008 - DESERTA UND SELVAGEM GRANDE
19/09/16 00:00
Hallo Ihr Lieben!
Unsere Suche nach Einsamkeit beginnt gut. Die »Enseada d‘Abra«, eine der wenigen sicheren Ankerbuchten Madeira‘s liegt wenige Meilen östlich der Marina »Quinta do Lorde«. Steile Wände, Basalt, von roten Adern durchzogen, aus einer Zeit, in der die Welt noch heiß und zischend war. Kurzer Schnorcheltauchgang in glasklarem Wasser: Samtschwarzer, fein gerippelter, Sand bis zum Horizont, unser Anker sauber eingekuschelt.
Herrliche Nacht in Freiheit. Das Boot schaukelt hier viel glücklicher, als angebunden im Hafen, und auch die Festmacher knarren nicht. Der Morgen kommt mit Kälte und prasselnden Schauerböen. Während wir zum Tee in voller Montur im Cockpit sitzen, genießt das holländis
che Paar neben uns, auf einer trefflich hergerichtete »Hallberg Rassy 49« Ketsch, ihr knochentrockenes Deckshaus. Vermutlich haben die ihre Pyjamas an. Der Anblick lässt mich (M) wieder einmal über eine bequemere Nachfolgerin für die elegante, aber eher sportliche »VERA« sinnieren.
Nach dem Frühstück kommen immer mehr Boote herein. Am Ende sind es ein gutes Dutzend. Keine Charterboote, sondern Blauwasserfahrer, die sich um diese Jahreszeit in dieser Gegend einfinden. Ihr Ziel: Die Karibik, oder auch weiter. Sie kommen nicht aus aller Herren Länder, sondern aus Nordeuropa. Noch ist die neue Mittelschicht Chinas und Indiens nicht auf den Geschmack gekommen. Die Möglichkeit, selbstbestimmt und individuell zu leben will erst noch erkannt werden. So sind wir unter uns: England, Frankreich, Niederlande, Schweden, Dänemark, ein Finne. Tja, der Finne. Gleich kommt er angerudert, und ich (M) begehe den Fehler, ihn auf einen Tee einzuladen. Einhandsegler. Gescheiterte Ehe, Frau und kleine Tochter weg, spontane Entscheidung: Allein über den Atlantik, mit einem kleinen Regattaboot. Einsam, Anschluss suchend, Alkoholprobleme? Nach seinem dritten Besuch gehen wir Anker auf: »Ilha Deserta Grande«. Knapp 20 Meilen. Ein hochoffizielles Permit hierfür liegt auf dem Navitisch.
»Deserta Grande«: Der Ankerplatz ist richtig »rough«. Wenig Platz, spitzige Felsen im Wasser, aber mit etwas Glück platzieren wir das Eisen recht sinnvoll. Die langgestreckte Insel steht erhaben da. Steile Wände, Basalt, von roten Adern durchzogen, aus einer Zeit, in der… Landgang? Drei neben uns liegenden Ausflugsboote aus Funchal kotzen Menschenmassen an den kargen Ufersaum, wo eine Handvoll Parkranger zehnminütige Führungen zu Muschel- und Vogelkolonie abreißen. Das die noch Bock auf zusätzliche Kundschaft haben, können wir uns nicht vorstellen. So bleibt unser Dinghy an Deck. Dafür läuft unerwartet der Finne ein: Ein Permit hat er nicht, aber unsere wildromantische Idee, die »einsamen« Inseln hier draußen anzulaufen hat ihn bewogen, es ohne zu versuchen. Jetzt hängt er dreimal bei uns an der Reling und fragt detailliert nach unseren Plänen, sowie der an Bord befindlichen Elektronik… Tadellöser und Wolff. Der Abend vertreibt die Ausflugsboote. Nur ein paar Seelöwen bleiben und plantschen munter mit der »VERA«. Spektakuläre Vollmondnacht. Zum greifen nahe erheben sich tiefschwarz auf schwarz die Felsen des Inselrückens. Im Norden flimmern die Lichter Madeiras wie eine Wiese voller Glühwürmchen. Alles bleibt ruhig.
