der Strang, falls er irgendwie in die Hände der Spanier geraten sollte. Immerhin boten sich die entlegenen Inseln für alle passierenden Schiffe an, Wasser und sogar Fleischvorräte zu bunkern, nachdem irgendeine erfinderische Crew einmal auf die seinerzeit genial erscheinende Idee gekommen war, eine kleine Herde Ziegen auf »Más a Tierra« auszusetzen. Da Selkirk eine alte Flinte und ein wenig Munition besaß, konnte er sich eine Zeit lang über Wasser halten, bis er es in Sachen Ziegenjagd per Pfeil und Bogen, Speer, Schlinge oder Falle zur Meisterschaft gebracht hatte. Der Pfad zieht sich, steinig und steil. Nach knapp zwei Stunden gelangen wir an ein interessantes Hinweisschild: Achtzig Meter von hier hatte sich Selkirk an einer strategisch wirklich einmalig guten Stelle ein richtiges Haus gebaut, nah bei einem munteren Bach, gut aus behauenem Stein gemauert und mit einem phantastischen Blick über die gesamte »Cumberland Bay«. Die noch heute gut erkennbare Ruine rührt an, gerade wenn man an Selkirk’s verzweifelte Lage denkt. Immerhin sind wir zu viert, dürfen (nach ein wenig mehr Zen) jederzeit wieder weg, und haben noch dazu zwei gut gebaute einheimische Hunde dabei, die sehr freundlich und anhänglich sind. Selkirk hätte sicherlich einiges für so einen pelzigen Kameraden gegeben. Anders als »Robinson Crusoe« fand er nämlich keinen Diener »Freitag« am Strand. Der Juan Fernandez Archipel war wohl nie von indigenen Menschenfressern bewohnt.
Oben am Grat sind wir alle ziemlich geschafft und ordentlich durchgeschwitzt. Es ist kalt, der Wind pfeift und leider sind Wolken aufgezogen, die uns den Blick nach Süden über das Meer verwehren. Selkirk muss stundenlang hier oben gestanden haben, voll Bangen und Hoffen. Ein Schiff? Aber was für eins? Am 1. Februar 1709 war es soweit: Die englische Fregatte DUKE unter dem Kommando des charismatischen und erfolgreichen Freibeuters Woodes Rogers näherte sich von Süden her und ankerte bald darauf in der »Cumberland Bay«. Es gelang Selkirk, die Besatzung mit einem stark rauchenden Feuer am Strand auf sich aufmerksam zu machen. Bald darauf diente er auf der DUKE als erster Maat. Später übergab ihm Rogers sogar das Kommando über eine der spanischen Schatzgaleonen, die man vor der Küste Mexicos gekapert hatte. Ende gut, alles gut für den langen Schotten, vor allem wenn man bedenkt, das Selkirk’s ehemaliges Schiff, die CINQUE PORTS, bald nach der Trennung von den Spaniern aufgebracht worden war und die gesamte Besatzung in spanischen Kerkern oder Bergwerken zu Grunde ging.
Am nächsten Morgen statten wir der »Armada« einen weiteren Besuch ab, um unsere Ausklarierungspapiere abzuholen (noch etwas Zen). Unser Versuch, in der öffentlichen Bibliothek einen Zugang zum Internet zu legen scheitert an der nicht vorhandenen Bandbreite. Newsletter 047 ff. müssen wir also ein anderes mal auf den Weg bringen. Ah, das Internet… Segen und Fluch. Zum wandern reizt das Wetter heute nicht. Regenböen, Kälte, Nebel, schlechte Sicht. Auf dem Rückweg zu BOUNCE, der abenteuerlich an der rostigen Pier der Hauptstadt auf uns wartet, laufen wir dem beflissenen SAG Beamten vom Ministerium für Landwirtschaft und Gesundheit in die Arme. B + ich besitzen zum Glück alle erforderlichen SAG Papiere aus Puerto Williams. Linette und Nils dagegen nicht. In einer weiteren ausgiebigen Runde Zen füllt Linette nun mit B’s Hilfe einen ungeheuren Stapel Papiere aus, der sämtliche Nahrungsmittel an Bord der STORMALONG dokumentieren soll... Nils und M versuchen derweil »Cerveza local« zu kaufen, was nicht gelingt. Ausverkauft. Es reicht. Man kann sich vorstellen, wie sehr Alexander Selkirk diese Insel gehasst haben muss. Zumindest bei diesem Schietwetter.
28. Januar 2020: Die Inseln des Juan Fernandez Archipel verschwinden achteraus im Dunst. Südost um die 15 Knoten, nach Beaufort also Stärke vier, Kaiserwetter auf einmal. Die fliegenden Holländer Nils und Linette auf ihrer STORMALONG sind mit uns ausgelaufen. Noch sind sie in Sicht: Ein feiner weißer Strich, schräg geneigt am Horizont. Doch bald werden wir die Freunde aus den Augen verlieren. Der UKW Funk trägt nur ein paar Meilen. Vor unseren Booten liegt die Einsamkeit und die Weiten des Pazifischen Ozeans. Wir sind auf dem Weg nach »Rapa Nui«, der weltberühmten Osterinsel mit ihren monolithischen steinernen »Moai« Statuen. Sie liegt etwa 1.600 Seemeilen weiter im Nordwesten, also knappe 3.000 Kilometer von hier. Wünscht uns Glück.
Herzliche Grüße und alles erdenklich Gute wünschen Euch B und M / SY VERA / auf See / POS 34.14,6 S - 078.02,6 W
1 - Juan Fernandez / »Más a Tierra« / Cumberland Bay: Ein erster Eindruck. Ein Film von B+M.
2 - Karte von Juan Fernandez, gezeichnet nach Skizzen von Lord Anson.

