SY VERA

Into the screaming 50th: A voyage to Tierra del Fuego and Cape Horn

013 - LAS PALMAS ZWISCHEN DEN JAHREN

Hallo Ihr Lieben!

Las Palmas, Gran Canaria, zwischen den Jahren 2016 und 2017. Die VERA fest in der »Muelle Deportivo«… Seit zehn Tagen weht es hart aus E - SE, eine Änderung ist nicht in Sicht. Das bringt roten Sand aus der Sahara, der alles an - und unter Deck der VERA einpudert. Saubermachen hat keinen Zweck. Der viele Sand und eine Wintergrippe sind es, die unsere Motivation in Sachen »To-do Liste Südamerika« derzeit überschaubar halten. Einiges haben wir geschafft: Der Autopilot hat jetzt zwei gesunde Antriebe, der Schleppgenerator ist repariert und auch das Rigg steht nach dem Austausch sämtlicher Toggles und Flaschenschrauben wieder recht vertrauenswürdig da. Der Seezaun und die laufenden Backstagen sind neu. Heizung und die Ersatzteile für den Wassermacher lauern leider noch in ihren Kisten…

Gründe für diese Verzögerungen finden sich leicht. Beispiel: Wir wollen das durchgesehene und neu getoggelte Vorstag mit einem neuen Bolzen unten am Bugbeschlag befestigen. Der ist 19mm dick und passt nicht durch. Der alte war eben nur 18mm dick… Mist. Feilen? Das probiere ich zwei Stunden lang, bis die Finger bluten, leider ohne Erfolg. Der Bugkorb ist im Weg. Also abbauen und dann aufbohren? Drei Stunden später ist der Bugkorb ab. Dabei zeigt sich, das die Verkabelungen der Positionslaternen vergammelt sind. Also raus damit und neu verlegt. Das geht ganz leicht und dauert keine vier Stunden, davon drei zusammengefaltet im Ankerkasten… Danach brennen die Positionslaternen abwechselnd für ein paar Sekunden und gehen dann endgültig aus. Was‘n das? Kabelbruch zwischen Anschlussbox und Sicherungstafel? Neue Kabel quer durchs Schiff verlegen würde drei Tage kosten, zu zweit. Supermist. Nach einigem Analysieren mit dem Multimeter finde ich den Fehler in der Kontrollbox, die die Kontrolllämpchen für die Positionslaternen steuert. B und ich können das in einem harten Tag Arbeit mit Hirn und Lötkolben beheben. Schon komisch, das hier mal das eine nichts mit dem anderen zu tun hatte? Oder doch? Jetzt geht die Ankerwinsch nicht mehr… Möglicherweise habe ich beim Fuhrwerken im Ankerkasten irgendetwas vermasselt? Sch…? Sch…! SCH:::!

Die VERA seetüchtig, ansehnlich und komfortabel zu erhalten (in dieser Reihenfolge) ist ein akkumulativer, im günstigen Fall meditativer Prozess. Hierzu passend: »Zen and the Art of Motorcycle Maintenance« von Robert M. Pirsig 1974. Das wollte ich schon immer mal in Ruhe lesen, und nun hat es B hier zufällig auf den Mülltonnen gefunden…

Zum Glück bietet Las Palmas genug Ablenkung. Gerade in den Wochen vor Weihnachten gibt es viel zu sehen. Dort liegen sie: Die Großsegler CHRISTIAN RADICH aus Norwegen und FALKEN aus Schweden, die ich (M) schon als Kind auf der »Windjammerparade« 1972 in Travemünde mit großen Augen bewundern durfte. Dort drüben, gleich gegenüber an der Tankstelle liegen die ELEONORA und die ELENA, zwei mächtige von Nathanael Herreshoff 1910 entworfene 50 Meter Schoner, und dort, beim großen Gasförmigen, die leibhaftige KIALOA III… Mit dieser (genau wie unsere VERA) im Jahre 1974 von den legendären Brüdern Olin und Rod Stephens entworfenen 25 Meter Rakete beendeten Jim Kilroy und seine Crew das Sydney Hobart Rennen 1975 nach zwei Tagen, 14 Stunden, 36 Minuten und 56 Sekunden. Ein Rekord für die Ewigkeit, der volle 21 Jahre hielt. Apropos, Sydney Hobart: Gerade in diesen Tagen verbesserte die PERPETUAL LOYAL, ein 30 Meter Juan Kouyoumdjian Design von 2008 den aktuellen Rekord auf einen Tag, 13 Stunden, 31 Minuten und 20 Sekunden. Mal sehen wie lange der hält.

Las Palmas, Gran Canaria: 400.000 durchaus zufrieden wirkende, wuselige Einwohner leben und arbeiten in den engen Gassen einer alten, aber hässlichen Stadt mit vielen Hochhäusern, dicht an dicht zwischen einem großen, traditionsreichen, kommerziellen Hafen und einem wunderschönen, von einem alten Riff geschützten Strand, der »Playa de Las Canteras«. Touristen gibt es auch ein paar. Oft kommen sie in kleinen Gruppen von den gigantischen Kreuzfahrtschiffen, die hier an den Tagen der Ein- und Ausschiffung am Kai liegen. Apropos: Lest vorher unbedingt die Verpackungsbeilage. Hier ein erhellender
Artikel über einen der Branchenführer.