Der neue Tag bringt frischen Wind aus NE, wie erwartet. Am frühen Nachmittag gehen wir Anker auf. Kurs Süd, direkt auf »Selvagem Grande« zu, die »Große Wilde«, 160 Meilen südlich von Madeira gelegen. William Kidd soll hier um 1700 herum den Schatz der Kathedrale von Lima vergraben haben… Das klingt gut. Nur unter Genua läuft die »VERA«, immer mehr als 7, häufig über 8 Knoten, sicher zu viel für den Finnen. Heller Mondschein in der Nacht, jagende Wolken, hohe See. Noch 40 Meilen, Peilung rechtweisend 192 Grad. ETA vor 10.00… Wir sind schnell, zu schnell. Riffverseuchten Gewässer wie die »Selvagens« nimmt man besser bei hoch stehender Sonne in Angriff nehmen. Mit polarisierten Sonnenbrillen sieht man dann gefährliche Felsen, zumindest wenn das Wasser klar ist. »Enseada das Cagarras«, die einzige halbwegs vor dem vorherrschenden NO geschützte Bucht von »Selvagem Grande«. Sie ist leer, aber oben auf den Klippen steht das Haus der Nationalparkwächter. Per UKW Funk melden wir uns an und erhalten die Erlaubnis zu ankern. Harter, steiniger Grund, aber was soll‘s. Anker mit Tripleine, wie im Führer empfohlen, 12m Tiefe. Ein Tauchgang zur Prüfung zeigt, das er da irgendwie liegt und irgendwie hält. Das reicht erstmal. Zwei fette, neugierige Mondfische beobachten mich dabei und versuchen, an meinen Flossen zu nagen.
Bald nach uns läuft ein französisches Boot ein, die »Arwen« mit einem jungen Paar an Bord. Durch Lauschen am UKW erahnen wir, das beide recht gut Englisch sprechen. Ungewöhnlich für Franzosen und interessant, da wir bisher kaum jüngere Segler getroffen haben. Die Einwohner von »Selvagem Grande« (2 x Nationalpark, 2 x Portugiesische Grenzpolizei) haben uns gemeinsam für den nächsten Tag zu einer Führung an Land eingeladen… Wir dinieren in Ruhe an diesem wilden Platz und genießen die Szene. Steile Wände, Basalt, von roten Adern durchzogen, aus einer Zeit, in der die Welt noch h… Dazu passend: Die Rufe von tausend jagenden Seevögeln, die sich oft anhören wie Kinderstimmen. Biss‘l unheimlich.
Ein neuer Tag. Wir holen die beiden jungen Franzosen von der »Arwen« ab und versuchen in hohem Schwell, an der grob betonierten Rampe der Nationalparksstation zu landen. Dank professioneller Hilfe und eines dort montierten, ausgeklügelten Seilzugsystems gelingt es, und wir können »Bounce« (unser Beiboot) sicher inmitten eines Whirlpools inmitten von gezackten Felsen parken. Der Chef stellt sein aktuelles Team, den feinen Hund mit »Selvagem« und sich mit Nelson vor und erklärt uns das Procedere: Aufstieg zum Plateau der Insel, Besichtigung der Brutkolonien der hier beheimateten Sturmtaucherarten (Röhrennasen) mit zahllosen flauschigen Küken, Wanderung zum höchsten Punkt, wo der Leuchtturm steht. In fließendem Englisch bietet uns Nelson äußerst interessante Einblicke in die endemische Fauna, die Ornithologie und Geologie der Insel und natürlich auch zu Captain Kidd (nix gefunden bisher…). Der Blick über das knochentrockene Plateau ist spektakulär. So muss der Mars ungefähr aussehen. Kein Mensch, soweit das Auge reicht. Nach dem informativen Teil wollen wir schon zurück an Bord, aber dann stehen plötzlich Kekskuchen, Erdnüsse und eine Flasche Madeira auf dem Tisch der großen Veranda