009 - LA GRACIOSA / AT THE CROSSROADS
26/09/16 00:00 Canary Islands
Hallo Ihr Lieben!
»La Graciosa«, eine kleine Vulkaninsel, vorgelagert an der Nordspitze Lanzarotes, spektakuläre Schönheit. Hier, wie auf Madeira, treffen um diese Jahreszeit die Blauwasserboote und ihre Crews aufeinander. Praktisch jeder muss hier vorbei, egal wo er herkommt, oder wohin er will, »The crossroads« sozusagen. Unser Anker fällt im Morgengrauen des 19. September, sechs Stunden vor der »ARWEN« an der »Playa Francesa«. Gleich vor uns liegt der Finne, ist wohl schon ein paar Tage hier. Die zurückliegende Nacht war nicht der wahre Jakob. Mussten per Hand steuern, fanden kaum Schlaf. Diesmal hat es das äußere Ritzel im Planetengetriebe unseres Autopilotenantriebes zerrissen. Es konnte wohl nicht so recht mit den neuen Metallzahnrädchen, die ich (M) westlich von Gibraltar auf See verbaut hatte…
»Playa Francesa«, im Rückblick ein Traum. Damals, im Jahre 2006, eine Handvoll Boote. Feuer am Strand, selbst gefangener Fisch auf dem Grill, neue Freunde für‘s Leben… Eine psychologische Besonderheit ist der überwältigende »sense of achievement«, den alle Neuankömmlinge verspüren, die damit verbundene Euphorie. Man hat die Biskaya, die Westküste Portugals, oder die mörderischen Passage durch die Säulen des Herkules überlebt und die ersten wirklich großen Atlantikwellen gesehen. Das macht stolz und gesprächig. Der Finne kommt herbei gerudert und schenkt uns eine große Spritze, mit der man sich einen Einlauf, oder einen Ölwechsel machen kann. Dann geht er Anker auf und segelt gen Südwesten. Eigentlich gar nicht so unrecht, dieser Finne.
Den ersten Tag verbringen wir an Bord. Feuer machen am Strand ist heutzutage verboten. »La Graciosa« ist schließlich ein streng geschützter Nationalpark. Dafür gibt es jetzt monströse Ausflugskatamarane, die lastwagenladungsweise Erholungsuchende auf die »Playa Francesa« rotzen… Nun denn. Ein neuer Tag. Wir bringen »Bounce« zu Wasser und fahren um die Ecke nach »Caleta del Sebo«, dem Hauptort der Insel. Eine Handvoll weiß getünchter Häuser drängt sich um ein kleines, aber gut geschütztes Hafenbecken. Hier gibt es alles: Café, Emparedado‘s, zwei Minimärkte, Wifi, Mülltonnen und einen Hafenmeister. Beim Wifi treffen sich alle, und im Nu sind wir für den Abend zum Aperitif eingeladen, auf einem der französischen Boote… Eilig brechen wir zu einem ausgedehnten Spaziergang auf, immer entlang der Ostküste, nach »Pedro Barba«, der einzigen anderen Siedlung auf »La Graciosa«, die einst von dem Abenteurer Pedro Barba als Hauptstadt gegründet wurde, nachdem er sich selbst zum König der Kanarischen Inseln ausgerufen hatte. Und dieser Spaziergang ist immer noch ein Traum. Niemand da, die Farben prächtig, ocker, braun und rot, die markanten Vulkankegel gegen den dunkelblauen Himmel, das tiefstblaue Meer vor einer markanten schwarzen Wand, der senkrechten Nordwestküste Lanzarotes, zum Greifen nah.
Könnten wir hier leben? »La Graciosa« bietet viel: EU, gewaltige Natur, Leere, Wildnis, einfache, weiße würfelige Häuschen, direkt am Ufer. Mit einem schnellen RIB wäre man in einer guten Stunde in Arrecife, der Hauptstadt von Lanzarote. Hier windgeschützt auf der Veranda sitzen, mit einem Krug Ziegenmilch und einem guten Buch? Auf’s Meer starren und auf die schwarze Wand? Jeden Tag schnorcheln, Gitarren bauen, See Kajaks, oder Schiffsmodelle? »Land Art« vielleicht? Im Trockenen leben, ganz ohne Schaukelei? Lebensentwürfe gibt es viele, aber welcher mag der richtige sein? »BOUNCE« gleitet bei Halbgas leichtfüßig zurück zur »Playa Francesa«. Dort liegt die »VERA«, hellblau, zwischen zehn anderen Booten. Sie kann uns nach Patagonien bringen, und vielleicht weiter, in die Südsee, oder nach Alaska. Erleichtert klettern wir an Bord.
