September 2016
009 - LA GRACIOSA / AT THE CROSSROADS
26/09/16 00:00 Canary Islands
Hallo Ihr Lieben!
»La Graciosa«, eine kleine Vulkaninsel, vorgelagert an der Nordspitze Lanzarotes, spektakuläre Schönheit. Hier, wie auf Madeira, treffen um diese Jahreszeit die Blauwasserboote und ihre Crews aufeinander. Praktisch jeder muss hier vorbei, egal wo er herkommt, oder wohin er will, »The crossroads« sozusagen. Unser Anker fällt im Morgengrauen des 19. September, sechs Stunden vor der »ARWEN« an der »Playa Francesa«. Gleich vor uns liegt der Finne, ist wohl schon ein paar Tage hier. Die zurückliegende Nacht war nicht der wahre Jakob. Mussten per Hand steuern, fanden kaum Schlaf. Diesmal hat es das äußere Ritzel im Planetengetriebe unseres Autopilotenantriebes zerrissen. Es konnte wohl nicht so recht mit den neuen Metallzahnrädchen, die ich (M) westlich von Gibraltar auf See verbaut hatte…
»Playa Francesa«, im Rückblick ein Traum. Damals, im Jahre 2006, eine Handvoll Boote. Feuer am Strand, selbst gefangener Fisch auf dem Grill, neue Freunde für‘s Leben… Eine psychologische Besonderheit ist der überwältigende »sense of achievement«, den alle Neuankömmlinge verspüren, die damit verbundene Euphorie. Man hat die Biskaya, die Westküste Portugals, oder die mörderischen Passage durch die Säulen des Herkules überlebt und die ersten wirklich großen Atlantikwellen gesehen. Das macht stolz und gesprächig. Der Finne kommt herbei gerudert und schenkt uns eine große Spritze, mit der man sich einen Einlauf, oder einen Ölwechsel machen kann. Dann geht er Anker auf und segelt gen Südwesten. Eigentlich gar nicht so unrecht, dieser Finne.
Den ersten Tag verbringen wir an Bord. Feuer machen am Strand ist heutzutage verboten. »La Graciosa« ist schließlich ein streng geschützter Nationalpark. Dafür gibt es jetzt monströse Ausflugskatamarane, die lastwagenladungsweise Erholungsuchende auf die »Playa Francesa« rotzen… Nun denn. Ein neuer Tag. Wir bringen »Bounce« zu Wasser und fahren um die Ecke nach »Caleta del Sebo«, dem Hauptort der Insel. Eine Handvoll weiß getünchter Häuser drängt sich um ein kleines, aber gut geschütztes Hafenbecken. Hier gibt es alles: Café, Emparedado‘s, zwei Minimärkte, Wifi, Mülltonnen und einen Hafenmeister. Beim Wifi treffen sich alle, und im Nu sind wir für den Abend zum Aperitif eingeladen, auf einem der französischen Boote… Eilig brechen wir zu einem ausgedehnten Spaziergang auf, immer entlang der Ostküste, nach »Pedro Barba«, der einzigen anderen Siedlung auf »La Graciosa«, die einst von dem Abenteurer Pedro Barba als Hauptstadt gegründet wurde, nachdem er sich selbst zum König der Kanarischen Inseln ausgerufen hatte. Und dieser Spaziergang ist immer noch ein Traum. Niemand da, die Farben prächtig, ocker, braun und rot, die markanten Vulkankegel gegen den dunkelblauen Himmel, das tiefstblaue Meer vor einer markanten schwarzen Wand, der senkrechten Nordwestküste Lanzarotes, zum Greifen nah.
Könnten wir hier leben? »La Graciosa« bietet viel: EU, gewaltige Natur, Leere, Wildnis, einfache, weiße würfelige Häuschen, direkt am Ufer. Mit einem schnellen RIB wäre man in einer guten Stunde in Arrecife, der Hauptstadt von Lanzarote. Hier windgeschützt auf der Veranda sitzen, mit einem Krug Ziegenmilch und einem guten Buch? Auf’s Meer starren und auf die schwarze Wand? Jeden Tag schnorcheln, Gitarren bauen, See Kajaks, oder Schiffsmodelle? »Land Art« vielleicht? Im Trockenen leben, ganz ohne Schaukelei? Lebensentwürfe gibt es viele, aber welcher mag der richtige sein? »BOUNCE« gleitet bei Halbgas leichtfüßig zurück zur »Playa Francesa«. Dort liegt die »VERA«, hellblau, zwischen zehn anderen Booten. Sie kann uns nach Patagonien bringen, und vielleicht weiter, in die Südsee, oder nach Alaska. Erleichtert klettern wir an Bord.
Aperitif auf einer kleineren »Bavaria« unter der Tricolore, ein Raumwunder. Selbst 16 Franzosen und 4 Deutschen im Cockpit bringen sie nicht zum sinken. Jede Menge Ti-Punsch und feine Häppchen mit Enten Rillette rutschen gut. Die Franzosen sprechen alle leidlich Englisch. Ein Wunder. Die jüngeren hier haben meist ein Jahr Zeit, zumeist möglich gemacht durch ein »Sabbatical« vom Arbeitgeber. Sie wollen in die Karibik und dann über die Ostküste der USA zurück nach Europe und auf dem Weg möglichst viel erleben. Ein Vorteil für ihre Karrieren, haben sie danach doch Initiative, körperliche und geistige Belastbarkeit, Organisationstalent, gute Nerven und Durchhaltevermögen bewiesen. In Deutschland wäre die berufliche Laufbahn dagegen hin. Man hätte sich als »Beach-Bum« und arbeitsunwilliger »Aussteigertyp« zu erkennen gegeben, der jegliche Expertise in seinem Fachgebiet eingebüßt hat… aber ich (M) schweife ab. Hier, an Bord der kleinen »Bavaria«, bahnen sich neue Blauwasserehen an. Die Crew der »ARWEN« z.B. verliebt sich unsterblich in ein anderes junges Paar, ungefähr gleich alt, auch noch keine Kinder, auch Surfer, auch aus Lorient in der Bretagne, dem einzigen Ort auf der Erde, wo man Ahnung von maritimer Kultur hat. Am nächsten Morgen sind sie zusammen weg, Kurs Südwest, hinter dem Finnen her… so ging es uns damals auch in 2006 mit den Crews der englischen »ROXI« und der australischen »STEAMY WINDOWS«. Heute tun wir uns schwerer, sind wir doch unbefristet unterwegs, wollen erst im März los, und dann nach Südamerika.
Die australische »SASSOON« läuft ein, direkt aus Gibraltar. Melinda und Dave wollen leider gleich weiter, in die Marina Rubicon im Süden Lanzarotes und dann zum Flughafen, zwei Monate Australien, Heimaturlaub. Traurig. Siggi, Tauchlehrerin und alte Freundin aus Marmaris in der Türkei ist auch sofort wieder weg. Sie segelt in einer hinreichend unwahrscheinlichen Konstellation mit ihrem ägyptischen Partner Umbarak auf der pfeilschnellen »X-Yacht« eines befreundeten Segelmachers aus Israel, Easy und seiner charmanten Ehefrau. Wir kämpften gegen Easy, in alten Tagen. 420er WM 1986 in Ancona, Wicky und Frey (gelber »Vogel Mayer« Spi) aus der Schweiz sensationell Weltmeister, vor den Israelis. Easy fuhr dort seine selbst genähten »Winning Way« Segel, im radikal neuen Radialschnitt. Lange her. Und doch reden wir über jedes Rennen, als ob es gestern war. Vielleicht sehen wir uns irgendwann? Tauchen im roten Meer von einem von Umbarak‘s Dive boats aus? Wenn Frieden wäre? Es wäre schön.
In den nächsten Tagen erwandern wir uns die Insel, von Nord nach Süd, von Ost nach West, am Meer entlang und über Vulkankegel, gelegentlich überholt von alten Landrovern voller Touristen und ihren Staubfahnen. Uns gefällt es. Eigentlich wollten wir bald nach Las Palmas auf Gran Canaria verlegen, um dort so einiges an der »VERA« zu basteln. Dem Ratschlag eines alten Freundes verdanken wir nun die Idee, uns im Oktober / November doch besser hier in der kleinen Marina von »Caleta del Sebo« einzugraben, zumindest bis die ARC (http://www.worldcruising.com) Las Palmas mit 300 Yachten gen Santa Lucia in der Karibik verlassen hat. Das wollen wir so machen. Und bis dahin? Mal sehen.
Mit herzlichen Grüßen an Alle von B und M / SY VERA / La Graciosa / Spanien
1 - »VERA« hinter der »ARWEN«

2 - Das vermaledeite Ritzel

3 - Die schwarze Wand

4 - Land Art?