3 - Denkmal für Alexander Selkirk in »San Juan Bautista«.

4 - B mit der STORMALONG Crew an Alexander Selkirk’s Hütte.

5 - Phantastischer Blick von Selkirk’s Hütte hinunter auf die Cumberland Bay.

6 - Selkirk hätte sicherlich einiges für solch pelzige Kameraden gegeben.

7 - Blick von Selkirk’s »Lookout« auf die Südseite »seiner« Insel. Ein Film, von B+M.
8 - VERA und STORMALONG vor Anker in der Cumberland Bay / Isla Robinson Crusoe.

002 - WIEDER UNTER SEGELN
25/01/20 00:00 Chile
048-25012020 - Endlich wieder unter Segeln.
Hallo Ihr Lieben!
Es ist Ende Januar. Wir sind wieder los! Blaue Tage auf hoher See. Die letzte Wildnis dieser Erde. Wogende Kämme bis zum Horizont, aus Südwesten, lang und breit, ein weicher, warmer Wind über das Backstag, gut gelaunt geblähte Segel auf tiefblauem Grund. Runterkommen, entstressen, entspannen. Könnte klappen: In der Nacht wölbt sich ein ganz und gar unwirklicher, glasklarer und mondloser Sternenhimmel über der VERA. Millionen kleine Lichter und das Kreuz des Südens am achteren Ende der hingekleckerten Milchstraße. Ein Anblick für ein Poesiealbum. Zwei große Wale blasen aus, an Backbord voraus. Der Pazifik empfängt uns mit offenen Armen.
»Leinen los«, nach zwei anstrengenden Monaten in Valdivia: Die lieb gewonnene ITHACA Crew winkt traurig zum Abschied. Werden wir uns wiedersehen? Ein Krankheitsfall in der Familie zwingen Pierre und seine Familie zurück nach Südafrika, zumindest für das nächste halbe Jahr… Segler’s Schicksal. Zum Glück segelt die STORMALONG (NED) mit Linette und Nils (www.sy-stormalong.nl) nur eine Tagesreise voraus. Wir planen ein Wiedersehen auf Juan Fernandez. Die PAZZO (US) hat inzwischen bereits die Gambier Inseln erreicht. LUCIPARA 2 (NED, www.sailorsforsustainability.nl) ankert vor der Osterinsel und EASTERN STREAM (NED) auf Pitcairn, dem Unterschlupf der HMS BOUNTY (GB) Crew. Nun ist auch die VERA endlich seeklar. Den dringend benötigten neuen Bugbeschlag haben wir dank »Edelstahl Claudio’s« unermüdlichem Einsatz letztlich doch noch zusammenbekommen, nach vier Wochen harter Maloche, Fakiryoga im engen Ankerkasten, piksenden Glasfasern und ätzendem Polyestergeruch. Der letzte Auftrag von ALWOPLAST vor der endgültigen Geschäftsaufgabe. Eine Ehre für uns und die VERA, denn die renommierte Werft blickt auf eine über 30 jährige erfolgreiche Geschichte zurück. Doch nun schließt Alex Wopper die Tore. Nichts geht mehr, nicht unter den herrschenden wirtschaftsfeindlichen Bedingungen. Schade um den feinen Betrieb. In den blitzsauberen Hallen stehen neben den teuren Werkzeugmaschinen der große Travelift, die Formen für die Atlantic 49 Katamarane und ein fast fertiger Open 40 aus Carbon. Wird es irgendwann einen Neuanfang geben? Zunächst einmal herrscht nun gespenstische Ruhe auf dem Gelände. Nur die Werksklingel ruft nach wie vor zur Mittagspause. Abends angeln sich ehemalige Mitarbeiter ihr Abendessen am Steg, gleich neben unserer VERA. Vieles ist im Umbruch in Chile. Kommt es zu Wahlen und einer neuen Verfassung? Im April soll landesweit darüber