Aperitif auf einer kleineren »Bavaria« unter der Tricolore, ein Raumwunder. Selbst 16 Franzosen und 4 Deutschen im Cockpit bringen sie nicht zum sinken. Jede Menge Ti-Punsch und feine Häppchen mit Enten Rillette rutschen gut. Die Franzosen sprechen alle leidlich Englisch. Ein Wunder. Die jüngeren hier haben meist ein Jahr Zeit, zumeist möglich gemacht durch ein »Sabbatical« vom Arbeitgeber. Sie wollen in die Karibik und dann über die Ostküste der USA zurück nach Europe und auf dem Weg möglichst viel erleben. Ein Vorteil für ihre Karrieren, haben sie danach doch Initiative, körperliche und geistige Belastbarkeit, Organisationstalent, gute Nerven und Durchhaltevermögen bewiesen. In Deutschland wäre die berufliche Laufbahn dagegen hin. Man hätte sich als »Beach-Bum« und arbeitsunwilliger »Aussteigertyp« zu erkennen gegeben, der jegliche Expertise in seinem Fachgebiet eingebüßt hat… aber ich (M) schweife ab. Hier, an Bord der kleinen »Bavaria«, bahnen sich neue Blauwasserehen an. Die Crew der »ARWEN« z.B. verliebt sich unsterblich in ein anderes junges Paar, ungefähr gleich alt, auch noch keine Kinder, auch Surfer, auch aus Lorient in der Bretagne, dem einzigen Ort auf der Erde, wo man Ahnung von maritimer Kultur hat. Am nächsten Morgen sind sie zusammen weg, Kurs Südwest, hinter dem Finnen her… so ging es uns damals auch in 2006 mit den Crews der englischen »ROXI« und der australischen »STEAMY WINDOWS«. Heute tun wir uns schwerer, sind wir doch unbefristet unterwegs, wollen erst im März los, und dann nach Südamerika.
Die australische »SASSOON« läuft ein, direkt aus Gibraltar. Melinda und Dave wollen leider gleich weiter, in die Marina Rubicon im Süden Lanzarotes und dann zum Flughafen, zwei Monate Australien, Heimaturlaub. Traurig. Siggi, Tauchlehrerin und alte Freundin aus Marmaris in der Türkei ist auch sofort wieder weg. Sie segelt in einer hinreichend unwahrscheinlichen Konstellation mit ihrem ägyptischen Partner Umbarak auf der pfeilschnellen »X-Yacht« eines befreundeten Segelmachers aus Israel, Easy und seiner charmanten Ehefrau. Wir kämpften gegen Easy, in alten Tagen. 420er WM 1986 in Ancona, Wicky und Frey (gelber »Vogel Mayer« Spi) aus der Schweiz sensationell Weltmeister, vor den Israelis. Easy fuhr dort seine selbst genähten »Winning Way« Segel, im radikal neuen Radialschnitt. Lange her. Und doch reden wir über jedes Rennen, als ob es gestern war. Vielleicht sehen wir uns irgendwann? Tauchen im roten Meer von einem von Umbarak‘s Dive boats aus? Wenn Frieden wäre? Es wäre schön.
In den nächsten Tagen erwandern wir uns die Insel, von Nord nach Süd, von Ost nach West, am Meer entlang und über Vulkankegel, gelegentlich überholt von alten Landrovern voller Touristen und ihren Staubfahnen. Uns gefällt es. Eigentlich wollten wir bald nach Las Palmas auf Gran Canaria verlegen, um dort so einiges an der »VERA« zu basteln. Dem Ratschlag eines alten Freundes verdanken wir nun die Idee, uns im Oktober / November doch besser hier in der kleinen Marina von »Caleta del Sebo« einzugraben, zumindest bis die ARC (http://www.worldcruising.com) Las Palmas mit 300 Yachten gen Santa Lucia in der Karibik verlassen hat. Das wollen wir so machen. Und bis dahin? Mal sehen.
Mit herzlichen Grüßen an Alle von B und M / SY VERA / La Graciosa / Spanien
1 - »VERA« hinter der »ARWEN«