am Rangerhaus. Ein großes internationales Palaver beginnt. Die beiden Grenzpolizisten agieren erst seit kurzem hier vor Ort, um Portugals territoriale Ansprüche gegenüber Spanien durchzusetzen. Vordergründig will man vor allem illegales Fischen unterbinden. Im Endeffekt geht es aber um die 200 Meilen Zone um die Inseln, die Portugal nominell zu einem der flächenmäßig größten Länder der Erde machen würde und unendlich reich. Man vermutet hier überall Gas und Öl und vieles mehr. Natürlich erreichen die Gespräche auch Wolfgang Schäuble, Frau Merkel und die EU. Dies führt direkt zu ein paar Gläschen selbstgerührtem, traditionellen »Ponché« und einer formellen Einladung zum Grillen am Abend. Das ist unerwartet und macht Freude, wenn nur der Gedanke an die haarsträubende Anlandesituation nicht wäre… Den Nachmittag verbringen wir mit den Franzosen auf unseren Booten, dann setzen wir gemeinsam erneut über.
Bei tiefer Ebbe und haarsträubendem Surf gelingt es wieder nur knapp, ohne größere Schäden an Land zu gelangen. Dies stellt sich als gut heraus, denn der Grill raucht und ein Haufen Frischfleisch liegt mariniert bereit. Wir können nichts tun, als auf der Veranda zu sitzen und kalte Biere zu trinken, dazu als »Amuse Gueule« frisch gebackenes Brot und die von den Franzosen selbst hergestellte »Foie Gras«. Es gibt schlimmeres. Das entspannte Gelage macht Spaß und bringt Einsichten und Interna, die wir hier wohl nur erfahren, weil das Rangerteam in der aktuellen Besetzung erst seit fünf Tagen zusammenarbeitet. Vor allem die beiden Polizisten kennen Yachten und ihre Besatzung bisher nur aus der Drogenfahndung. Einer der beiden hat gerade kürzlich 300kg Kokain an Bord einer niederländischen »Bénéteau« entdeckt, die aus der Karibik kam… So machen wir ein wenig »gut Wetter« und erzählen von fernen Küsten, seltsamen Bräuchen und großen Abenteuern. Das schreit dann geradezu nach einem neuen Krug »Ponché«. Hier das Rezept: In einen großen Krug zwei Finger hoch Honig hineinkleckern, dazu den Saft von je zwei großen Zitronen und Orangen und ordentlich Eis. Sodann großzügig mit Zuckerrohrschnaps (auch Rum genannt) auffüllen. Abschließend mit einem speziellen Holzquirl, der aussieht wie ein doppelter Morgenstern, und einer sehr schwer zu erlernenden Technik aufschlagen… das dieses Getränk etwas taugt ist klar. Als Problem ließe sich jetzt die Qualität der Konversation benennen, die im Verlaufe des Abends allmählich den Bach hinunter geht, aber dennoch lehrreich bleibt. Genaueres erspare ich Euch hier, Ihr versteht schon. Am Ende sind wir froh, fast trocken, unverletzt und ohne Schäden in unsere Koje an Bord der »VERA« zu steigen. Danke an dieser Stelle an das gesamte, äußerst sympathische Team auf »Selvagem Grande«. Wir werden Euch nicht vergessen.
Der Morgen kommt, erfreulich, ohne Kater, dafür mit sanften 10 - 12kn Wind aus NE, gerade recht, um hoch am Wind, ganz ohne üble Prügelei Kurs auf die Nordspitze von Lanzarote zu nehmen, wo wir von früher her einen absoluten Traumplatz kennen: Die »Playa Francesa« auf der vorgelagerten Insel »La Graciosa«. Knapp 140 Meilen SE von »Selvagem Grande«.
Mit herzlichen Grüßen an Alle von B und M / SY VERA / Selvagem Grande / Portugal
1 - »Deserta Grande«, Ankerplatz