abgestimmt werden. Zumindest bis dahin wird es noch beträchtlich rumoren im ganzen Land. Für’s erste scheint sich die Lage etwas beruhigt zu haben, zumindest in Valdivia und der näheren Umgebung. Viele Geschäfte haben wieder geöffnet und jeden Tag werden es mehr. Auch im halbzerstörten Casino Hotel empfängt man wieder Kundschaft und ersetzt die ersten eingeworfenen Scheiben. Überall sieht man wachsames Sicherheitspersonal. Derzeit der krisensichere Job, gleich nach dem Rolladen- und Stahlgitterbau. Unser Eindruck: Der Normalbürger will eigentlich nur in Ruhe seinem Job nachgehen, sein Ding machen, unter Rahmenbedingungen, die Luft zum Atmen lassen. Chile ist ein herrliches Land, noch jung und hier und da auch voller Hoffnung. Wir wünschen gutes Gelingen. Aber in Südamerika bleiben wollen wir auf Dauer dann doch nicht.
Wegen der anstehenden Arbeiten an Bord und der Neuverproviantierung waren wir viel in der Stadt Valdivia unterwegs. Unzählige Kilometer per Bus, UBER und auf Schusters Rappen. Werkstätten, Werkzeugläden, Baumärkte, Supermärkte, kleine und große Läden jeglicher Provenienz. Auf diese Weise sieht man das Land wie es ist. Sikaflex gibt es bei »Valdicolor«, Keilriemen bei der »Casa de Las Gomas Gomac«, neue Klingen für den Schlagschrauber bei »Ropulli«, Makita Akkus in der »Ferretería del Sur«, Gasschlauch beim Hydraulikbedarf, Wasabi und Sojasoße bei »Muli«, eine Gepäckwaage zum Gasflaschen füllen beim »El Chino«… Auf dem Wochenmarkt versammeln sich Gemüsehändler aus der gesamten Region und preisen lautstark ihre Waren an. Im »Jumbo«, dem »deutschen« Riesensupermarkt in dem man von Dirndln und Lederhosen bedient wird, erhält man alles Essenswerte, jeden Luxus, der dafür aber auch ein wenig teurer ist. B sucht aus, M schleppt, tagelang und immer mehr. Zur Belohnung gibt es Kaffee und Kuchen im »Das Haus«, einer altdeutschen Traditionskneipe im Herzen der Stadt. Weiter geht es: Ein begabter Mechaniker wickelt die elektromagnetische Kupplung unseres Autopiloten neu. Ein alter Schuster flickt mir (M) das Täschchen meines »Leatherman«, meisterhaft, für eine Handvoll Pesos. Patricio Kunstmann ( https://www.cerveza-kunstmann.cl/en/ ) zeigt uns die Autosammlung seines Vaters, darunter zwei neuwertige Vorkriegsmercedes, die der alte Herr ausgerechnet im »Meilenwerk« bei Herrn Stehling in Berlin Wedding erstanden hat. Nur die Reparatur des Aussenborders (Lagerschaden an der Kurbelwelle) muss warten: Keine YAMAHA Ersatzteile lieferbar, auf unbestimmte Zeit. Unser Spanisch wird derweil besser, zumindest ein wenig. Überall werden wir gastfreundlich aufgenommen. Viele Chilenen in dieser Gegend sprechen auch Deutsch. Immerhin waren Valdivia und das nahe gelegene Port Montt bis in die sechziger Jahre hinein mehrheitlich deutschsprachig. Dann raffte das stärkste jemals auf der Welt gemessene Erdbeben alles dahin, die feinen deutschen Villen, das Stahlwerk, die Brauerei. Von diesem Schlag hat sich die deutsche Minderheit nicht mehr erholt. Vielleicht hielt man es nach dem Beben auch einfach für sinnlos, weiter wie verrückt zu werkeln, zu schaffen und Häusle zu bauen. Die eher spanische, eher fatalistische »Mañana« Mentalität funktioniert doch eigentlich auch ganz gut. Was bleibt ist sind noch einige schöne alte Architekturen aus Holz, die deutsche Schule, der man einen sehr guten Ruf nachsagt und die Universität, mit ihrem heimeligen grünen Campus und den vielen hübschen Kneipen und Cafés.