5 - »VERA« und Artgenossen

6 - »BOUNCE« (weiß) und Artgenossen

7 - Als Autos noch Autos waren

8 - Die Route

»La Graciosa«, eine kleine Vulkaninsel, vorgelagert an der Nordspitze Lanzarotes, spektakuläre Schönheit. Hier, wie auf Madeira, treffen um diese Jahreszeit die Blauwasserboote und ihre Crews aufeinander. Praktisch jeder muss hier vorbei, egal wo er herkommt, oder wohin er will, »The crossroads« sozusagen. Unser Anker fällt im Morgengrauen des 19. September, sechs Stunden vor der »ARWEN« an der »Playa Francesa«. Gleich vor uns liegt der Finne, ist wohl schon ein paar Tage hier. Die zurückliegende Nacht war nicht der wahre Jakob. Mussten per Hand steuern, fanden kaum Schlaf. Diesmal hat es das äußere Ritzel im Planetengetriebe unseres Autopilotenantriebes zerrissen. Es konnte wohl nicht so recht mit den neuen Metallzahnrädchen, die ich (M) westlich von Gibraltar auf See verbaut hatte…
»Playa Francesa«, im Rückblick ein Traum. Damals, im Jahre 2006, eine Handvoll Boote. Feuer am Strand, selbst gefangener Fisch auf dem Grill, neue Freunde für‘s Leben… Eine psychologische Besonderheit ist der überwältigende »sense of achievement«, den alle Neuankömmlinge verspüren, die damit verbundene Euphorie. Man hat die Biskaya, die Westküste Portugals, oder die mörderischen Passage durch die Säulen des Herkules überlebt und die ersten wirklich großen Atlantikwellen gesehen. Das macht stolz und gesprächig. Der Finne kommt herbei gerudert und schenkt uns eine große Spritze, mit der man sich einen Einlauf, oder einen Ölwechsel machen kann. Dann geht er Anker auf und segelt gen Südwesten. Eigentlich gar nicht so unrecht, dieser Finne.
Den ersten Tag verbringen wir an Bord. Feuer machen am Strand ist heutzutage verboten. »La Graciosa« ist schließlich ein streng geschützter Nationalpark. Dafür gibt es jetzt monströse Ausflugskatamarane, die lastwagenladungsweise Erholungsuchende auf die »Playa Francesa« rotzen… Nun denn. Ein neuer Tag. Wir bringen »Bounce« zu Wasser und fahren um die Ecke nach »Caleta del Sebo«, dem Hauptort der Insel. Eine Handvoll weiß getünchter Häuser drängt sich um ein kleines, aber gut geschütztes Hafenbecken. Hier gibt es alles: Café, Emparedado‘s, zwei Minimärkte, Wifi, Mülltonnen und einen Hafenmeister. Beim Wifi treffen sich alle, und im Nu sind wir für den Abend zum Aperitif eingeladen, auf einem der französischen Boote… Eilig brechen wir zu einem ausgedehnten Spaziergang auf, immer entlang der Ostküste, nach »Pedro Barba«, der einzigen anderen Siedlung auf »La Graciosa«, die einst von dem Abenteurer Pedro Barba als Hauptstadt gegründet wurde, nachdem er sich selbst zum König der Kanarischen Inseln ausgerufen hatte. Und dieser Spaziergang ist immer noch ein Traum. Niemand da, die Farben prächtig, ocker, braun und rot, die markanten Vulkankegel gegen den dunkelblauen Himmel, das tiefstblaue Meer vor einer markanten schwarzen Wand, der senkrechten Nordwestküste Lanzarotes, zum Greifen nah.
Könnten wir hier leben? »La Graciosa« bietet viel: EU, gewaltige Natur, Leere, Wildnis, einfache, weiße würfelige Häuschen, direkt am Ufer. Mit einem schnellen RIB wäre man in einer guten Stunde in Arrecife, der Hauptstadt von Lanzarote. Hier windgeschützt auf der Veranda sitzen, mit einem Krug Ziegenmilch und einem guten Buch? Auf’s Meer starren und auf die schwarze Wand? Jeden Tag schnorcheln, Gitarren bauen, See Kajaks, oder Schiffsmodelle? »Land Art« vielleicht? Im Trockenen leben, ganz ohne Schaukelei? Lebensentwürfe gibt es viele, aber welcher mag der richtige sein? »BOUNCE« gleitet bei Halbgas leichtfüßig zurück zur »Playa Francesa«. Dort liegt die »VERA«, hellblau, zwischen zehn anderen Booten. Sie kann uns nach Patagonien bringen, und vielleicht weiter, in die Südsee, oder nach Alaska. Erleichtert klettern wir an Bord.
Aperitif auf einer kleineren »Bavaria« unter der Tricolore, ein Raumwunder. Selbst 16 Franzosen und 4 Deutschen im Cockpit bringen sie nicht zum sinken. Jede Menge Ti-Punsch und feine Häppchen mit Enten Rillette rutschen gut. Die Franzosen sprechen alle leidlich Englisch. Ein Wunder. Die jüngeren hier haben meist ein Jahr Zeit, zumeist möglich gemacht durch ein »Sabbatical« vom Arbeitgeber. Sie wollen in die Karibik und dann über die Ostküste der USA zurück nach Europe und auf dem Weg möglichst viel erleben. Ein Vorteil für ihre Karrieren, haben sie danach doch Initiative, körperliche und geistige Belastbarkeit, Organisationstalent, gute Nerven und Durchhaltevermögen bewiesen. In Deutschland wäre die berufliche Laufbahn dagegen hin. Man hätte sich als »Beach-Bum« und arbeitsunwilliger »Aussteigertyp« zu erkennen gegeben, der jegliche Expertise in seinem Fachgebiet eingebüßt hat… aber ich (M) schweife ab. Hier, an Bord der kleinen »Bavaria«, bahnen sich neue Blauwasserehen an. Die Crew der »ARWEN« z.B. verliebt sich unsterblich in ein anderes junges Paar, ungefähr gleich alt, auch noch keine Kinder, auch Surfer, auch aus Lorient in der Bretagne, dem einzigen Ort auf der Erde, wo man Ahnung von maritimer Kultur hat. Am nächsten Morgen sind sie zusammen weg, Kurs Südwest, hinter dem Finnen her… so ging es uns damals auch in 2006 mit den Crews der englischen »ROXI« und der australischen »STEAMY WINDOWS«. Heute tun wir uns schwerer, sind wir doch unbefristet unterwegs, wollen erst im März los, und dann nach Südamerika.
Die australische »SASSOON« läuft ein, direkt aus Gibraltar. Melinda und Dave wollen leider gleich weiter, in die Marina Rubicon im Süden Lanzarotes und dann zum Flughafen, zwei Monate Australien, Heimaturlaub. Traurig. Siggi, Tauchlehrerin und alte Freundin aus Marmaris in der Türkei ist auch sofort wieder weg. Sie segelt in einer hinreichend unwahrscheinlichen Konstellation mit ihrem ägyptischen Partner Umbarak auf der pfeilschnellen »X-Yacht« eines befreundeten Segelmachers aus Israel, Easy und seiner charmanten Ehefrau. Wir kämpften gegen Easy, in alten Tagen. 420er WM 1986 in Ancona, Wicky und Frey (gelber »Vogel Mayer« Spi) aus der Schweiz sensationell Weltmeister, vor den Israelis. Easy fuhr dort seine selbst genähten »Winning Way« Segel, im radikal neuen Radialschnitt. Lange her. Und doch reden wir über jedes Rennen, als ob es gestern war. Vielleicht sehen wir uns irgendwann? Tauchen im roten Meer von einem von Umbarak‘s Dive boats aus? Wenn Frieden wäre? Es wäre schön.
In den nächsten Tagen erwandern wir uns die Insel, von Nord nach Süd, von Ost nach West, am Meer entlang und über Vulkankegel, gelegentlich überholt von alten Landrovern voller Touristen und ihren Staubfahnen. Uns gefällt es. Eigentlich wollten wir bald nach Las Palmas auf Gran Canaria verlegen, um dort so einiges an der »VERA« zu basteln. Dem Ratschlag eines alten Freundes verdanken wir nun die Idee, uns im Oktober / November doch besser hier in der kleinen Marina von »Caleta del Sebo« einzugraben, zumindest bis die ARC (http://www.worldcruising.com) Las Palmas mit 300 Yachten gen Santa Lucia in der Karibik verlassen hat. Das wollen wir so machen. Und bis dahin? Mal sehen.
Mit herzlichen Grüßen an Alle von B und M / SY VERA / La Graciosa / Spanien
1 - »VERA« hinter der »ARWEN«

2 - Das vermaledeite Ritzel

3 - Die schwarze Wand

4 - Land Art?