Es gibt Studien, die belegen wollen, das Las Palmas das angenehmste Klima der Welt aufweist. Und tatsächlich: Unserer Erfahrung nach herrschen gleichmäßig gemäßigte Temperaturen. In diesem Winter regnet es wenig, ist meist sonnig und warm und in der Nacht Kuscheldecken kühl. Ein guter Platz, um an einem Boot zu schrauben, schon weil es für alles »nautische« gut geführte Werkstätten, Läden und Geschäfte gibt. Die Versorgungslage ist fürstlich. Märkte und Läden quellen über vor »Jamón Serrano« in allen Stadien der Reifung, aber auch mit frischem Fisch und Milchprodukten. Obst und Gemüse gibt es überall taufrisch, und in den Supermärkten fühlt man sich wie daheim. Bis auf Tomatenmark gibt es alles und mehr, wenn auch im Schnitt um vielleicht 20% teurer als in D. Las Palmas ist offensichtlich eine Hochburg des Sportes. Die Einwohner tun es in Massen und mit Hingabe, jung, alt, ob Frau oder Mann. Vor dem Hafen toben Opti und Laser Schlachten, und vor dem Strand die Surf, Kayak und »Stand up paddleboard« Regatten. Am Strand spielen sie Volleyball und Paddeltennis, oft auf hohem Niveau. Und auf der Promenade jagen sich lange Reihen von Läufern, den »Fitness tracker« am Oberarm, die Kopfhörer fest auf den Ohren. Das alles hat trotz des unterschwellig noch spürbarem Katholizismus etwas ungezwungen hedonistisches, und strahlt dabei eine gesunde Resilienz gegenüber den Unbilden dieser Welt aus, an der man sich in D. durchaus ein Beispiel nehmen könnte.

Auch gastronomisch bietet Las Palmas eine Lebensqualität, die keinen Vergleich zu scheuen braucht. Schauen wir beispielsweise einmal in die »Tasca Galileo« in der schwer zu findenden Seitengasse »Calle Galileo«, eine Entdeckung, die wir einem guten Freund verdanken. Man sollte früh da sein, bevor das Lokal öffnet, viertel vor acht, oder so und vor der Tür herumlungern. Tut man das nicht, sind alle fünf Tische weg und bleiben weg, für mindestens eineinhalb Stunden. Vorbestellen geht nicht. Eine sehr begrenzte Auswahl an »Raciones« macht das Bestellen in gebrochenem Spanisch einfach, sagen wir mal drei kleine Platten für zwei, egal welche, dazu zwei Gläser offenen Rotwein aus dem gut sortierten Keller, eine Flasche Mineralwasser und vielleicht eines der Desserts. Was dann kommt, stellt jeweils alles in den Schatten, was wir seit geraumer Zeit genießen durften, und genügt vollkommen für lange Augenblicke eine selten erreichte Zufriedenheit zu evozieren…

Alles in allem lebt es sich sehr, sehr gut hier. Das verführt viele Langfahrtsegler dazu, auf Dauer zu bleiben, mehr Fender und Leinen auszubringen und ein Auto zu erwerben. Willi und Christina von der PANTA RHEI, die wir aus früheren Jahren im Mittelmeer kennen liegen inzwischen seit über einem Jahr hier am Steg. Über Weihnachten fliegen sie nach D zur Verwandtschaft und borgen uns gegen einen nächtlichen Flughafenshuttleservice ihr hübsches Cabriolet für zehn Tage. Damit machen wir trotz Grippe und Sandsturm ausgiebig das Inselinnere unsicher. Gerade der raue Westen der Insel bietet spektakuläre Bergwälder, tiefe Schluchten und waghalsige Kämme und (oft) einen unglaublichen Blick auf Teneriffa und den Vulkan »Pico del Teide«. Man kann sich kaum satt sehen an den satten Farben und auch das Aroma stimmt. Die Möglichkeiten zum wandern und Radfahren sind fantastisch und absolut unüberschaubar. Man bräuchte, wie so oft, wesentlich mehr Zeit. Klar sind die Süd- und die Ostküste auf das peinlichste zubetoniert, und die sechsspurige, aalglatte EU Autobahn zwischen Las Palmas und Playa de Mogan hat etwas surreales, aber hier oben merkt man nichts davon. Es geht uns gut.

Ein frohes neues Jahr wünschen Euch B und M / SY VERA / Muelle Deportivo / Las Palmas / Gran Canaria / Spanien



1 - Toggles und Flaschenschrauben auf der VERA, neu und alt…
Toggles

2 - Its work, all that matters is work
Work

3 - Ein Blick in das Rigg der CHRISTIAN RADICH
Christian Radich

4 - Schoner »Eleonora« von Nathanael Greene Herreshoff 1910
Eleonora

5 - Schoner »Elena«, ebenfalls Herreshoff 1910, links hinten im Bild der hellblaue Bug der VERA
Elena

6 - Ist das Kunst, oder kann das weg?
Linien

7 - Die NINA als originalgetreuer Nachbau: Gut genug für Cristóbal Colón und den Atlantik
Nina

8 - Sportliche Spanier an der Playa de Las Canteras, Las Palmas
Tennis

9 - Sportliche Spanier an der Playa de Las Canteras, Las Palmas
Helden

10 - Das herrliche Innere Gran Canarias
Berge