2 - »Deserta Grande«, Munterer Seelöwe

3 - »Selvagem Grande«, Ansteuerung

4 - »Selvagem Grande«, »Bounce« im Whirlpool

5 - »Selvagem Grande«, beinahe der Mars

6 - »Selvagem Grande«, endemischer Einwohner

7 - »Selvagem Grande«, »VERA« und »ARWEN«

Unsere Suche nach Einsamkeit beginnt gut. Die »Enseada d‘Abra«, eine der wenigen sicheren Ankerbuchten Madeira‘s liegt wenige Meilen östlich der Marina »Quinta do Lorde«. Steile Wände, Basalt, von roten Adern durchzogen, aus einer Zeit, in der die Welt noch heiß und zischend war. Kurzer Schnorcheltauchgang in glasklarem Wasser: Samtschwarzer, fein gerippelter, Sand bis zum Horizont, unser Anker sauber eingekuschelt.
Herrliche Nacht in Freiheit. Das Boot schaukelt hier viel glücklicher, als angebunden im Hafen, und auch die Festmacher knarren nicht. Der Morgen kommt mit Kälte und prasselnden Schauerböen. Während wir zum Tee in voller Montur im Cockpit sitzen, genießt das holländis
che Paar neben uns, auf einer trefflich hergerichtete »Hallberg Rassy 49« Ketsch, ihr knochentrockenes Deckshaus. Vermutlich haben die ihre Pyjamas an. Der Anblick lässt mich (M) wieder einmal über eine bequemere Nachfolgerin für die elegante, aber eher sportliche »VERA« sinnieren.
Nach dem Frühstück kommen immer mehr Boote herein. Am Ende sind es ein gutes Dutzend. Keine Charterboote, sondern Blauwasserfahrer, die sich um diese Jahreszeit in dieser Gegend einfinden. Ihr Ziel: Die Karibik, oder auch weiter. Sie kommen nicht aus aller Herren Länder, sondern aus Nordeuropa. Noch ist die neue Mittelschicht Chinas und Indiens nicht auf den Geschmack gekommen. Die Möglichkeit, selbstbestimmt und individuell zu leben will erst noch erkannt werden. So sind wir unter uns: England, Frankreich, Niederlande, Schweden, Dänemark, ein Finne. Tja, der Finne. Gleich kommt er angerudert, und ich (M) begehe den Fehler, ihn auf einen Tee einzuladen. Einhandsegler. Gescheiterte Ehe, Frau und kleine Tochter weg, spontane Entscheidung: Allein über den Atlantik, mit einem kleinen Regattaboot. Einsam, Anschluss suchend, Alkoholprobleme? Nach seinem dritten Besuch gehen wir Anker auf: »Ilha Deserta Grande«. Knapp 20 Meilen. Ein hochoffizielles Permit hierfür liegt auf dem Navitisch.
»Deserta Grande«: Der Ankerplatz ist richtig »rough«. Wenig Platz, spitzige Felsen im Wasser, aber mit etwas Glück platzieren wir das Eisen recht sinnvoll. Die langgestreckte Insel steht erhaben da. Steile Wände, Basalt, von roten Adern durchzogen, aus einer Zeit, in der… Landgang? Drei neben uns liegenden Ausflugsboote aus Funchal kotzen Menschenmassen an den kargen Ufersaum, wo eine Handvoll Parkranger zehnminütige Führungen zu Muschel- und Vogelkolonie abreißen. Das die noch Bock auf zusätzliche Kundschaft haben, können wir uns nicht vorstellen. So bleibt unser Dinghy an Deck. Dafür läuft unerwartet der Finne ein: Ein Permit hat er nicht, aber unsere wildromantische Idee, die »einsamen« Inseln hier draußen anzulaufen hat ihn bewogen, es ohne zu versuchen. Jetzt hängt er dreimal bei uns an der Reling und fragt detailliert nach unseren Plänen, sowie der an Bord befindlichen Elektronik… Tadellöser und Wolff. Der Abend vertreibt die Ausflugsboote. Nur ein paar Seelöwen bleiben und plantschen munter mit der »VERA«. Spektakuläre Vollmondnacht. Zum greifen nahe erheben sich tiefschwarz auf schwarz die Felsen des Inselrückens. Im Norden flimmern die Lichter Madeiras wie eine Wiese voller Glühwürmchen. Alles bleibt ruhig.