5 - »VERA« und Artgenossen

6 - »BOUNCE« (weiß) und Artgenossen

7 - Als Autos noch Autos waren

8 - Die Route

008 - DESERTA UND SELVAGEM GRANDE
19/09/16 00:00 Madeira
Hallo Ihr Lieben!
Unsere Suche nach Einsamkeit beginnt gut. Die »Enseada d‘Abra«, eine der wenigen sicheren Ankerbuchten Madeira‘s liegt wenige Meilen östlich der Marina »Quinta do Lorde«. Steile Wände, Basalt, von roten Adern durchzogen, aus einer Zeit, in der die Welt noch heiß und zischend war. Kurzer Schnorcheltauchgang in glasklarem Wasser: Samtschwarzer, fein gerippelter, Sand bis zum Horizont, unser Anker sauber eingekuschelt.
Herrliche Nacht in Freiheit. Das Boot schaukelt hier viel glücklicher, als angebunden im Hafen, und auch die Festmacher knarren nicht. Der Morgen kommt mit Kälte und prasselnden Schauerböen. Während wir zum Tee in voller Montur im Cockpit sitzen, genießt das holländis
che Paar neben uns, auf einer trefflich hergerichtete »Hallberg Rassy 49« Ketsch, ihr knochentrockenes Deckshaus. Vermutlich haben die ihre Pyjamas an. Der Anblick lässt mich (M) wieder einmal über eine bequemere Nachfolgerin für die elegante, aber eher sportliche »VERA« sinnieren.
Nach dem Frühstück kommen immer mehr Boote herein. Am Ende sind es ein gutes Dutzend. Keine Charterboote, sondern Blauwasserfahrer, die sich um diese Jahreszeit in dieser Gegend einfinden. Ihr Ziel: Die Karibik, oder auch weiter. Sie kommen nicht aus aller Herren Länder, sondern aus Nordeuropa. Noch ist die neue Mittelschicht Chinas und Indiens nicht auf den Geschmack gekommen. Die Möglichkeit, selbstbestimmt und individuell zu leben will erst noch erkannt werden. So sind wir unter uns: England, Frankreich, Niederlande, Schweden, Dänemark, ein Finne. Tja, der Finne. Gleich kommt er angerudert, und ich (M) begehe den Fehler, ihn auf einen Tee einzuladen. Einhandsegler. Gescheiterte Ehe, Frau und kleine Tochter weg, spontane Entscheidung: Allein über den Atlantik, mit einem kleinen Regattaboot. Einsam, Anschluss suchend, Alkoholprobleme? Nach seinem dritten Besuch gehen wir Anker auf: »Ilha Deserta Grande«. Knapp 20 Meilen. Ein hochoffizielles Permit hierfür liegt auf dem Navitisch.
»Deserta Grande«: Der Ankerplatz ist richtig »rough«. Wenig Platz, spitzige Felsen im Wasser, aber mit etwas Glück platzieren wir das Eisen recht sinnvoll. Die langgestreckte Insel steht erhaben da. Steile Wände, Basalt, von roten Adern durchzogen, aus einer Zeit, in der… Landgang? Drei neben uns liegenden Ausflugsboote aus Funchal kotzen Menschenmassen an den kargen Ufersaum, wo eine Handvoll Parkranger zehnminütige Führungen zu Muschel- und Vogelkolonie abreißen. Das die noch Bock auf zusätzliche Kundschaft haben, können wir uns nicht vorstellen. So bleibt unser Dinghy an Deck. Dafür läuft unerwartet der Finne ein: Ein Permit hat er nicht, aber unsere wildromantische Idee, die »einsamen« Inseln hier draußen anzulaufen hat ihn bewogen, es ohne zu versuchen. Jetzt hängt er dreimal bei uns an der Reling und fragt detailliert nach unseren Plänen, sowie der an Bord befindlichen Elektronik… Tadellöser und Wolff. Der Abend vertreibt die Ausflugsboote. Nur ein paar Seelöwen bleiben und plantschen munter mit der »VERA«. Spektakuläre Vollmondnacht. Zum greifen nahe erheben sich tiefschwarz auf schwarz die Felsen des Inselrückens. Im Norden flimmern die Lichter Madeiras wie eine Wiese voller Glühwürmchen. Alles bleibt ruhig.
Der neue Tag bringt frischen Wind aus NE, wie erwartet. Am frühen Nachmittag gehen wir Anker auf. Kurs Süd, direkt auf »Selvagem Grande« zu, die »Große Wilde«, 160 Meilen südlich von Madeira gelegen. William Kidd soll hier um 1700 herum den Schatz der Kathedrale von Lima vergraben haben… Das klingt gut. Nur unter Genua läuft die »VERA«, immer mehr als 7, häufig über 8 Knoten, sicher zu viel für den Finnen. Heller Mondschein in der Nacht, jagende Wolken, hohe See. Noch 40 Meilen, Peilung rechtweisend 192 Grad. ETA vor 10.00… Wir sind schnell, zu schnell. Riffverseuchten Gewässer wie die »Selvagens« nimmt man besser bei hoch stehender Sonne in Angriff nehmen. Mit polarisierten Sonnenbrillen sieht man dann gefährliche Felsen, zumindest wenn das Wasser klar ist. »Enseada das Cagarras«, die einzige halbwegs vor dem vorherrschenden NO geschützte Bucht von »Selvagem Grande«. Sie ist leer, aber oben auf den Klippen steht das Haus der Nationalparkwächter. Per UKW Funk melden wir uns an und erhalten die Erlaubnis zu ankern. Harter, steiniger Grund, aber was soll‘s. Anker mit Tripleine, wie im Führer empfohlen, 12m Tiefe. Ein Tauchgang zur Prüfung zeigt, das er da irgendwie liegt und irgendwie hält. Das reicht erstmal. Zwei fette, neugierige Mondfische beobachten mich dabei und versuchen, an meinen Flossen zu nagen.
Bald nach uns läuft ein französisches Boot ein, die »Arwen« mit einem jungen Paar an Bord. Durch Lauschen am UKW erahnen wir, das beide recht gut Englisch sprechen. Ungewöhnlich für Franzosen und interessant, da wir bisher kaum jüngere Segler getroffen haben. Die Einwohner von »Selvagem Grande« (2 x Nationalpark, 2 x Portugiesische Grenzpolizei) haben uns gemeinsam für den nächsten Tag zu einer Führung an Land eingeladen… Wir dinieren in Ruhe an diesem wilden Platz und genießen die Szene. Steile Wände, Basalt, von roten Adern durchzogen, aus einer Zeit, in der die Welt noch h… Dazu passend: Die Rufe von tausend jagenden Seevögeln, die sich oft anhören wie Kinderstimmen. Biss‘l unheimlich.
Ein neuer Tag. Wir holen die beiden jungen Franzosen von der »Arwen« ab und versuchen in hohem Schwell, an der grob betonierten Rampe der Nationalparksstation zu landen. Dank professioneller Hilfe und eines dort montierten, ausgeklügelten Seilzugsystems gelingt es, und wir können »Bounce« (unser Beiboot) sicher inmitten eines Whirlpools inmitten von gezackten Felsen parken. Der Chef stellt sein aktuelles Team, den feinen Hund mit »Selvagem« und sich mit Nelson vor und erklärt uns das Procedere: Aufstieg zum Plateau der Insel, Besichtigung der Brutkolonien der hier beheimateten Sturmtaucherarten (Röhrennasen) mit zahllosen flauschigen Küken, Wanderung zum höchsten Punkt, wo der Leuchtturm steht. In fließendem Englisch bietet uns Nelson äußerst interessante Einblicke in die endemische Fauna, die Ornithologie und Geologie der Insel und natürlich auch zu Captain Kidd (nix gefunden bisher…). Der Blick über das knochentrockene Plateau ist spektakulär. So muss der Mars ungefähr aussehen. Kein Mensch, soweit das Auge reicht. Nach dem informativen Teil wollen wir schon zurück an Bord, aber dann stehen plötzlich Kekskuchen, Erdnüsse und eine Flasche Madeira auf dem Tisch der großen Veranda am Rangerhaus. Ein großes internationales Palaver beginnt. Die beiden Grenzpolizisten agieren erst seit kurzem hier vor Ort, um Portugals territoriale Ansprüche gegenüber Spanien durchzusetzen. Vordergründig will man vor allem illegales Fischen unterbinden. Im Endeffekt geht es aber um die 200 Meilen Zone um die Inseln, die Portugal nominell zu einem der flächenmäßig größten Länder der Erde machen würde und unendlich reich. Man vermutet hier überall Gas und Öl und vieles mehr. Natürlich erreichen die Gespräche auch Wolfgang Schäuble, Frau Merkel und die EU. Dies führt direkt zu ein paar Gläschen selbstgerührtem, traditionellen »Ponché« und einer formellen Einladung zum Grillen am Abend. Das ist unerwartet und macht Freude, wenn nur der Gedanke an die haarsträubende Anlandesituation nicht wäre… Den Nachmittag verbringen wir mit den Franzosen auf unseren Booten, dann setzen wir gemeinsam erneut über.
Bei tiefer Ebbe und haarsträubendem Surf gelingt es wieder nur knapp, ohne größere Schäden an Land zu gelangen. Dies stellt sich als gut heraus, denn der Grill raucht und ein Haufen Frischfleisch liegt mariniert bereit. Wir können nichts tun, als auf der Veranda zu sitzen und kalte Biere zu trinken, dazu als »Amuse Gueule« frisch gebackenes Brot und die von den Franzosen selbst hergestellte »Foie Gras«. Es gibt schlimmeres. Das entspannte Gelage macht Spaß und bringt Einsichten und Interna, die wir hier wohl nur erfahren, weil das Rangerteam in der aktuellen Besetzung erst seit fünf Tagen zusammenarbeitet. Vor allem die beiden Polizisten kennen Yachten und ihre Besatzung bisher nur aus der Drogenfahndung. Einer der beiden hat gerade kürzlich 300kg Kokain an Bord einer niederländischen »Bénéteau« entdeckt, die aus der Karibik kam… So machen wir ein wenig »gut Wetter« und erzählen von fernen Küsten, seltsamen Bräuchen und großen Abenteuern. Das schreit dann geradezu nach einem neuen Krug »Ponché«. Hier das Rezept: In einen großen Krug zwei Finger hoch Honig hineinkleckern, dazu den Saft von je zwei großen Zitronen und Orangen und ordentlich Eis. Sodann großzügig mit Zuckerrohrschnaps (auch Rum genannt) auffüllen. Abschließend mit einem speziellen Holzquirl, der aussieht wie ein doppelter Morgenstern, und einer sehr schwer zu erlernenden Technik aufschlagen… das dieses Getränk etwas taugt ist klar. Als Problem ließe sich jetzt die Qualität der Konversation benennen, die im Verlaufe des Abends allmählich den Bach hinunter geht, aber dennoch lehrreich bleibt. Genaueres erspare ich Euch hier, Ihr versteht schon. Am Ende sind wir froh, fast trocken, unverletzt und ohne Schäden in unsere Koje an Bord der »VERA« zu steigen. Danke an dieser Stelle an das gesamte, äußerst sympathische Team auf »Selvagem Grande«. Wir werden Euch nicht vergessen.
Der Morgen kommt, erfreulich, ohne Kater, dafür mit sanften 10 - 12kn Wind aus NE, gerade recht, um hoch am Wind, ganz ohne üble Prügelei Kurs auf die Nordspitze von Lanzarote zu nehmen, wo wir von früher her einen absoluten Traumplatz kennen: Die »Playa Francesa« auf der vorgelagerten Insel »La Graciosa«. Knapp 140 Meilen SE von »Selvagem Grande«.
Mit herzlichen Grüßen an Alle von B und M / SY VERA / Selvagem Grande / Portugal
1 - »Deserta Grande«, Ankerplatz

