SY VERA

Into the screaming 50th: A voyage to Tierra del Fuego and Cape Horn

020 - RUHE AUF LA GOMERA

Hallo Ihr Lieben!

Valle Gran Rey, La Gomera. Die VERA liegt, wieder einmal, südlich des kleinen Hafens der Ortschaft »Vueltas« vor dem
Meditationszentrum und wälzt sich zufrieden in der spürbaren, aber kaum störenden Dünung des Atlantik. Der Anker ist gut vergraben 15 Meter unter uns, in feinem, schwarzem Sand. Valle Gran Rey liegt auf der Leeseite La Gomera’s. Daher ist das Wetter anders als in Las Palmas auf Gran Canaria, sonniger, aber auch deutlich wärmer. Uns stört das nicht. Vor Anker hilft die Sonne beim Laden der Batteriebank und die Hitze lädt zum schwimmen ein. 23 Grad Wassertemperatur, immerhin, glasklar und viele Fische.

An Land ist nichts los. Nirgendwo Touristen. Fast alle Cafés, Läden und Restaurants haben geschlossen. Leider auch das »Cacatua«, wo es die tollen, großen Milchshakes gibt. Die Saison beginnt erst im Oktober. Merkwürdig, gerade weil das Wetter um diese Jahreszeit noch viel besser ist, als im Winter. Immerhin ist Mangosaison. Überall hängen die reifen, süßen Köstlichkeiten an den Mangobäumen, dicht an dicht.

Segler treffen wir auch keine mehr. An jedem Ankerplatz sind wir allein. Nicht einmal Charteryachten sind zu sehen. Saure Gurken Zeit? Wir finden das nicht. Dann genießen wir diesen Luxus eben ganz allein. Unser exklusiver Ankerplatz hier erinnert in vielem an »Hana Vave Bay« auf der Ostseite von Fatu Hiva in den Pazifischen Marquesas. Steile Felswände mit markanten Profilen, die an die Charakterköpfe der Altvorderen denken lassen, oder an Drachen, die im Wasser faulenzen. Warme Luft, Mangos und sattes Grün an Land, der Atem des Meeres, lang und ruhig.

Neben der unumgänglichen Haushaltsführung, kommen wir zu den ganzen kleinen Dingen, für die im letzten Jahr niemals Zeit war. Klare Gedanken fassen zum Beispiel. Auszoomen. Wir haben es geschafft. Wir leben an Bord. Wir haben die Leinen losgeschmissen. Ballast abgeworfen. Viel Ballast. Fast alles ist weg. Keine gut bezahlten Jobs mehr. Keinen Audi, keine Abos, keine Wohnung. Nur noch ein baufälliger Schuppen mit ein paar Sachen unter Plastikplanen. Falls der mal abbrennt wäre es nicht so schlimm. Schade um die Bücher und den alten Benz. Vielleicht.

Und nun? Endlich richtig aufräumen und alles seesicher verstauen. Ein Boot hat, verglichen mit einem Haus, sehr wenig Platz. Unser neues Leben zwingt uns, sämtliche Gegenstände hier auf ihre Notwendigkeit zu hinterfragen: Brauchen wir das Teil, oder nicht? Ist es uns wirklich wichtig, oder würden wir das Zeug schon nach kurzer Zeit nicht mehr vermissen? Je größer, schwerer oder komplexer ein Ding ist, desto mehr Zeit geht dafür drauf. Auspacken, einpacken, stauen, pflegen, putzen, oder reparieren, und das obwohl man das Teil vielleicht nicht einmal benutzt. Sachen, Sachen, Zeug und mehr Zeug! Alles weg? Die alte Regel, alles wegzuwerfen, was man seit einem Jahr nicht mehr angefasst hat, funktioniert an Bord jedenfalls nicht. Gutes Werkzeug wegwerfen? Das tut weh. Den feinen Tauchkompressor raus? Niemals! Die kleine Segelmachernähmaschine von Bord? Quatsch. Die Ersatzlichtmaschine wegwerfen? Besser nicht. Die Ersatzgenua? Dito. Die Ersatzankerkette? Das wäre in der Tat ein Befreiungsschlag. Aber andererseits? Was, wenn wir das Ankergeschirr mal kappen müssen, in einer finsteren, heulenden Nacht? Die vielen Rollen gutes Tauwerk einfach wegwerfen? Niemals! Die Tüte mit den Kevlarbändseln? Den alten Faserpelz? Meinen (M) alten Hut, den Herrn Hufflepuff? Kommt nicht in Frage. Und so weiter und so weiter, Ihr versteht schon.