Der neue Tag bringt frischen Wind aus NE, wie erwartet. Am frühen Nachmittag gehen wir Anker auf. Kurs Süd, direkt auf »Selvagem Grande« zu, die »Große Wilde«, 160 Meilen südlich von Madeira gelegen. William Kidd soll hier um 1700 herum den Schatz der Kathedrale von Lima vergraben haben… Das klingt gut. Nur unter Genua läuft die »VERA«, immer mehr als 7, häufig über 8 Knoten, sicher zu viel für den Finnen. Heller Mondschein in der Nacht, jagende Wolken, hohe See. Noch 40 Meilen, Peilung rechtweisend 192 Grad. ETA vor 10.00… Wir sind schnell, zu schnell. Riffverseuchten Gewässer wie die »Selvagens« nimmt man besser bei hoch stehender Sonne in Angriff nehmen. Mit polarisierten Sonnenbrillen sieht man dann gefährliche Felsen, zumindest wenn das Wasser klar ist. »Enseada das Cagarras«, die einzige halbwegs vor dem vorherrschenden NO geschützte Bucht von »Selvagem Grande«. Sie ist leer, aber oben auf den Klippen steht das Haus der Nationalparkwächter. Per UKW Funk melden wir uns an und erhalten die Erlaubnis zu ankern. Harter, steiniger Grund, aber was soll‘s. Anker mit Tripleine, wie im Führer empfohlen, 12m Tiefe. Ein Tauchgang zur Prüfung zeigt, das er da irgendwie liegt und irgendwie hält. Das reicht erstmal. Zwei fette, neugierige Mondfische beobachten mich dabei und versuchen, an meinen Flossen zu nagen.
Bald nach uns läuft ein französisches Boot ein, die »Arwen« mit einem jungen Paar an Bord. Durch Lauschen am UKW erahnen wir, das beide recht gut Englisch sprechen. Ungewöhnlich für Franzosen und interessant, da wir bisher kaum jüngere Segler getroffen haben. Die Einwohner von »Selvagem Grande« (2 x Nationalpark, 2 x Portugiesische Grenzpolizei) haben uns gemeinsam für den nächsten Tag zu einer Führung an Land eingeladen… Wir dinieren in Ruhe an diesem wilden Platz und genießen die Szene. Steile Wände, Basalt, von roten Adern durchzogen, aus einer Zeit, in der die Welt noch h… Dazu passend: Die Rufe von tausend jagenden Seevögeln, die sich oft anhören wie Kinderstimmen. Biss‘l unheimlich.
Ein neuer Tag. Wir holen die beiden jungen Franzosen von der »Arwen« ab und versuchen in hohem Schwell, an der grob betonierten Rampe der Nationalparksstation zu landen. Dank professioneller Hilfe und eines dort montierten, ausgeklügelten Seilzugsystems gelingt es, und wir können »Bounce« (unser Beiboot) sicher inmitten eines Whirlpools inmitten von gezackten Felsen parken. Der Chef stellt sein aktuelles Team, den feinen Hund mit »Selvagem« und sich mit Nelson vor und erklärt uns das Procedere: Aufstieg zum Plateau der Insel, Besichtigung der Brutkolonien der hier beheimateten Sturmtaucherarten (Röhrennasen) mit zahllosen flauschigen Küken, Wanderung zum höchsten Punkt, wo der Leuchtturm steht. In fließendem Englisch bietet uns Nelson äußerst interessante Einblicke in die endemische Fauna, die Ornithologie und Geologie der Insel und natürlich auch zu Captain Kidd (nix gefunden bisher…). Der Blick über das knochentrockene Plateau ist spektakulär. So muss der Mars ungefähr aussehen. Kein Mensch, soweit das Auge reicht. Nach dem informativen Teil wollen wir schon zurück an Bord, aber dann stehen plötzlich Kekskuchen, Erdnüsse