2 - »Deserta Grande«, Munterer Seelöwe

3 - »Selvagem Grande«, Ansteuerung

4 - »Selvagem Grande«, »Bounce« im Whirlpool

5 - »Selvagem Grande«, beinahe der Mars

6 - »Selvagem Grande«, endemischer Einwohner

7 - »Selvagem Grande«, »VERA« und »ARWEN«

Unsere Suche nach Einsamkeit beginnt gut. Die »Enseada d‘Abra«, eine der wenigen sicheren Ankerbuchten Madeira‘s liegt wenige Meilen östlich der Marina »Quinta do Lorde«. Steile Wände, Basalt, von roten Adern durchzogen, aus einer Zeit, in der die Welt noch heiß und zischend war. Kurzer Schnorcheltauchgang in glasklarem Wasser: Samtschwarzer, fein gerippelter, Sand bis zum Horizont, unser Anker sauber eingekuschelt.
Herrliche Nacht in Freiheit. Das Boot schaukelt hier viel glücklicher, als angebunden im Hafen, und auch die Festmacher knarren nicht. Der Morgen kommt mit Kälte und prasselnden Schauerböen. Während wir zum Tee in voller Montur im Cockpit sitzen, genießt das holländis
che Paar neben uns, auf einer trefflich hergerichtete »Hallberg Rassy 49« Ketsch, ihr knochentrockenes Deckshaus. Vermutlich haben die ihre Pyjamas an. Der Anblick lässt mich (M) wieder einmal über eine bequemere Nachfolgerin für die elegante, aber eher sportliche »VERA« sinnieren.
Nach dem Frühstück kommen immer mehr Boote herein. Am Ende sind es ein gutes Dutzend. Keine Charterboote, sondern Blauwasserfahrer, die sich um diese Jahreszeit in dieser Gegend einfinden. Ihr Ziel: Die Karibik, oder auch weiter. Sie kommen nicht aus aller Herren Länder, sondern aus Nordeuropa. Noch ist die neue Mittelschicht Chinas und Indiens nicht auf den Geschmack gekommen. Die Möglichkeit, selbstbestimmt und individuell zu leben will erst noch erkannt werden. So sind wir unter uns: England, Frankreich, Niederlande, Schweden, Dänemark, ein Finne. Tja, der Finne. Gleich kommt er angerudert, und ich (M) begehe den Fehler, ihn auf einen Tee einzuladen. Einhandsegler. Gescheiterte Ehe, Frau und kleine Tochter weg, spontane Entscheidung: Allein über den Atlantik, mit einem kleinen Regattaboot. Einsam, Anschluss suchend, Alkoholprobleme? Nach seinem dritten Besuch gehen wir Anker auf: »Ilha Deserta Grande«. Knapp 20 Meilen. Ein hochoffizielles Permit hierfür liegt auf dem Navitisch.
»Deserta Grande«: Der Ankerplatz ist richtig »rough«. Wenig Platz, spitzige Felsen im Wasser, aber mit etwas Glück platzieren wir das Eisen recht sinnvoll. Die langgestreckte Insel steht erhaben da. Steile Wände, Basalt, von roten Adern durchzogen, aus einer Zeit, in der… Landgang? Drei neben uns liegenden Ausflugsboote aus Funchal kotzen Menschenmassen an den kargen Ufersaum, wo eine Handvoll Parkranger zehnminütige Führungen zu Muschel- und Vogelkolonie abreißen. Das die noch Bock auf zusätzliche Kundschaft haben, können wir uns nicht vorstellen. So bleibt unser Dinghy an Deck. Dafür läuft unerwartet der Finne ein: Ein Permit hat er nicht, aber unsere wildromantische Idee, die »einsamen« Inseln hier draußen anzulaufen hat ihn bewogen, es ohne zu versuchen. Jetzt hängt er dreimal bei uns an der Reling und fragt detailliert nach unseren Plänen, sowie der an Bord befindlichen Elektronik… Tadellöser und Wolff. Der Abend vertreibt die Ausflugsboote. Nur ein paar Seelöwen bleiben und plantschen munter mit der »VERA«. Spektakuläre Vollmondnacht. Zum greifen nahe erheben sich tiefschwarz auf schwarz die Felsen des Inselrückens. Im Norden flimmern die Lichter Madeiras wie eine Wiese voller Glühwürmchen. Alles bleibt ruhig.
Der neue Tag bringt frischen Wind aus NE, wie erwartet. Am frühen Nachmittag gehen wir Anker auf. Kurs Süd, direkt auf »Selvagem Grande« zu, die »Große Wilde«, 160 Meilen südlich von Madeira gelegen. William Kidd soll hier um 1700 herum den Schatz der Kathedrale von Lima vergraben haben… Das klingt gut. Nur unter Genua läuft die »VERA«, immer mehr als 7, häufig über 8 Knoten, sicher zu viel für den Finnen. Heller Mondschein in der Nacht, jagende Wolken, hohe See. Noch 40 Meilen, Peilung rechtweisend 192 Grad. ETA vor 10.00… Wir sind schnell, zu schnell. Riffverseuchten Gewässer wie die »Selvagens« nimmt man besser bei hoch stehender Sonne in Angriff nehmen. Mit polarisierten Sonnenbrillen sieht man dann gefährliche Felsen, zumindest wenn das Wasser klar ist. »Enseada das Cagarras«, die einzige halbwegs vor dem vorherrschenden NO geschützte Bucht von »Selvagem Grande«. Sie ist leer, aber oben auf den Klippen steht das Haus der Nationalparkwächter. Per UKW Funk melden wir uns an und erhalten die Erlaubnis zu ankern. Harter, steiniger Grund, aber was soll‘s. Anker mit Tripleine, wie im Führer empfohlen, 12m Tiefe. Ein Tauchgang zur Prüfung zeigt, das er da irgendwie liegt und irgendwie hält. Das reicht erstmal. Zwei fette, neugierige Mondfische beobachten mich dabei und versuchen, an meinen Flossen zu nagen.
Bald nach uns läuft ein französisches Boot ein, die »Arwen« mit einem jungen Paar an Bord. Durch Lauschen am UKW erahnen wir, das beide recht gut Englisch sprechen. Ungewöhnlich für Franzosen und interessant, da wir bisher kaum jüngere Segler getroffen haben. Die Einwohner von »Selvagem Grande« (2 x Nationalpark, 2 x Portugiesische Grenzpolizei) haben uns gemeinsam für den nächsten Tag zu einer Führung an Land eingeladen… Wir dinieren in Ruhe an diesem wilden Platz und genießen die Szene. Steile Wände, Basalt, von roten Adern durchzogen, aus einer Zeit, in der die Welt noch h… Dazu passend: Die Rufe von tausend jagenden Seevögeln, die sich oft anhören wie Kinderstimmen. Biss‘l unheimlich.
Ein neuer Tag. Wir holen die beiden jungen Franzosen von der »Arwen« ab und versuchen in hohem Schwell, an der grob betonierten Rampe der Nationalparksstation zu landen. Dank professioneller Hilfe und eines dort montierten, ausgeklügelten Seilzugsystems gelingt es, und wir können »Bounce« (unser Beiboot) sicher inmitten eines Whirlpools inmitten von gezackten Felsen parken. Der Chef stellt sein aktuelles Team, den feinen Hund mit »Selvagem« und sich mit Nelson vor und erklärt uns das Procedere: Aufstieg zum Plateau der Insel, Besichtigung der Brutkolonien der hier beheimateten Sturmtaucherarten (Röhrennasen) mit zahllosen flauschigen Küken, Wanderung zum höchsten Punkt, wo der Leuchtturm steht. In fließendem Englisch bietet uns Nelson äußerst interessante Einblicke in die endemische Fauna, die Ornithologie und Geologie der Insel und natürlich auch zu Captain Kidd (nix gefunden bisher…). Der Blick über das knochentrockene Plateau ist spektakulär. So muss der Mars ungefähr aussehen. Kein Mensch, soweit das Auge reicht. Nach dem informativen Teil wollen wir schon zurück an Bord, aber dann stehen plötzlich Kekskuchen, Erdnüsse und eine Flasche Madeira auf dem Tisch der großen Veranda am Rangerhaus. Ein großes internationales Palaver beginnt. Die beiden Grenzpolizisten agieren erst seit kurzem hier vor Ort, um Portugals territoriale Ansprüche gegenüber Spanien durchzusetzen. Vordergründig will man vor allem illegales Fischen unterbinden. Im Endeffekt geht es aber um die 200 Meilen Zone um die Inseln, die Portugal nominell zu einem der flächenmäßig größten Länder der Erde machen würde und unendlich reich. Man vermutet hier überall Gas und Öl und vieles mehr. Natürlich erreichen die Gespräche auch Wolfgang Schäuble, Frau Merkel und die EU. Dies führt direkt zu ein paar Gläschen selbstgerührtem, traditionellen »Ponché« und einer formellen Einladung zum Grillen am Abend. Das ist unerwartet und macht Freude, wenn nur der Gedanke an die haarsträubende Anlandesituation nicht wäre… Den Nachmittag verbringen wir mit den Franzosen auf unseren Booten, dann setzen wir gemeinsam erneut über.
Bei tiefer Ebbe und haarsträubendem Surf gelingt es wieder nur knapp, ohne größere Schäden an Land zu gelangen. Dies stellt sich als gut heraus, denn der Grill raucht und ein Haufen Frischfleisch liegt mariniert bereit. Wir können nichts tun, als auf der Veranda zu sitzen und kalte Biere zu trinken, dazu als »Amuse Gueule« frisch gebackenes Brot und die von den Franzosen selbst hergestellte »Foie Gras«. Es gibt schlimmeres. Das entspannte Gelage macht Spaß und bringt Einsichten und Interna, die wir hier wohl nur erfahren, weil das Rangerteam in der aktuellen Besetzung erst seit fünf Tagen zusammenarbeitet. Vor allem die beiden Polizisten kennen Yachten und ihre Besatzung bisher nur aus der Drogenfahndung. Einer der beiden hat gerade kürzlich 300kg Kokain an Bord einer niederländischen »Bénéteau« entdeckt, die aus der Karibik kam… So machen wir ein wenig »gut Wetter« und erzählen von fernen Küsten, seltsamen Bräuchen und großen Abenteuern. Das schreit dann geradezu nach einem neuen Krug »Ponché«. Hier das Rezept: In einen großen Krug zwei Finger hoch Honig hineinkleckern, dazu den Saft von je zwei großen Zitronen und Orangen und ordentlich Eis. Sodann großzügig mit Zuckerrohrschnaps (auch Rum genannt) auffüllen. Abschließend mit einem speziellen Holzquirl, der aussieht wie ein doppelter Morgenstern, und einer sehr schwer zu erlernenden Technik aufschlagen… das dieses Getränk etwas taugt ist klar. Als Problem ließe sich jetzt die Qualität der Konversation benennen, die im Verlaufe des Abends allmählich den Bach hinunter geht, aber dennoch lehrreich bleibt. Genaueres erspare ich Euch hier, Ihr versteht schon. Am Ende sind wir froh, fast trocken, unverletzt und ohne Schäden in unsere Koje an Bord der »VERA« zu steigen. Danke an dieser Stelle an das gesamte, äußerst sympathische Team auf »Selvagem Grande«. Wir werden Euch nicht vergessen.
Der Morgen kommt, erfreulich, ohne Kater, dafür mit sanften 10 - 12kn Wind aus NE, gerade recht, um hoch am Wind, ganz ohne üble Prügelei Kurs auf die Nordspitze von Lanzarote zu nehmen, wo wir von früher her einen absoluten Traumplatz kennen: Die »Playa Francesa« auf der vorgelagerten Insel »La Graciosa«. Knapp 140 Meilen SE von »Selvagem Grande«.
Mit herzlichen Grüßen an Alle von B und M / SY VERA / Selvagem Grande / Portugal
1 - »Deserta Grande«, Ankerplatz