Noch was? Doch: Endlich installieren wir unser »neues« Iridium Satellitentelephon, das wir vor Jahren mal günstig bei e-bay erworben haben. Wozu? Ein Satellitentelephon ist eine der wenigen Möglichkeiten, auch auf hoher See Wetterdaten empfangen zu können. Also los: Nach zwei Tagen hat das klobige Teil aus der Berufsschifffahrt (3f’s!) seinen Platz in der Naviecke, Strom, Erdung, Datenkabel und einen mit »N-Steckern« gelöteten Antennenanschluss, der in den 40er Jahren von der Firma »Bell« für die US Navy entwickelt wurde. Wenn jetzt nichts schief geht, und die software auf unserem Laptop tut was sie soll, dann sollte es auch funktionieren, sobald wir unsere SIM Karte und die Gesprächsminuten bezahlt haben… zumindest theoretisch. Wir halten Euch auf dem Laufenden.


Herzliche Grüße an Alle von B und M / SY VERA / Valle Gran Rey / La Gomera / Spanien



1 - Valle Gran Rey: »Unser« Meditationszentrum.
Meditationszentrum

2 - Valle Gran Rey: Mangosaison.
Mangos

3 - Las Palmas: Ein letztes Abendmahl im Fischrestaurant an der Playa Las Canteras.
Sonnenuntergang

4 - Ein allerletzter Blick aus den Bergen Gran Canarias auf den Pico del Teide auf Teneriffa.
Blick auf Teide

5 - Saure Gurken Zeit: Ein hübsches, leeres Lokal in Agaete, Gran Canaria.
Hübsches Lokal in Agaete

6 - Fast seeklar: VERA in der Marina Las Palmas.
VERA reisefertig

7 - Die raue Westküste Gran Canarias bleibt achteraus.
Gran Canaria achteraus

019 - HEIZUNGSBAU

Hallo Ihr Lieben!

Knapp zwei Monate Baustelle liegen hinter uns. ACHT Wochen! Ich (M) hatte mit vier Wochen kalkuliert. Maximal. Alle Schaps und Bilgen ausgeräumt, alle Bodenbretter raus, der Inhalt von Vor- und Achterpiek, Segel, Tauwerk und Ersatzteile lose auf Deck, und das für Wochen. Sämtliches Werkzeug in Gebrauch, 1000 Löcher gebohrt. Glasfaserstaub in jeder Ritze und in jeder Pore. Alles tut weh, besonders die Handgelenke (vom Kupferrohre biegen und vom Fittinge auf und zu schrauben). Kleine Wunden überall und hartnäckige schwarze Ränder unter den Fingernägeln. Keine Gitarre gespielt. Kohlemine. Der Horror. Aber nun ist sie drin: Die Eberspächer Hydronic 10 Warmwasserheizung, die wir vor Jahren mal günstig bei e-bay aus einem Wohnmobilunfall erstanden haben. Sie soll uns in Zukunft dabei helfen, längere Aufenthalte in höheren Breiten ein wenig behaglicher zu gestalten. Lange hatten wir das Projekt vor uns hergeschoben. Aus Angst.