und eine Flasche Madeira auf dem Tisch der großen Veranda am Rangerhaus. Ein großes internationales Palaver beginnt. Die beiden Grenzpolizisten agieren erst seit kurzem hier vor Ort, um Portugals territoriale Ansprüche gegenüber Spanien durchzusetzen. Vordergründig will man vor allem illegales Fischen unterbinden. Im Endeffekt geht es aber um die 200 Meilen Zone um die Inseln, die Portugal nominell zu einem der flächenmäßig größten Länder der Erde machen würde und unendlich reich. Man vermutet hier überall Gas und Öl und vieles mehr. Natürlich erreichen die Gespräche auch Wolfgang Schäuble, Frau Merkel und die EU. Dies führt direkt zu ein paar Gläschen selbstgerührtem, traditionellen »Ponché« und einer formellen Einladung zum Grillen am Abend. Das ist unerwartet und macht Freude, wenn nur der Gedanke an die haarsträubende Anlandesituation nicht wäre… Den Nachmittag verbringen wir mit den Franzosen auf unseren Booten, dann setzen wir gemeinsam erneut über.
Bei tiefer Ebbe und haarsträubendem Surf gelingt es wieder nur knapp, ohne größere Schäden an Land zu gelangen. Dies stellt sich als gut heraus, denn der Grill raucht und ein Haufen Frischfleisch liegt mariniert bereit. Wir können nichts tun, als auf der Veranda zu sitzen und kalte Biere zu trinken, dazu als »Amuse Gueule« frisch gebackenes Brot und die von den Franzosen selbst hergestellte »Foie Gras«. Es gibt schlimmeres. Das entspannte Gelage macht Spaß und bringt Einsichten und Interna, die wir hier wohl nur erfahren, weil das Rangerteam in der aktuellen Besetzung erst seit fünf Tagen zusammenarbeitet. Vor allem die beiden Polizisten kennen Yachten und ihre Besatzung bisher nur aus der Drogenfahndung. Einer der beiden hat gerade kürzlich 300kg Kokain an Bord einer niederländischen »Bénéteau« entdeckt, die aus der Karibik kam… So machen wir ein wenig »gut Wetter« und erzählen von fernen Küsten, seltsamen Bräuchen und großen Abenteuern. Das schreit dann geradezu nach einem neuen Krug »Ponché«. Hier das Rezept: In einen großen Krug zwei Finger hoch Honig hineinkleckern, dazu den Saft von je zwei großen Zitronen und Orangen und ordentlich Eis. Sodann großzügig mit Zuckerrohrschnaps (auch Rum genannt) auffüllen. Abschließend mit einem speziellen Holzquirl, der aussieht wie ein doppelter Morgenstern, und einer sehr schwer zu erlernenden Technik aufschlagen… das dieses Getränk etwas taugt ist klar. Als Problem ließe sich jetzt die Qualität der Konversation benennen, die im Verlaufe des Abends allmählich den Bach hinunter geht, aber dennoch lehrreich bleibt. Genaueres erspare ich Euch hier, Ihr versteht schon. Am Ende sind wir froh, fast trocken, unverletzt und ohne Schäden in unsere Koje an Bord der »VERA« zu steigen. Danke an dieser Stelle an das gesamte, äußerst sympathische Team auf »Selvagem Grande«. Wir werden Euch nicht vergessen.
Der Morgen kommt, erfreulich, ohne Kater, dafür mit sanften 10 - 12kn Wind aus NE, gerade recht, um hoch am Wind, ganz ohne üble Prügelei Kurs auf die Nordspitze von Lanzarote zu nehmen, wo wir von früher her einen absoluten Traumplatz kennen: Die »Playa Francesa« auf der vorgelagerten Insel »La Graciosa«. Knapp 140 Meilen SE von »Selvagem Grande«.
Mit herzlichen Grüßen an Alle von B und M / SY VERA / Selvagem Grande / Portugal
1 - »Deserta Grande«, Ankerplatz