2 - »Deserta Grande«, Munterer Seelöwe

3 - »Selvagem Grande«, Ansteuerung

4 - »Selvagem Grande«, »Bounce« im Whirlpool

5 - »Selvagem Grande«, beinahe der Mars

6 - »Selvagem Grande«, endemischer Einwohner

7 - »Selvagem Grande«, »VERA« und »ARWEN«

007 - MADEIRA
11/09/16 00:00 Madeira
Hallo Ihr Lieben!
Quinta do Lorde Marina, Madeira. Sauber, sicher, professionell freundliches Personal. Angebunden an ein großes Resorthotel im romantischen Disney Stil »a lá Porto Cervo«. Wenig Infrastruktur. So weit so gut. In der quirligeren Hauptstadt Funchal hätten wir ohnehin nicht liegen können, wegen der gerade anstehenden Regatta… Der Vorteil: Es ist ruhig hier.
Gleich am ersten Tag begehen wir den Fehler, einen der großartigsten Wanderwege Madeiras (3,5 Stunden, Prädikat mittelschwer) unter die Füße zu nehmen. Um die Glieder zu strecken. Und weil der Einstieg nur einen Kilometer von »unserer« Marina entfernt liegt. Wir finden dort einen großen Parkplatz vor, voll mit Kleinwagen im derzeit aktuellen »on steroids« Design. Sollten die etwa alle… Die Hoffnung das das alles Badegäste sind, bewahrheitet sich nicht. Wanderer. Es sind viele. Jung und Alt, überwiegend kilimanjaromäßig ausgerüstet: »Goretex« Stiefel, Skistöcke, »Camel back« Rucksack mit Vollverschlauchung, Tropenhut, »Hero 4« am »Stick«, dazu die überlange Brennweite am Gürtel. Auf dem teilweise mit Stahlseilen versicherten, schmalen Klettersteig zum nordöstlichen Ende der Insel klettern wir auf und nieder, neben, über und hintereinander her. Peinlich: Auf dem Rückweg wird mir (M) vermutlich wegen der Hitze (Mittagssonne auf schwarzem Basalt) ständig schwarz vor Augen. Ich fühle mich elend und muss an den Anstiegen jede Oma vorbeilassen. Das ist Mist und macht keinen Spaß. B nimmt‘s gelassen und trägt mich nach Hause.
Versuchen wir es mal mit Funchal. Per Bus. Der Hafen- und Marina Rundgang ist Pflicht. Wenige Boote hier, wegen der besagten Regatta. Ab nächsten Montag wäre Platz, aber dann sind wir wohl wieder auf See. Die Altstadt glänzt mit Prachtbauten und dem Charme vergangener Jahrhunderte. Zahllose nett aussehende kleine Läden, Café‘s und Restaurants, so wie es beinahe jeder mag. Aufstieg zum botanischen Garten. Steil bergan, über winzige Gassen und Treppenanlagen. Wieder in der Mittagshitze, aber diesmal ohne Probleme. Das bessert die Laune. Der Garten gefällt uns, trotz der kürzlich entstandenen Waldbrandschäden. Ein angeschlossenes kleines Museum ist leer und zieht uns an. Eine charmante viktorianische Villa in gutem Erhaltungszustand, vollgestopft mit sorgfältig katalogisierten Naturkundedevotionalien, vom kleinen Schneckenfossil bis zum ausgestopften Hammerhai, dazu leise Musik von Lisa Gerrard… Bin sonst kein Fan von aufgespießten Schmetterlingen, aber: Hier erahnt man, was wir gerade den frühen Protagonisten der Aufklärung verdanken. Alles.
Für die nächsten Tage haben wir ein Auto gemietet. Fiat Panda, im Pandabärendesign, mit kraftvoller 1,2 Liter Maschine. Ich bin heiß darauf, mal wieder ordentlich aufs Gas zu steigen, nach 6 Monaten Abstinenz. Also rund um die Insel, oder so… In den nächsten Tagen bringen wir es auf gute 600 Kilometer »on the road«. In vielem ähneln die durchfahrenen Landschaften jenen, die wir von früher her kennen. Ein Hauch Neuseeland, eine Prise Kalimantan. Oder eher Grenada? Hier wie dort hatten sie es mit Sklaven, Zuckerrohr, und später mit Rum. Das Klima ganz ähnlich. Knapp bemessenes Bauland, dichtest besiedelt. Vieles ziemlich kaputt, anderes liebevoll unterhalten und gepflegt. Gerade manch sorgfältig angelegter und unterhaltener Garten zeugt von einem konsequenten Rückzug ins private, der sympathisch wirkt und ein wenig melancholisch. Cristóbal Colón lebte lange auf Madeira, war hier verheiratet. Hiesige Seeleute sollen ihm den Tip gegeben haben, es mal im Westen zu probieren. Viel Charakter hier, seit langer Zeit.
Wir probieren es mit einem Wanderweg, entlang den weltberühmten Bewässerungskanälen oben in den Hochmooren, trotz des dichten Nebels. Der Parkplatz ist natürlich brechend voll. Die Bewegung tut gut, aber die Sehnsucht nach einem einsamen Ankerplatz wächst mit jedem Schritt. Als wir das erste mal zum vielgerühmten Lorbeerwald Laurisilva (UNESCO Weltnaturerbe seit 1999) vordringen bringen wir es nicht fertig auszusteigen. 33 Reisebusse stehen in langen Schlangen vor dem Einstieg. Keine Frage: Die Naturschutzgebiete und Wanderwege hier werden vorbildlich unterhalten und markiert. Jede unsichere Stelle ist versichert und mit Geländern versehen. Ein Wald von Hinweis- und Lehrschilder hilft überall bei der Orientierung, wie in Neuseeland. Es gibt reichlich Schutzhütten und Unterstände und selbstverständlich »augmented reality« für »iOS« und »Android«. Schon toll. Und dennoch: Der Gedanke wie ich mit Freund Karsten um 1985 auf Korsika anlässlich einer ausgedehnten Bergwanderung beinahe verdurstet wäre… Oh Mann, war die Welt damals wild und gefährlich.
Fazit Madeira: Dominiert vom Fremdenverkehr, ziemlich zubetoniert, durchaus mit Aroma hier und da. Sehenswert: Funchal, die Südwestküste, der Bergwald. Uns reicht das. Segel hoch und weg. Irgendwo ankern, wo uns niemand sieht. Die geheimnisvollen, unbewohnten Ilhas Desertas und Ilhas Selvagens liegen auf dem Weg nach Lanzarote. Vielleicht gelingt es uns, diese in Augenschein zu nehmen.