Die Wochen an Bord auf der Baustelle ziehen sich. Chaos unter Deck, was gelegentlich entmutigend wirkt. Werkzeuge und Ersatzteile liegen herum, dazu der noch zu stauende Proviant. Arbeitslager, auch für die Waschmaschine, die tagelang durchläuft. Die Toilette streikt und muss ersetzt werden. Zum Glück ist Ersatz an Bord. Damals 2007 in Whangarei haben wir zum Glück gleich zwei Toiletten gekauft. Eine davon steckte jahrelang tatenlos unter unserer Koje. Nun darf sie endlich ans Werk. Tagelang polieren wir Edelstahl, lackieren Gasflaschen und montieren eine neue UKW Antenne im Masttop. Die alte war uns ja, wie ihr Euch sicher erinnert, im Golfo de Peña bei Schietwetter weggeflogen. Linette und Nils von der STORMALONG überreden uns zu guter letzt noch zu einem Lustkauf: Ein SUP. SUP? Richtig, ein sogenanntes »Standup Paddle Board«. Man kann es zum Spaß, zum Training, oder auch als behelfsmäßiges Beiboot verwenden. Damit wir nicht untergehen bekommen Pierre und Ping von der ITHACA dafür unser altes, aufblasbares Kayak, das wir viel zu selten verwendet haben.
Zur wochenlangen Maloche gehören aber auch die Belohnungen: Ausflüge in die Umgebung, Lunch in der Stadt, lange Abende unter Freunden, bei gutem Essen und gutem Wein. Nur allzu leicht haben wir uns an den regelmäßigen ITHACA Grill gewöhnt. Pierre ist der Meister des Feuers. Mit Eleganz und Präzision platziert er Kohlen und Holz dergestalt, das Berge von Grillbarem genau auf dem rosigen Punkt enden. Doch das ist noch nicht alles: Ping ist Chinesin und lädt uns zum traditionellen »Hotpot« ein, eine Art Fondue für Chinesen. Da man mit Essstäbchen im gemeinsamen brandscharfem Sud nach Tofu, Gemüse, Fisch und Fleisch fischt, lädt man hierfür nur engste Freunde und Familie ein. Für uns ein ganz besonderes Erlebnis: Authentisch essen auf Chinesisch. In Chile.
Doch nun wird es erneut Nacht, unheimlich und dunkel diesmal. Weiße gespenstische Schaumtatzen, knapp 30kn Wind aus SW. Die VERA läuft, ungestüm und mit Schaum vor dem Bug. Noch 50 Seemeilen bis Juan Fernandez. Wir müssen bremsen um nicht mitten in der Nacht in eine unbekannte Bucht zu laufen. Also reffen wir das Groß und bergen die Genua. Im Morgengrauen wollen wir dort sein. So viel faszinierendes liegt vor unserem Bug! Wie gut es tut, wieder im Sattel zu sitzen, mit den Zügeln in der Hand. Freiheit ist das Einzige, was zählt.
Herzliche Grüße und alles erdenklich Gute wünschen Euch Britta und Michael / SY VERA / auf See / POS 34.14,6 S - 078.02,6 W
1 - Was lange währt, wird endlich gut: »Edelstahl Claudio‘s« neuer Bugbeschlag auf der VERA, mit einem kräftigem »Padeye« für die große »Code 0« Genua gleich dahinter.