2 - Das vermaledeite Ritzel

3 - Die schwarze Wand

4 - Land Art?

5 - »VERA« und Artgenossen

6 - »BOUNCE« (weiß) und Artgenossen

7 - Als Autos noch Autos waren

8 - Die Route

»La Graciosa«, eine kleine Vulkaninsel, vorgelagert an der Nordspitze Lanzarotes, spektakuläre Schönheit. Hier, wie auf Madeira, treffen um diese Jahreszeit die Blauwasserboote und ihre Crews aufeinander. Praktisch jeder muss hier vorbei, egal wo er herkommt, oder wohin er will, »The crossroads« sozusagen. Unser Anker fällt im Morgengrauen des 19. September, sechs Stunden vor der »ARWEN« an der »Playa Francesa«. Gleich vor uns liegt der Finne, ist wohl schon ein paar Tage hier. Die zurückliegende Nacht war nicht der wahre Jakob. Mussten per Hand steuern, fanden kaum Schlaf. Diesmal hat es das äußere Ritzel im Planetengetriebe unseres Autopilotenantriebes zerrissen. Es konnte wohl nicht so recht mit den neuen Metallzahnrädchen, die ich (M) westlich von Gibraltar auf See verbaut hatte…
»Playa Francesa«, im Rückblick ein Traum. Damals, im Jahre 2006, eine Handvoll Boote. Feuer am Strand, selbst gefangener Fisch auf dem Grill, neue Freunde für‘s Leben… Eine psychologische Besonderheit ist der überwältigende »sense of achievement«, den alle Neuankömmlinge verspüren, die damit verbundene Euphorie. Man hat die Biskaya, die Westküste Portugals, oder die mörderischen Passage durch die Säulen des Herkules überlebt und die ersten wirklich großen Atlantikwellen gesehen. Das macht stolz und gesprächig. Der Finne kommt herbei gerudert und schenkt uns eine große Spritze, mit der man sich einen Einlauf, oder einen Ölwechsel machen kann. Dann geht er Anker auf und segelt gen Südwesten. Eigentlich gar nicht so unrecht, dieser Finne.
Den ersten Tag verbringen wir an Bord. Feuer machen am Strand ist heutzutage verboten. »La Graciosa« ist schließlich ein streng geschützter Nationalpark. Dafür gibt es jetzt monströse Ausflugskatamarane, die lastwagenladungsweise Erholungsuchende auf die »Playa Francesa« rotzen… Nun denn. Ein neuer Tag. Wir bringen »Bounce« zu Wasser und fahren um die Ecke nach »Caleta del Sebo«, dem Hauptort der Insel. Eine Handvoll weiß getünchter Häuser drängt sich um ein kleines, aber gut geschütztes Hafenbecken. Hier gibt es alles: Café, Emparedado‘s, zwei Minimärkte, Wifi, Mülltonnen und einen Hafenmeister. Beim Wifi treffen sich alle, und im Nu sind wir für den Abend zum Aperitif eingeladen, auf einem der französischen Boote… Eilig brechen wir zu einem ausgedehnten Spaziergang auf, immer entlang der Ostküste, nach »Pedro Barba«, der einzigen anderen Siedlung auf »La Graciosa«, die einst von dem Abenteurer Pedro Barba als Hauptstadt gegründet wurde, nachdem er sich selbst zum König der Kanarischen Inseln ausgerufen hatte. Und dieser Spaziergang ist immer noch ein Traum. Niemand da, die Farben prächtig, ocker, braun und rot, die markanten Vulkankegel gegen den dunkelblauen Himmel, das tiefstblaue Meer vor einer markanten schwarzen Wand, der senkrechten Nordwestküste Lanzarotes, zum Greifen nah.
Könnten wir hier leben? »La Graciosa« bietet viel: EU, gewaltige Natur, Leere, Wildnis, einfache, weiße würfelige Häuschen, direkt am Ufer. Mit einem schnellen RIB wäre man in einer guten Stunde in Arrecife, der Hauptstadt von Lanzarote. Hier windgeschützt auf der Veranda sitzen, mit einem Krug Ziegenmilch und einem guten Buch? Auf’s Meer starren und auf die schwarze Wand? Jeden Tag schnorcheln, Gitarren bauen, See Kajaks, oder Schiffsmodelle? »Land Art« vielleicht? Im Trockenen leben, ganz ohne Schaukelei? Lebensentwürfe gibt es viele, aber welcher mag der richtige sein? »BOUNCE« gleitet bei Halbgas leichtfüßig zurück zur »Playa Francesa«. Dort liegt die »VERA«, hellblau, zwischen zehn anderen Booten. Sie kann uns nach Patagonien bringen, und vielleicht weiter, in die Südsee, oder nach Alaska. Erleichtert klettern wir an Bord.