Mit herzlichen Grüßen an Alle von B und M / SY VERA / Quinta do Lorde Marina / Madeira / Portugal
1 - Die Marina Quinta do Lorde

2 - Kilimandjaro gear

3 - Markenbewusste Taxifahrer. Funchal

4 - Blick nach Mittelamerika

Quinta do Lorde Marina, Madeira. Sauber, sicher, professionell freundliches Personal. Angebunden an ein großes Resorthotel im romantischen Disney Stil »a lá Porto Cervo«. Wenig Infrastruktur. So weit so gut. In der quirligeren Hauptstadt Funchal hätten wir ohnehin nicht liegen können, wegen der gerade anstehenden Regatta… Der Vorteil: Es ist ruhig hier.
Gleich am ersten Tag begehen wir den Fehler, einen der großartigsten Wanderwege Madeiras (3,5 Stunden, Prädikat mittelschwer) unter die Füße zu nehmen. Um die Glieder zu strecken. Und weil der Einstieg nur einen Kilometer von »unserer« Marina entfernt liegt. Wir finden dort einen großen Parkplatz vor, voll mit Kleinwagen im derzeit aktuellen »on steroids« Design. Sollten die etwa alle… Die Hoffnung das das alles Badegäste sind, bewahrheitet sich nicht. Wanderer. Es sind viele. Jung und Alt, überwiegend kilimanjaromäßig ausgerüstet: »Goretex« Stiefel, Skistöcke, »Camel back« Rucksack mit Vollverschlauchung, Tropenhut, »Hero 4« am »Stick«, dazu die überlange Brennweite am Gürtel. Auf dem teilweise mit Stahlseilen versicherten, schmalen Klettersteig zum nordöstlichen Ende der Insel klettern wir auf und nieder, neben, über und hintereinander her. Peinlich: Auf dem Rückweg wird mir (M) vermutlich wegen der Hitze (Mittagssonne auf schwarzem Basalt) ständig schwarz vor Augen. Ich fühle mich elend und muss an den Anstiegen jede Oma vorbeilassen. Das ist Mist und macht keinen Spaß. B nimmt‘s gelassen und trägt mich nach Hause.
Versuchen wir es mal mit Funchal. Per Bus. Der Hafen- und Marina Rundgang ist Pflicht. Wenige Boote hier, wegen der besagten Regatta. Ab nächsten Montag wäre Platz, aber dann sind wir wohl wieder auf See. Die Altstadt glänzt mit Prachtbauten und dem Charme vergangener Jahrhunderte. Zahllose nett aussehende kleine Läden, Café‘s und Restaurants, so wie es beinahe jeder mag. Aufstieg zum botanischen Garten. Steil bergan, über winzige Gassen und Treppenanlagen. Wieder in der Mittagshitze, aber diesmal ohne Probleme. Das bessert die Laune. Der Garten gefällt uns, trotz der kürzlich entstandenen Waldbrandschäden. Ein angeschlossenes kleines Museum ist leer und zieht uns an. Eine charmante viktorianische Villa in gutem Erhaltungszustand, vollgestopft mit sorgfältig katalogisierten Naturkundedevotionalien, vom kleinen Schneckenfossil bis zum ausgestopften Hammerhai, dazu leise Musik von Lisa Gerrard… Bin sonst kein Fan von aufgespießten Schmetterlingen, aber: Hier erahnt man, was wir gerade den frühen Protagonisten der Aufklärung verdanken. Alles.
Für die nächsten Tage haben wir ein Auto gemietet. Fiat Panda, im Pandabärendesign, mit kraftvoller 1,2 Liter Maschine. Ich bin heiß darauf, mal wieder ordentlich aufs Gas zu steigen, nach 6 Monaten Abstinenz. Also rund um die Insel, oder so… In den nächsten Tagen bringen wir es auf gute 600 Kilometer »on the road«. In vielem ähneln die durchfahrenen Landschaften jenen, die wir von früher her kennen. Ein Hauch Neuseeland, eine Prise Kalimantan. Oder eher Grenada? Hier wie dort hatten sie es mit Sklaven, Zuckerrohr, und später mit Rum. Das Klima ganz ähnlich. Knapp bemessenes Bauland, dichtest besiedelt. Vieles ziemlich kaputt, anderes liebevoll unterhalten und gepflegt. Gerade manch sorgfältig angelegter und unterhaltener Garten zeugt von einem konsequenten Rückzug ins private, der sympathisch wirkt und ein wenig melancholisch. Cristóbal Colón lebte lange auf Madeira, war hier verheiratet. Hiesige Seeleute sollen ihm den Tip gegeben haben, es mal im Westen zu probieren. Viel Charakter hier, seit langer Zeit.
Wir probieren es mit einem Wanderweg, entlang den weltberühmten Bewässerungskanälen oben in den Hochmooren, trotz des dichten Nebels. Der Parkplatz ist natürlich brechend voll. Die Bewegung tut gut, aber die Sehnsucht nach einem einsamen Ankerplatz wächst mit jedem Schritt. Als wir das erste mal zum vielgerühmten Lorbeerwald Laurisilva (UNESCO Weltnaturerbe seit 1999) vordringen bringen wir es nicht fertig auszusteigen. 33 Reisebusse stehen in langen Schlangen vor dem Einstieg. Keine Frage: Die Naturschutzgebiete und Wanderwege hier werden vorbildlich unterhalten und markiert. Jede unsichere Stelle ist versichert und mit Geländern versehen. Ein Wald von Hinweis- und Lehrschilder hilft überall bei der Orientierung, wie in Neuseeland. Es gibt reichlich Schutzhütten und Unterstände und selbstverständlich »augmented reality« für »iOS« und »Android«. Schon toll. Und dennoch: Der Gedanke wie ich mit Freund Karsten um 1985 auf Korsika anlässlich einer ausgedehnten Bergwanderung beinahe verdurstet wäre… Oh Mann, war die Welt damals wild und gefährlich.
Fazit Madeira: Dominiert vom Fremdenverkehr, ziemlich zubetoniert, durchaus mit Aroma hier und da. Sehenswert: Funchal, die Südwestküste, der Bergwald. Uns reicht das. Segel hoch und weg. Irgendwo ankern, wo uns niemand sieht. Die geheimnisvollen, unbewohnten Ilhas Desertas und Ilhas Selvagens liegen auf dem Weg nach Lanzarote. Vielleicht gelingt es uns, diese in Augenschein zu nehmen.
Mit herzlichen Grüßen an Alle von B und M / SY VERA / Quinta do Lorde Marina / Madeira / Portugal
1 - Die Marina Quinta do Lorde