2 - Wochenlang herrschte ein zeitweise demoralisierendes Chaos unter Deck.

3 - Tausenderlei stand an: Frisch lackierte Gasflaschen warten auf eine neue Füllung.

4 - Immer wieder gut: Totalschaden an der Bordtoilette.

5 - Zum Glück ist Ersatz an Bord: Ob die nagelneue TMC wohl wieder über zehn Jahre durchhält?

6 - Der ITHACA Grill mit den Freunden.

7 - …und die Kormorane gleich hinter unserer »Terrasse« am Heck der VERA bei ALWOPLAST. Ein Film von B+M.
8 - Valdivia: Muntere Seelöwen am Bug des 90m langen im Jahre 1976 in Schottland in Dienst gestellte O‘BRIEN. Das alte U-Boot der OBERON Klasse dient heutzutage als Museumsschiff der Chilenischen Armada. Ein Film von B+M.
9 - Ausflug ins nahe gelegene Niebla und nach Los Molinos: Ein Schwarm Pelikane trifft sich hier Mittags zum Fischen. Ein Film von B+M.
10 - Los Molinos: B am Strand mit einem neuen Steinmandl.

11 - Ping‘s traditioneller »Hotpot«, eine Art chinesisches Fondue.

12 - Zur Belohnung gibt es Kaffee und Kuchen im »Das Haus«, einer altdeutschen Kneipe im Herzen der Stadt Valdivia.

13 - Bunkern für ein bis zwei Jahre in den Weiten des Pazifik: B mit einem kleinen Teil unser Einkäufe.

14 - Freiheit ist das Einzige, was zählt. Ein Film von B+M.
15 - Drei Tage unter Segeln: Von Valdivia nach Juan Fernandez / Isla Robinson Crusoe.