Über »www.classicswan.org« haben wir einen sehr netten Briefkontakt mit Lars Ström, der über 30 Jahre lang technischer Direktor bei Nautor war (die berühmte finnische Werft in Pietarsaari, die unsere »VERA« im Jahre 1976 gebaut hat) und nun den verdienten Ruhestand genießt. Lars kann auch gut Deutsch. Vor einigen Monaten schrieb er uns folgende e-mail:

»Möchte zur Installation des Heizers beitragen, d.h. beschreiben wie es bei der Werft gemacht wird. Ein Rohrstück oberhalb des Heizers enthält folgendes:

- Temperaturanzeige
- Druckanzeige,  0.5 bis 1 bar empfohlen
- Überdruckventil, öffnet bei 2 bar
- Automatisches Entlüftungsventil
- Wasserauffüllung vom Druckwasser an Bord mit Rückschlag, und Absperrventil.
- Für kalte Verhältnisse sollte Glykol in den Heizungskreis eingemischt werden. Dieses darf aber auf keinen Fall ins Trinkwasser geraten.
- Entlüftungsmöglichkeit bei jedem Heizkörper. 
- Könnte auch an den Motor-Süsswasserkreislauf angeschlossen werden. Dabei jedoch sicherstellen dass der Motor zuerst Betriebstemperatur erreicht, bevor er zur Heizung beiträgt.«

Danke, Lars. Das war schon einmal lehrreich und ging weit über die Eberspächer Einbauanleitung hinaus. Für die Materialbeschaffung liefen wir bestimmt einige hundert Kilometer in Las Palmas auf und ab, vom Klempnerbedarf zum Hydraulikshop, von der Metallwerkstatt zum Baumarkt. Gefühlt verließ jeden Tag ein Hundert Euro Schein unsere Taschen, für eine kleine Tüte Material, ein paar Meter Heißwasserschlauch, oder ein paar Bohrmaschinen. Und das, obwohl wir die wirklich teuren Teile der Installation, die Kupferleitungen, den Kessel, die Heizkörper, das Ausgleichsgefäß und den Kabelbaum schon seit langem an Bord hatten…

Ein unglaublich arbeitstreibender Umstand war die Peripherie: Wenn man schon einmal irgendwo dran ist, dann sollte man doch gleich… Ein Beispiel: Wegen des neuen 100L Dieseltanks im Achterschiff (eigentlich für die Heizung gedacht) bauten wir gleich zwei Absperrhähne und lange Leitungen (Kupfer 8mm, Vor- und Rücklauf) durch die Bilge zur Hauptmaschine ein, damit man die 100 Liter auch verfahren kann und nicht verheizen muss. Und wenn man denn schon alle Dieselleitungen aufmacht, dann ist doch endlich der Moment gekommen, die neuen RACOR Doppeldieselfilter einzubauen? Zu breit? Na dann muss wohl zuerst die große Bilgenpumpe versetzt werden? Was? Die Edelstahlschrauben sind im Aluminiumfundament einkorrodiert? Eben mal rasch ausbohren… Dieselfilter? Wäre es nicht schön, wenn die Heizung auch einen hätte? Warum nicht den alten renovieren und dann dafür hernehmen? Das dauert keine zwei Tage, kopfüber, achtern in der Bilge. Noch eins? Klar: Der Heizkörper in unserer Schlafkajüte soll unter das Bett? Da fehlen doch zwei Zentimeter? Na dann ist jetzt wohl der Moment gekommen, unsere Koje endlich von 120 auf die ersehnten 140 cm zu verbreitern. Die eine Woche Schreinerei ist doch gar nichts, im Vergleich zu dem Luxus, der jetzt herrscht…