2 - Kilimandjaro gear

3 - Markenbewusste Taxifahrer. Funchal

4 - Blick nach Mittelamerika

006 - VON GIBRALTAR NACH MADEIRA
02/09/16 00:00 Gibraltar
Liebe Freunde!
01.09.2016 - 08.30: Sobald die Sperrkette der Queensway Quay Marina offen ist, die ein Ein- oder Auslaufen in der Nacht verhindert, verlassen wir Gibraltar und laufen mit gemischten Gefühlen zunächst nur unter Genua in Richtung »Ende der Welt«. Vor vier Stunden war Hochwasser, also sind wir etwas spät dran. Das Wasser brodelt dann auch hier und dort wie in einem Hexenkessel, Wind gegen Strom. Kein Wunder, das die Altvorderen hier normalerweise nicht hindurch wollten, und schon gar nicht bei starkem Ostwind. Da gab es womöglich keine Wiederkehr…
Die »VERA« und ihre Crew dagegen passieren zwei Stunden später guten Mutes den Ausgang der Meerenge in den Atlantik und den Leuchtturm von Tarifa, den südlichsten Punkt des Europäischen Festlandes. Dahinter liegt der viele Kilometer lange Strand, und dahinter die urwüchsige Ortschaft, die womöglich schon zur Zeit der Neandertaler gegründet wurde. Hier war in den 70er den 80er Jahren der »place to be« für Stehsegler, und vielleicht ist er es heute noch. Wer irgend konnte kam ständig hierher, so auch mein (M‘s) Bruder Carsten, mit ein paar Freunden und seinem altersschwachen, mit »Fanatic« Aufklebern dekoriertem VW Bulli, der unter einem Stapel von »Sinkern« auf dem selbstgeschweißten Dachgepäckträger ächzte. Nur 14 km sind es von Tarifa nach Afrika. Manche Helden schafften es bei Starkwind in zwei Stunden hin und zurück. Heute ist niemand draußen, trotz des knackigen Ost. Wohl noch zu früh am Tag.
Wir messen inzwischen Ostwind mit 35kn über Deck, in Böen mehr, Beaufort 8. Der Seegang legt auch zu, zum Glück von achtern. Steuerbord querab liegt Kap Trafalgar, wo 1805 die Seeschlacht stattfand, die Großbritanniens Aufstieg zur Weltmacht möglich machte. Vor meinem »Hensoldt 7x50« liegen dort drüben in Sichtweite die beiden Geschwader ineinander verkeilt. 27 Englische gegen 33 Französische und Spanische »Sail of the line«, ein Wald von Masten und Segeln, der aus dem wabernden Pulverdampf ragt. Breitseiten rollen, wie Donner in einem schweren Gewitter. Keine 10 Meilen von hier durchschlug eine Musketenkugel Admiral Nelson‘s Schulter und Rückenmark… Just in diesem Augenblick hören auch wir das Knattern einer Salve, aber bei uns an Bord! Blitzschnell springt mein Admiral ans Ruder und kann gerade noch verhindern, das wir versehentlich halsen. Die Kupplung des Autopilotenantriebes hat aufgegeben. Ausgerechnet jetzt, bei dem Eiertanz. Kopfüber, mit dem Oberkörper in der gurgelnden Achterpiek neben der pendelnden Ruderanlage steckend, baue ich den »Rotary drive« aus und nehme ihn zur Demontage mit in die Pantry. Das Problem ist in der Tat die Kupplung. Die Zahnrädchen des Planetengetriebes hat es zerrissen. Kein Wunder, denn die sind aus Plastik. Ein Wunder, das die Dinger allein unter unserem Kommando über 50.000sm gehalten haben… Zum Glück hatten wir seinerzeit in Neuseeland für Ersatz gesorgt, sogar aus Metall. Aber wo ist das Zeug gestaut? Der Admiral räumt zwei Stunden und findet sie unter dem neuen Dieseltank (?). Ich (M) benötige dann nochmals gute zwei gute Stunden für die Montage, weil ich alles zweimal machen muss. Hab‘ die neuen Zahnrädchen nämlich zunächst falsch herum eingebaut. Sch… Endlich ist es getan. Mit neuem Mut und funktionierendem Autopiloten jagen wir in die mondlose Nacht. Die »VERA« segelt wieder im Atlantik.
Der neue Tag bringt grau verhangene Himmel, sehr wenig Wind von hinten und alten Schwell aus Ost und Nord, der die Segel nervtötend Schlagen und Klappern lässt. Einen »Genacker« versuchen wir nicht. Zu feige und zu faul. Die bewährte Kombination aus Groß und nach Luv ausgebaumter Genua zieht soeben noch ausreichend. Bei Windwinkeln um die 160 Grad bildet sich gelegentlich eine halbwegs saubere Anströmung beider Segel, die das Boot überraschend gut laufen lässt, und die Rollbewegungen spürbar dämpft.
Mit der erwarteten Winddrehung auf NNW am dritten Tag kehrt die beglückende Bordroutine zurück. Bei leicht zunehmendem halbem Wind um die 10kn fühlt sich die »VERA« pudelwohl. Kurs um die 250 Grad. Wann wir ankommen, oder wo, ist nicht mehr wichtig. Lesen, Gitarre spielen, spleißen und andere kleine Basteleien machen die Zeit zwischen den ausgiebigen Mahlzeiten zu einem echten Vergnügen. Nur ein wenig Sonnenschein fehlt zum puren Glück. Die Solarpaneele bringen unter der dichten Wolkendecke wenig, und auch die Windgeneratoren wollen nicht so recht. So bleibt nicht viel anderes übrig, als abends jeweils für eine halbe Stunde die Maschine laufen zu lassen, um die Batterien für die Nacht zu laden. Erstaunlich, wie sehr der Lärm nervt, wenn man sich erst einmal an die Ruhe und das entspannte Gluckern der Bugwelle gewöhnt hat. Schiffe gibt es wenige hier, auch nicht auf dem AIS. Wir segeln wohl weitgehend abseits der Dampferlinien.
Porto Santo liegt nun 165 Meilen voraus. Ölige Flaute unter bleigrauem Himmel, hoher Seegang. Erst einmal den Morgentee trinken und abwarten… 10 - 12 Knoten aus NNW bringen später unerwartet erfreuliches Segeln, trotz der nach wie vor dichten Bewölkung. Angenehm: Die langen Dünung des Atlantiks, die so ganz anders ist, als die anstrengende Hackelwellen des Mittelmeeres.
Wieder Nacht: Flaute und ständige Winddrehungen machen die Wachen nervig. Eine Entschädigung ist die hell leuchtende Schleppe im Kielwasser der »VERA«. Starkes Meeresleuchten. Ein Eindruck, der in seiner Eleganz schwer zu beschreiben ist. Der Morgen empfängt uns grau in grau, kein Strahl Sonne, wie gehabt. Wir bergen den Spibaum und nehmen endgültig Kurs auf Madeira. Noch 40 Meilen… Der Landfall kommt dann einigermaßen unspektakulär. Die Sicht ist schlecht. Erst im Abstand von 20 Meilen schälen sich Porto Santo, die Ilhas Desertas und schließlich Madeira aus dem Dunst, was unserer guten Laune aber keinen Abbruch tut. Zeit für eine ausgiebige warme Dusche und Eier mit rösch gebratenem Speck. Zwei Stunden später sind wir da. Auf Kanal 9 des UKW Funks genehmigt man uns eine Woche in der luxuriösen Quinta do Lorde Marina. Ein netter Marinero hilft beim Einparken. 621 Seemeilen in 4,5 Tagen, davon insgesamt 13,2 unter Maschine. Nicht ganz verkehrt, bei so wenig Wind. Die ersten Schritte an Land. Dann die Filetsteaks aus dem Kühlschrank an Bord mit Süßkartoffeln, dazu ein großes Bier, danach Tiefschlaf. Madeira? Bericht folgt.
Mit herzlichen Grüßen an Alle von B und M / SY VERA /
1 - Gibraltar nach Madeira