Hallo Ihr Lieben!
Es ist Ende Januar. Wir sind wieder los! Blaue Tage auf hoher See. Die letzte Wildnis dieser Erde. Wogende Kämme bis zum Horizont, aus Südwesten, lang und breit, ein weicher, warmer Wind über das Backstag, gut gelaunt geblähte Segel auf tiefblauem Grund. Runterkommen, entstressen, entspannen. Könnte klappen: In der Nacht wölbt sich ein ganz und gar unwirklicher, glasklarer und mondloser Sternenhimmel über der VERA. Millionen kleine Lichter und das Kreuz des Südens am achteren Ende der hingekleckerten Milchstraße. Ein Anblick für ein Poesiealbum. Zwei große Wale blasen aus, an Backbord voraus. Der Pazifik empfängt uns mit offenen Armen.
»Leinen los«, nach zwei anstrengenden Monaten in Valdivia: Die lieb gewonnene ITHACA Crew winkt traurig zum Abschied. Werden wir uns wiedersehen? Ein Krankheitsfall in der Familie zwingen Pierre und seine Familie zurück nach Südafrika, zumindest für das nächste halbe Jahr… Segler’s Schicksal. Zum Glück segelt die STORMALONG (NED) mit Linette und Nils (www.sy-stormalong.nl) nur eine Tagesreise voraus. Wir planen ein Wiedersehen auf Juan Fernandez. Die PAZZO (US) hat inzwischen bereits die Gambier Inseln erreicht. LUCIPARA 2 (NED, www.sailorsforsustainability.nl) ankert vor der Osterinsel und EASTERN STREAM (NED) auf Pitcairn, dem Unterschlupf der HMS BOUNTY (GB) Crew. Nun ist auch die VERA endlich seeklar. Den dringend benötigten neuen Bugbeschlag haben wir dank »Edelstahl Claudio’s« unermüdlichem Einsatz letztlich doch noch zusammenbekommen, nach vier Wochen harter Maloche, Fakiryoga im engen Ankerkasten, piksenden Glasfasern und ätzendem Polyestergeruch. Der letzte Auftrag von ALWOPLAST vor der endgültigen Geschäftsaufgabe. Eine Ehre für uns und die VERA, denn die renommierte Werft blickt auf eine über 30 jährige erfolgreiche Geschichte zurück. Doch nun schließt Alex Wopper die Tore. Nichts geht mehr, nicht unter den herrschenden wirtschaftsfeindlichen Bedingungen. Schade um den feinen Betrieb. In den blitzsauberen Hallen stehen neben den teuren Werkzeugmaschinen der große Travelift, die Formen für die Atlantic 49 Katamarane und ein fast fertiger Open 40 aus Carbon. Wird es irgendwann einen Neuanfang geben? Zunächst einmal herrscht nun gespenstische Ruhe auf dem Gelände. Nur die Werksklingel ruft nach wie vor zur Mittagspause. Abends angeln sich ehemalige Mitarbeiter ihr Abendessen am Steg, gleich neben unserer VERA. Vieles ist im Umbruch in Chile. Kommt es zu Wahlen und einer neuen Verfassung? Im April soll landesweit darüber abgestimmt werden. Zumindest bis dahin wird es noch beträchtlich rumoren im ganzen Land. Für’s erste scheint sich die Lage etwas beruhigt zu haben, zumindest in Valdivia und der näheren Umgebung. Viele Geschäfte haben wieder geöffnet und jeden Tag werden es mehr. Auch im halbzerstörten Casino Hotel empfängt man wieder Kundschaft und ersetzt die ersten eingeworfenen Scheiben. Überall sieht man wachsames Sicherheitspersonal. Derzeit der krisensichere Job, gleich nach dem Rolladen- und Stahlgitterbau. Unser Eindruck: Der Normalbürger will eigentlich nur in Ruhe seinem Job nachgehen, sein Ding machen, unter Rahmenbedingungen, die Luft zum Atmen lassen. Chile ist ein herrliches Land, noch jung und hier und da auch voller Hoffnung. Wir wünschen gutes Gelingen. Aber in Südamerika bleiben wollen wir auf Dauer dann doch nicht.
Wegen der anstehenden Arbeiten an Bord und der Neuverproviantierung waren wir viel in der Stadt Valdivia unterwegs. Unzählige Kilometer per Bus, UBER und auf Schusters Rappen. Werkstätten, Werkzeugläden, Baumärkte, Supermärkte, kleine und große Läden jeglicher Provenienz. Auf diese Weise sieht man das Land wie es ist. Sikaflex gibt es bei »Valdicolor«, Keilriemen bei der »Casa de Las Gomas Gomac«, neue Klingen für den Schlagschrauber bei »Ropulli«, Makita Akkus in der »Ferretería del Sur«, Gasschlauch beim Hydraulikbedarf, Wasabi und Sojasoße bei »Muli«, eine Gepäckwaage zum Gasflaschen füllen beim »El Chino«… Auf dem Wochenmarkt versammeln sich Gemüsehändler aus der gesamten Region und preisen lautstark ihre Waren an. Im »Jumbo«, dem »deutschen« Riesensupermarkt in dem man von Dirndln und Lederhosen bedient wird, erhält man alles Essenswerte, jeden Luxus, der dafür aber auch ein wenig teurer ist. B sucht aus, M schleppt, tagelang und immer mehr. Zur