2 - »Deserta Grande«, Munterer Seelöwe

3 - »Selvagem Grande«, Ansteuerung

4 - »Selvagem Grande«, »Bounce« im Whirlpool

5 - »Selvagem Grande«, beinahe der Mars

6 - »Selvagem Grande«, endemischer Einwohner

7 - »Selvagem Grande«, »VERA« und »ARWEN«

007 - MADEIRA
11/09/16 00:00
Hallo Ihr Lieben!
Quinta do Lorde Marina, Madeira. Sauber, sicher, professionell freundliches Personal. Angebunden an ein großes Resorthotel im romantischen Disney Stil »a lá Porto Cervo«. Wenig Infrastruktur. So weit so gut. In der quirligeren Hauptstadt Funchal hätten wir ohnehin nicht liegen können, wegen der gerade anstehenden Regatta… Der Vorteil: Es ist ruhig hier.
Gleich am ersten Tag begehen wir den Fehler, einen der großartigsten Wanderwege Madeiras (3,5 Stunden, Prädikat mittelschwer) unter die Füße zu nehmen. Um die Glieder zu strecken. Und weil der Einstieg nur einen Kilometer von »unserer« Marina entfernt liegt. Wir finden dort einen großen Parkplatz vor, voll mit Kleinwagen im derzeit aktuellen »on steroids« Design. Sollten die etwa alle… Die Hoffnung das das alles Badegäste sind, bewahrheitet sich nicht. Wanderer. Es sind viele. Jung und Alt, überwiegend kilimanjaromäßig ausgerüstet: »Goretex« Stiefel, Skistöcke, »Camel back« Rucksack mit Vollverschlauchung, Tropenhut, »Hero 4« am »Stick«, dazu die überlange Brennweite am Gürtel. Auf dem teilweise mit Stahlseilen versicherten, schmalen Klettersteig zum nordöstlichen Ende der Insel klettern wir auf und nieder, neben, über und hintereinander her. Peinlich: Auf dem Rückweg wird mir (M) vermutlich wegen der Hitze (Mittagssonne auf schwarzem Basalt) ständig schwarz vor Augen. Ich fühle mich elend und muss an den Anstiegen jede Oma vorbeilassen. Das ist Mist und macht keinen Spaß. B nimmt‘s gelassen und trägt mich nach Hause.
Versuchen wir es mal mit Funchal. Per Bus. Der Hafen- und Marina Rundgang ist Pflicht. Wenige Boote hier, wegen der besagten Regatta. Ab nächsten Montag wäre Platz, aber dann sind wir wohl wieder auf See. Die Altstadt glänzt mit Prachtbauten und dem Charme vergangener Jahrhunderte. Zahllose nett aussehende kleine Läden, Café‘s und Restaurants, so wie es beinahe jeder mag. Aufstieg zum botanischen Garten. Steil bergan, über winzige Gassen und Treppenanlagen. Wieder in der Mittagshitze, aber diesmal ohne Probleme. Das bessert die Laune. Der Garten gefällt uns, trotz der kürzlich entstandenen Waldbrandschäden. Ein angeschlossenes kleines Museum ist leer und zieht uns an. Eine charmante viktorianische Villa in gutem Erhaltungszustand, vollgestopft mit sorgfältig katalogisierten Naturkundedevotionalien, vom kleinen Schneckenfossil bis zum ausgestopften Hammerhai, dazu leise Musik von Lisa Gerrard… Bin sonst kein Fan von aufgespießten Schmetterlingen, aber: Hier erahnt man, was wir gerade den frühen Protagonisten der Aufklärung verdanken. Alles.
Für die nächsten Tage haben wir ein Auto gemietet. Fiat Panda, im Pandabärendesign, mit kraftvoller 1,2 Liter Maschine. Ich bin heiß darauf, mal wieder ordentlich aufs Gas zu steigen, nach 6 Monaten Abstinenz. Also rund um die Insel, oder so… In den nächsten Tagen bringen wir es auf gute 600 Kilometer »on the road«. In vielem ähneln die durchfahrenen Landschaften jenen, die wir von früher her kennen. Ein Hauch Neuseeland, eine Prise Kalimantan. Oder eher Grenada? Hier wie dort hatten sie es mit Sklaven, Zuckerrohr, und später mit Rum. Das Klima ganz ähnlich. Knapp bemessenes Bauland, dichtest besiedelt. Vieles ziemlich kaputt, anderes liebevoll unterhalten und gepflegt. Gerade manch sorgfältig angelegter und unterhaltener Garten zeugt von einem konsequenten Rückzug ins private, der sympathisch wirkt und ein wenig melancholisch. Cristóbal Colón lebte lange auf Madeira, war hier verheiratet. Hiesige Seeleute sollen ihm den Tip gegeben haben, es mal im Westen zu probieren. Viel Charakter hier, seit langer Zeit.
Wir probieren es mit einem Wanderweg, entlang den weltberühmten Bewässerungskanälen oben in den Hochmooren, trotz des dichten Nebels. Der Parkplatz ist natürlich brechend voll. Die Bewegung tut gut, aber die Sehnsucht nach einem einsamen Ankerplatz wächst mit jedem Schritt. Als wir das erste mal zum vielgerühmten Lorbeerwald Laurisilva (UNESCO Weltnaturerbe seit 1999) vordringen bringen wir es nicht fertig auszusteigen. 33 Reisebusse stehen in langen Schlangen vor dem Einstieg. Keine Frage: Die Naturschutzgebiete und Wanderwege hier werden vorbildlich unterhalten und markiert. Jede unsichere Stelle ist versichert und mit Geländern versehen. Ein Wald von Hinweis- und Lehrschilder hilft überall bei der Orientierung, wie in Neuseeland. Es gibt reichlich Schutzhütten und Unterstände und selbstverständlich »augmented reality« für »iOS« und »Android«. Schon toll. Und dennoch: Der Gedanke wie ich mit Freund Karsten um 1985 auf Korsika anlässlich einer ausgedehnten Bergwanderung beinahe verdurstet wäre… Oh Mann, war die Welt damals wild und gefährlich.
Fazit Madeira: Dominiert vom Fremdenverkehr, ziemlich zubetoniert, durchaus mit Aroma hier und da. Sehenswert: Funchal, die Südwestküste, der Bergwald. Uns reicht das. Segel hoch und weg. Irgendwo ankern, wo uns niemand sieht. Die geheimnisvollen, unbewohnten Ilhas Desertas und Ilhas Selvagens liegen auf dem Weg nach Lanzarote. Vielleicht gelingt es uns, diese in Augenschein zu nehmen.
Mit herzlichen Grüßen an Alle von B und M / SY VERA / Quinta do Lorde Marina / Madeira / Portugal
1 - Die Marina Quinta do Lorde