2 - Der Leuchtturm von Tarifa

3 - Landfall Madeira

Oui! Oui! Oui!
01.09.2016 - 08.30: Sobald die Sperrkette der Queensway Quay Marina offen ist, die ein Ein- oder Auslaufen in der Nacht verhindert, verlassen wir Gibraltar und laufen mit gemischten Gefühlen zunächst nur unter Genua in Richtung »Ende der Welt«. Vor vier Stunden war Hochwasser, also sind wir etwas spät dran. Das Wasser brodelt dann auch hier und dort wie in einem Hexenkessel, Wind gegen Strom. Kein Wunder, das die Altvorderen hier normalerweise nicht hindurch wollten, und schon gar nicht bei starkem Ostwind. Da gab es womöglich keine Wiederkehr…
Die »VERA« und ihre Crew dagegen passieren zwei Stunden später guten Mutes den Ausgang der Meerenge in den Atlantik und den Leuchtturm von Tarifa, den südlichsten Punkt des Europäischen Festlandes. Dahinter liegt der viele Kilometer lange Strand, und dahinter die urwüchsige Ortschaft, die womöglich schon zur Zeit der Neandertaler gegründet wurde. Hier war in den 70er den 80er Jahren der »place to be« für Stehsegler, und vielleicht ist er es heute noch. Wer irgend konnte kam ständig hierher, so auch mein (M‘s) Bruder Carsten, mit ein paar Freunden und seinem altersschwachen, mit »Fanatic« Aufklebern dekoriertem VW Bulli, der unter einem Stapel von »Sinkern« auf dem selbstgeschweißten Dachgepäckträger ächzte. Nur 14 km sind es von Tarifa nach Afrika. Manche Helden schafften es bei Starkwind in zwei Stunden hin und zurück. Heute ist niemand draußen, trotz des knackigen Ost. Wohl noch zu früh am Tag.
Wir messen inzwischen Ostwind mit 35kn über Deck, in Böen mehr, Beaufort 8. Der Seegang legt auch zu, zum Glück von achtern. Steuerbord querab liegt Kap Trafalgar, wo 1805 die Seeschlacht stattfand, die Großbritanniens Aufstieg zur Weltmacht möglich machte. Vor meinem »Hensoldt 7x50« liegen dort drüben in Sichtweite die beiden Geschwader ineinander verkeilt. 27 Englische gegen 33 Französische und Spanische »Sail of the line«, ein Wald von Masten und Segeln, der aus dem wabernden Pulverdampf ragt. Breitseiten rollen, wie Donner in einem schweren Gewitter. Keine 10 Meilen von hier durchschlug eine Musketenkugel Admiral Nelson‘s Schulter und Rückenmark… Just in diesem Augenblick hören auch wir das Knattern einer Salve, aber bei uns an Bord! Blitzschnell springt mein Admiral ans Ruder und kann gerade noch verhindern, das wir versehentlich halsen. Die Kupplung des Autopilotenantriebes hat aufgegeben. Ausgerechnet jetzt, bei dem Eiertanz. Kopfüber, mit dem Oberkörper in der gurgelnden Achterpiek neben der pendelnden Ruderanlage steckend, baue ich den »Rotary drive« aus und nehme ihn zur Demontage mit in die Pantry. Das Problem ist in der Tat die Kupplung. Die Zahnrädchen des Planetengetriebes hat es zerrissen. Kein Wunder, denn die sind aus Plastik. Ein Wunder, das die Dinger allein unter unserem Kommando über 50.000sm gehalten haben… Zum Glück hatten wir seinerzeit in Neuseeland für Ersatz gesorgt, sogar aus Metall. Aber wo ist das Zeug gestaut? Der Admiral räumt zwei Stunden und findet sie unter dem neuen Dieseltank (?). Ich (M) benötige dann nochmals gute zwei gute Stunden für die Montage, weil ich alles zweimal machen muss. Hab‘ die neuen Zahnrädchen nämlich zunächst falsch herum eingebaut. Sch… Endlich ist es getan. Mit neuem Mut und funktionierendem Autopiloten jagen wir in die mondlose Nacht. Die »VERA« segelt wieder im Atlantik.
Der neue Tag bringt grau verhangene Himmel, sehr wenig Wind von hinten und alten Schwell aus Ost und Nord, der die Segel nervtötend Schlagen und Klappern lässt. Einen »Genacker« versuchen wir nicht. Zu feige und zu faul. Die bewährte Kombination aus Groß und nach Luv ausgebaumter Genua zieht soeben noch ausreichend. Bei Windwinkeln um die 160 Grad bildet sich gelegentlich eine halbwegs saubere Anströmung beider Segel, die das Boot überraschend gut laufen lässt, und die Rollbewegungen spürbar dämpft.
Mit der erwarteten Winddrehung auf NNW am dritten Tag kehrt die beglückende Bordroutine zurück. Bei leicht zunehmendem halbem Wind um die 10kn fühlt sich die »VERA« pudelwohl. Kurs um die 250 Grad. Wann wir ankommen, oder wo, ist nicht mehr wichtig. Lesen, Gitarre spielen, spleißen und andere kleine Basteleien machen die Zeit zwischen den ausgiebigen Mahlzeiten zu einem echten Vergnügen. Nur ein wenig Sonnenschein fehlt zum puren Glück. Die Solarpaneele bringen unter der dichten Wolkendecke wenig, und auch die Windgeneratoren wollen nicht so recht. So bleibt nicht viel anderes übrig, als abends jeweils für eine halbe Stunde die Maschine laufen zu lassen, um die Batterien für die Nacht zu laden. Erstaunlich, wie sehr der Lärm nervt, wenn man sich erst einmal an die Ruhe und das entspannte Gluckern der Bugwelle gewöhnt hat. Schiffe gibt es wenige hier, auch nicht auf dem AIS. Wir segeln wohl weitgehend abseits der Dampferlinien.
Porto Santo liegt nun 165 Meilen voraus. Ölige Flaute unter bleigrauem Himmel, hoher Seegang. Erst einmal den Morgentee trinken und abwarten… 10 - 12 Knoten aus NNW bringen später unerwartet erfreuliches Segeln, trotz der nach wie vor dichten Bewölkung. Angenehm: Die langen Dünung des Atlantiks, die so ganz anders ist, als die anstrengende Hackelwellen des Mittelmeeres.
Wieder Nacht: Flaute und ständige Winddrehungen machen die Wachen nervig. Eine Entschädigung ist die hell leuchtende Schleppe im Kielwasser der »VERA«. Starkes Meeresleuchten. Ein Eindruck, der in seiner Eleganz schwer zu beschreiben ist. Der Morgen empfängt uns grau in grau, kein Strahl Sonne, wie gehabt. Wir bergen den Spibaum und nehmen endgültig Kurs auf Madeira. Noch 40 Meilen… Der Landfall kommt dann einigermaßen unspektakulär. Die Sicht ist schlecht. Erst im Abstand von 20 Meilen schälen sich Porto Santo, die Ilhas Desertas und schließlich Madeira aus dem Dunst, was unserer guten Laune aber keinen Abbruch tut. Zeit für eine ausgiebige warme Dusche und Eier mit rösch gebratenem Speck. Zwei Stunden später sind wir da. Auf Kanal 9 des UKW Funks genehmigt man uns eine Woche in der luxuriösen Quinta do Lorde Marina. Ein netter Marinero hilft beim Einparken. 621 Seemeilen in 4,5 Tagen, davon insgesamt 13,2 unter Maschine. Nicht ganz verkehrt, bei so wenig Wind. Die ersten Schritte an Land. Dann die Filetsteaks aus dem Kühlschrank an Bord mit Süßkartoffeln, dazu ein großes Bier, danach Tiefschlaf. Madeira? Bericht folgt.
Mit herzlichen Grüßen an Alle von B und M / SY VERA /
1 - Gibraltar nach Madeira

2 - Der Leuchtturm von Tarifa

3 - Landfall Madeira

Oui! Oui! Oui!