Belohnung gibt es Kaffee und Kuchen im »Das Haus«, einer altdeutschen Traditionskneipe im Herzen der Stadt. Weiter geht es: Ein begabter Mechaniker wickelt die elektromagnetische Kupplung unseres Autopiloten neu. Ein alter Schuster flickt mir (M) das Täschchen meines »Leatherman«, meisterhaft, für eine Handvoll Pesos. Patricio Kunstmann ( https://www.cerveza-kunstmann.cl/en/ ) zeigt uns die Autosammlung seines Vaters, darunter zwei neuwertige Vorkriegsmercedes, die der alte Herr ausgerechnet im »Meilenwerk« bei Herrn Stehling in Berlin Wedding erstanden hat. Nur die Reparatur des Aussenborders (Lagerschaden an der Kurbelwelle) muss warten: Keine YAMAHA Ersatzteile lieferbar, auf unbestimmte Zeit. Unser Spanisch wird derweil besser, zumindest ein wenig. Überall werden wir gastfreundlich aufgenommen. Viele Chilenen in dieser Gegend sprechen auch Deutsch. Immerhin waren Valdivia und das nahe gelegene Port Montt bis in die sechziger Jahre hinein mehrheitlich deutschsprachig. Dann raffte das stärkste jemals auf der Welt gemessene Erdbeben alles dahin, die feinen deutschen Villen, das Stahlwerk, die Brauerei. Von diesem Schlag hat sich die deutsche Minderheit nicht mehr erholt. Vielleicht hielt man es nach dem Beben auch einfach für sinnlos, weiter wie verrückt zu werkeln, zu schaffen und Häusle zu bauen. Die eher spanische, eher fatalistische »Mañana« Mentalität funktioniert doch eigentlich auch ganz gut. Was bleibt ist sind noch einige schöne alte Architekturen aus Holz, die deutsche Schule, der man einen sehr guten Ruf nachsagt und die Universität, mit ihrem heimeligen grünen Campus und den vielen hübschen Kneipen und Cafés.
Die Wochen an Bord auf der Baustelle ziehen sich. Chaos unter Deck, was gelegentlich entmutigend wirkt. Werkzeuge und Ersatzteile liegen herum, dazu der noch zu stauende Proviant. Arbeitslager, auch für die Waschmaschine, die tagelang durchläuft. Die Toilette streikt und muss ersetzt werden. Zum Glück ist Ersatz an Bord. Damals 2007 in Whangarei haben wir zum Glück gleich zwei Toiletten gekauft. Eine davon steckte jahrelang tatenlos unter unserer Koje. Nun darf sie endlich ans Werk. Tagelang polieren wir Edelstahl, lackieren Gasflaschen und montieren eine neue UKW Antenne im Masttop. Die alte war uns ja, wie ihr Euch sicher erinnert, im Golfo de Peña bei Schietwetter weggeflogen. Linette und Nils von der STORMALONG überreden uns zu guter letzt noch zu einem Lustkauf: Ein SUP. SUP? Richtig, ein sogenanntes »Standup Paddle Board«. Man kann es zum Spaß, zum Training, oder auch als behelfsmäßiges Beiboot verwenden. Damit wir nicht untergehen bekommen Pierre und Ping von der ITHACA dafür unser altes, aufblasbares Kayak, das wir viel zu selten verwendet haben.
Zur wochenlangen Maloche gehören aber auch die Belohnungen: Ausflüge in die Umgebung, Lunch in der Stadt, lange Abende unter Freunden, bei gutem Essen und gutem Wein. Nur allzu leicht haben wir uns an den regelmäßigen ITHACA Grill gewöhnt. Pierre ist der Meister des Feuers. Mit Eleganz und Präzision platziert er Kohlen und Holz dergestalt, das Berge von Grillbarem genau auf dem rosigen Punkt enden. Doch das ist noch nicht alles: Ping ist Chinesin und lädt uns zum traditionellen »Hotpot« ein, eine Art Fondue für Chinesen. Da man mit Essstäbchen im gemeinsamen brandscharfem Sud nach Tofu, Gemüse, Fisch und Fleisch fischt, lädt man hierfür nur engste Freunde und Familie ein. Für uns ein ganz besonderes Erlebnis: Authentisch essen auf Chinesisch. In Chile.
Doch nun wird es erneut Nacht, unheimlich und dunkel diesmal. Weiße gespenstische Schaumtatzen, knapp 30kn Wind aus SW. Die VERA läuft, ungestüm und mit Schaum vor dem Bug. Noch 50 Seemeilen bis Juan Fernandez. Wir müssen bremsen um nicht mitten in der Nacht in eine unbekannte Bucht zu laufen. Also reffen wir das Groß und bergen die Genua. Im Morgengrauen wollen wir dort sein. So viel faszinierendes liegt vor unserem Bug! Wie gut es tut, wieder im Sattel zu sitzen, mit den Zügeln in der Hand. Freiheit ist das Einzige, was zählt.
Herzliche Grüße und alles erdenklich Gute wünschen Euch Britta und Michael / SY VERA / auf See / POS 34.14,6 S - 078.02,6 W
1 - Was lange währt, wird endlich gut: »Edelstahl Claudio‘s« neuer Bugbeschlag auf der VERA, mit einem kräftigem »Padeye« für die große »Code 0« Genua gleich dahinter.