Nach sechs Wochen dann der erste Druck auf den AN Knopf. Gespannt warten wir, was passiert. Immerhin ist unsere Heizung gebraucht gekauft und das bedeutet meist nichts gutes… Die Umwälzpumpe springt an und die Dieselpumpe klickert. Und dann brüllt der Kessel los, wie ein feuerspeiender Drachen. 10KW machen sich voller Verve an die Wassererwärmung. Nach zwei Minuten ist der Auspuff glühend heiß. Rasch machen wir uns an die Entlüftung aller Heizkörper. Tatsächlich sind sie keine 10 Minuten später unangenehm heiß. Und dann: Aus. Systemfehler 52. Auf dem Eberspächer Display. Neustart bringt nichts. Wieder Fehler 52. Mist. MIST! Die Internet Recherche bringt wenig beruhigendes: Kann alles sein. Steuergerät im A…, Nebenluft im Kessel, dreckiger Sprit, kaputte Förderpumpe, kaputter Glühstift… MIST! Obermist. Und wie ich (M) da so ratlos am Navitisch sitze und grüble, da fällt mir etwas ein: Habe ich denn den Kraftstoffhahn aufgemacht, nachdem ich den RACOR Dieselfilter entlüftet hatte? Nein. Das wäre doch der Ansatz einer Erklärung? Also alles nochmal. Kraftstoffhahn auf, Heizung an. Kaum zu glauben, aber sie läuft, und läuft weiter, bis wir 40 Grad an Bord haben. Schon mal gut. Aber dann überschlagen sich die Schreckensmeldungen: Überall leckt es aus den Fittingen, den Absperrhähnen, den T - Stücken und den Schlauchtüllen, die wir sauber und mit dicken Lagen PTFE Band eingedichtet hatte. NEIN! NEIN! NEIN! Die einschlägigen Foren im Internet raten natürlich zu Hanf und Fermit bei Metallfittingen, trotz der Sauerei. Und ein Klempner schreibt über Totalidioten, die aus Faulheit mit PTFE dichten und dann Glykol in den Heißwasserkreislauf geben. Schließlich weiß doch jeder Trottel, das Glykol die Oberflächenspannung des Wassers so stark reduziert, das es immer durch Metallgewinde kapilarisiert, die mit PTFE Band gedichtet sind…

Also alles nochmal von vorn. Eine Woche hanfen und fermiten, mit dem Kopf in den Schapps und in den Bilgen, bis die Augen bluten. Dann ist alles dicht. Wir können aufatmen. Eine Wanderung unternehmen. Ins Museum gehen. Den hiesigen Helden bei der Vela Latina (historische Fischerboote mit dreieckigen Segeln) Regatta zusehen. Alte Freunde treffen. Auf den Fischmarkt gehen. Und endlich aufräumen. Und bunkern: Bald liegt die VERA so tief im Wasser, wie noch nie. Nahrungsmittel und Ausrüstung für eine unbestimmte Zeit in der Wildnis sind an Bord. 10 Ersatzsegel unterschiedlicher Größe liegen in der Segellast. Vier vollwertige Anker sind an Bord. Dazu Reservekette, rollenweise Tauwerk, Festmacher, Fallen und Trossen, Landleinen für Patagonien. Ersatzteile für alle wesentlichen Aggregate. 300 Liter Diesel, 400 Liter Wasser. Besonders beruhigend: Olivenöl, Earl Grey, Haferflocken und Zahnseide für mindestens zwei Jahre. Das fühlt sich gut an.

Die Wettervorhersage für nächste Woche sieht auch gut aus. Nordwind. Wir wollen raus. Endlich angekommen in unserem neuen Leben. Aufbrechen zu neuen Ufern. Europa im Kielwasser lassen. Die große Freiheit unter Segeln suchen. Vorher noch ein wenig urlauben, vor Anker in La Gomera. Wir halten Euch auf dem Laufenden.

Herzliche Grüße an Alle von B und M / SY VERA / Muelle deportivo Las Palmas / Gran Canaria / Spanien


1 - »Frühstück«, jeden Nachmittag gegen vier: Zum Glück gibt es selbst dann noch Croissants am Las Canteras Strand
Las Canteras

2 - Baustelle Dieselfilter
Montage Filter

3 - Baustelle Heizung: Aufhängung, Abgasauslass
Heizung 1

4 - Baustelle Heizung: Acht Wochen Chaos an Bord, Kabelbaum und Bedienpaneele, Kesselgruppe
Heizung 2

5 - Eine Wanderung beruhigt die Nerven
Pico

6 - B am Ruder einer Northrop SF-5A, Museo Elder, Las Palmas
Jetplane

7 - Vela Latina Regatta, Puerto de la luz, Las Palmas
Vela Latina

8 - Fischmarkt in Las Palmas
Fisch