Aperitif auf einer kleineren »Bavaria« unter der Tricolore, ein Raumwunder. Selbst 16 Franzosen und 4 Deutschen im Cockpit bringen sie nicht zum sinken. Jede Menge Ti-Punsch und feine Häppchen mit Enten Rillette rutschen gut. Die Franzosen sprechen alle leidlich Englisch. Ein Wunder. Die jüngeren hier haben meist ein Jahr Zeit, zumeist möglich gemacht durch ein »Sabbatical« vom Arbeitgeber. Sie wollen in die Karibik und dann über die Ostküste der USA zurück nach Europe und auf dem Weg möglichst viel erleben. Ein Vorteil für ihre Karrieren, haben sie danach doch Initiative, körperliche und geistige Belastbarkeit, Organisationstalent, gute Nerven und Durchhaltevermögen bewiesen. In Deutschland wäre die berufliche Laufbahn dagegen hin. Man hätte sich als »Beach-Bum« und arbeitsunwilliger »Aussteigertyp« zu erkennen gegeben, der jegliche Expertise in seinem Fachgebiet eingebüßt hat… aber ich (M) schweife ab. Hier, an Bord der kleinen »Bavaria«, bahnen sich neue Blauwasserehen an. Die Crew der »ARWEN« z.B. verliebt sich unsterblich in ein anderes junges Paar, ungefähr gleich alt, auch noch keine Kinder, auch Surfer, auch aus Lorient in der Bretagne, dem einzigen Ort auf der Erde, wo man Ahnung von maritimer Kultur hat. Am nächsten Morgen sind sie zusammen weg, Kurs Südwest, hinter dem Finnen her… so ging es uns damals auch in 2006 mit den Crews der englischen »ROXI« und der australischen »STEAMY WINDOWS«. Heute tun wir uns schwerer, sind wir doch unbefristet unterwegs, wollen erst im März los, und dann nach Südamerika.
Die australische »SASSOON« läuft ein, direkt aus Gibraltar. Melinda und Dave wollen leider gleich weiter, in die Marina Rubicon im Süden Lanzarotes und dann zum Flughafen, zwei Monate Australien, Heimaturlaub. Traurig. Siggi, Tauchlehrerin und alte Freundin aus Marmaris in der Türkei ist auch sofort wieder weg. Sie segelt in einer hinreichend unwahrscheinlichen Konstellation mit ihrem ägyptischen Partner Umbarak auf der pfeilschnellen »X-Yacht« eines befreundeten Segelmachers aus Israel, Easy und seiner charmanten Ehefrau. Wir kämpften gegen Easy, in alten Tagen. 420er WM 1986 in Ancona, Wicky und Frey (gelber »Vogel Mayer« Spi) aus der Schweiz sensationell Weltmeister, vor den Israelis. Easy fuhr dort seine selbst genähten »Winning Way« Segel, im radikal neuen Radialschnitt. Lange her. Und doch reden wir über jedes Rennen, als ob es gestern war. Vielleicht sehen wir uns irgendwann? Tauchen im roten Meer von einem von Umbarak‘s Dive boats aus? Wenn Frieden wäre? Es wäre schön.
In den nächsten Tagen erwandern wir uns die Insel, von Nord nach Süd, von Ost nach West, am Meer entlang und über Vulkankegel, gelegentlich überholt von alten Landrovern voller Touristen und ihren Staubfahnen. Uns gefällt es. Eigentlich wollten wir bald nach Las Palmas auf Gran Canaria verlegen, um dort so einiges an der »VERA« zu basteln. Dem Ratschlag eines alten Freundes verdanken wir nun die Idee, uns im Oktober / November doch besser hier in der kleinen Marina von »Caleta del Sebo« einzugraben, zumindest bis die ARC (http://www.worldcruising.com) Las Palmas mit 300 Yachten gen Santa Lucia in der Karibik verlassen hat. Das wollen wir so machen. Und bis dahin? Mal sehen.
Mit herzlichen Grüßen an Alle von B und M / SY VERA / La Graciosa / Spanien
1 - »VERA« hinter der »ARWEN«

2 - Das vermaledeite Ritzel

3 - Die schwarze Wand

4 - Land Art?

5 - »VERA« und Artgenossen

6 - »BOUNCE« (weiß) und Artgenossen

7 - Als Autos noch Autos waren

8 - Die Route