2 - Wochenlang herrschte ein zeitweise demoralisierendes Chaos unter Deck.

3 - Tausenderlei stand an: Frisch lackierte Gasflaschen warten auf eine neue Füllung.

4 - Immer wieder gut: Totalschaden an der Bordtoilette.

5 - Zum Glück ist Ersatz an Bord: Ob die nagelneue TMC wohl wieder über zehn Jahre durchhält?

6 - Der ITHACA Grill mit den Freunden.

7 - …und die Kormorane gleich hinter unserer »Terrasse« am Heck der VERA bei ALWOPLAST. Ein Film von B+M.
8 - Valdivia: Muntere Seelöwen am Bug des 90m langen im Jahre 1976 in Schottland in Dienst gestellte O‘BRIEN. Das alte U-Boot der OBERON Klasse dient heutzutage als Museumsschiff der Chilenischen Armada. Ein Film von B+M.
9 - Ausflug ins nahe gelegene Niebla und nach Los Molinos: Ein Schwarm Pelikane trifft sich hier Mittags zum Fischen. Ein Film von B+M.
10 - Los Molinos: B am Strand mit einem neuen Steinmandl.

11 - Ping‘s traditioneller »Hotpot«, eine Art chinesisches Fondue.

12 - Zur Belohnung gibt es Kaffee und Kuchen im »Das Haus«, einer altdeutschen Kneipe im Herzen der Stadt Valdivia.

13 - Bunkern für ein bis zwei Jahre in den Weiten des Pazifik: B mit einem kleinen Teil unser Einkäufe.

14 - Freiheit ist das Einzige, was zählt. Ein Film von B+M.
15 - Drei Tage unter Segeln: Von Valdivia nach Juan Fernandez / Isla Robinson Crusoe.