2 - Kilimandjaro gear

3 - Markenbewusste Taxifahrer. Funchal

4 - Blick nach Mittelamerika

Quinta do Lorde Marina, Madeira. Sauber, sicher, professionell freundliches Personal. Angebunden an ein großes Resorthotel im romantischen Disney Stil »a lá Porto Cervo«. Wenig Infrastruktur. So weit so gut. In der quirligeren Hauptstadt Funchal hätten wir ohnehin nicht liegen können, wegen der gerade anstehenden Regatta… Der Vorteil: Es ist ruhig hier.
Gleich am ersten Tag begehen wir den Fehler, einen der großartigsten Wanderwege Madeiras (3,5 Stunden, Prädikat mittelschwer) unter die Füße zu nehmen. Um die Glieder zu strecken. Und weil der Einstieg nur einen Kilometer von »unserer« Marina entfernt liegt. Wir finden dort einen großen Parkplatz vor, voll mit Kleinwagen im derzeit aktuellen »on steroids« Design. Sollten die etwa alle… Die Hoffnung das das alles Badegäste sind, bewahrheitet sich nicht. Wanderer. Es sind viele. Jung und Alt, überwiegend kilimanjaromäßig ausgerüstet: »Goretex« Stiefel, Skistöcke, »Camel back« Rucksack mit Vollverschlauchung, Tropenhut, »Hero 4« am »Stick«, dazu die überlange Brennweite am Gürtel. Auf dem teilweise mit Stahlseilen versicherten, schmalen Klettersteig zum nordöstlichen Ende der Insel klettern wir auf und nieder, neben, über und hintereinander her. Peinlich: Auf dem Rückweg wird mir (M) vermutlich wegen der Hitze (Mittagssonne auf schwarzem Basalt) ständig schwarz vor Augen. Ich fühle mich elend und muss an den Anstiegen jede Oma vorbeilassen. Das ist Mist und macht keinen Spaß. B nimmt‘s gelassen und trägt mich nach Hause.
Versuchen wir es mal mit Funchal. Per Bus. Der Hafen- und Marina Rundgang ist Pflicht. Wenige Boote hier, wegen der besagten Regatta. Ab nächsten Montag wäre Platz, aber dann sind wir wohl wieder auf See. Die Altstadt glänzt mit Prachtbauten und dem Charme vergangener Jahrhunderte. Zahllose nett aussehende kleine Läden, Café‘s und Restaurants, so wie es beinahe jeder mag. Aufstieg zum botanischen Garten. Steil bergan, über winzige Gassen und Treppenanlagen. Wieder in der Mittagshitze, aber diesmal ohne Probleme. Das bessert die Laune. Der Garten gefällt uns, trotz der kürzlich entstandenen Waldbrandschäden. Ein angeschlossenes kleines Museum ist leer und zieht uns an. Eine charmante viktorianische Villa in gutem Erhaltungszustand, vollgestopft mit sorgfältig katalogisierten Naturkundedevotionalien, vom kleinen Schneckenfossil bis zum ausgestopften Hammerhai, dazu leise Musik von Lisa Gerrard… Bin sonst kein Fan von aufgespießten Schmetterlingen, aber: Hier erahnt man, was wir gerade den frühen Protagonisten der Aufklärung verdanken. Alles.
Für die nächsten Tage haben wir ein Auto gemietet. Fiat Panda, im Pandabärendesign, mit kraftvoller 1,2 Liter Maschine. Ich bin heiß darauf, mal wieder ordentlich aufs Gas zu steigen, nach 6 Monaten Abstinenz. Also rund um die Insel, oder so… In den nächsten Tagen bringen wir es auf gute 600 Kilometer »on the road«. In vielem ähneln die durchfahrenen Landschaften jenen, die wir von früher her kennen. Ein Hauch Neuseeland, eine Prise Kalimantan. Oder eher Grenada? Hier wie dort hatten sie es mit Sklaven, Zuckerrohr, und später mit Rum. Das Klima ganz ähnlich. Knapp bemessenes Bauland, dichtest besiedelt. Vieles ziemlich kaputt, anderes liebevoll unterhalten und gepflegt. Gerade manch sorgfältig angelegter und unterhaltener Garten zeugt von einem konsequenten Rückzug ins private, der sympathisch wirkt und ein wenig melancholisch. Cristóbal Colón lebte lange auf Madeira, war hier verheiratet. Hiesige Seeleute sollen ihm den Tip gegeben haben, es mal im Westen zu probieren. Viel Charakter hier, seit langer Zeit.
Wir probieren es mit einem Wanderweg, entlang den weltberühmten Bewässerungskanälen oben in den Hochmooren, trotz des dichten Nebels. Der Parkplatz ist natürlich brechend voll. Die Bewegung tut gut, aber die Sehnsucht nach einem einsamen Ankerplatz wächst mit jedem Schritt. Als wir das erste mal zum vielgerühmten Lorbeerwald Laurisilva (UNESCO Weltnaturerbe seit 1999) vordringen bringen wir es nicht fertig auszusteigen. 33 Reisebusse stehen in langen Schlangen vor dem Einstieg. Keine Frage: Die Naturschutzgebiete und Wanderwege hier werden vorbildlich unterhalten und markiert. Jede unsichere Stelle ist versichert und mit Geländern versehen. Ein Wald von Hinweis- und Lehrschilder hilft überall bei der Orientierung, wie in Neuseeland. Es gibt reichlich Schutzhütten und Unterstände und selbstverständlich »augmented reality« für »iOS« und »Android«. Schon toll. Und dennoch: Der Gedanke wie ich mit Freund Karsten um 1985 auf Korsika anlässlich einer ausgedehnten Bergwanderung beinahe verdurstet wäre… Oh Mann, war die Welt damals wild und gefährlich.
Fazit Madeira: Dominiert vom Fremdenverkehr, ziemlich zubetoniert, durchaus mit Aroma hier und da. Sehenswert: Funchal, die Südwestküste, der Bergwald. Uns reicht das. Segel hoch und weg. Irgendwo ankern, wo uns niemand sieht. Die geheimnisvollen, unbewohnten Ilhas Desertas und Ilhas Selvagens liegen auf dem Weg nach Lanzarote. Vielleicht gelingt es uns, diese in Augenschein zu nehmen.
Mit herzlichen Grüßen an Alle von B und M / SY VERA / Quinta do Lorde Marina / Madeira / Portugal
1 - Die Marina Quinta do Lorde

2 - Kilimandjaro gear

3 - Markenbewusste Taxifahrer. Funchal

4 - Blick nach Mittelamerika
