SY VERA

Into the screaming 50th: A voyage to Tierra del Fuego and Cape Horn

031 - CALETA HORNO

Hallo Ihr Lieben!

Caleta Horno, Patagonien, die Wildnis, der Mars. Eines der Traumziele der Fahrtenseglerszene. Der schönste Ankerplatz Argentiniens. Und einer der schönsten der Welt. Wir sind hier, von Puerto Santa Elena kommend, nach einem weiteren herrlichen Tag unter Segeln. Sommer, Sonne und ein feiner Nordost, der uns und die DANDELION munter vor sich her trieb. Unterwegs spielen Delphine in unserer Bugwelle, darunter auch die schwarz und weiß gefleckten Commerson-Delphine, die aussehen, wie kleine Mörderwale.

Mit gemischten Gefühlen bergen wir die Segel und fahren im Kielwasser der DANDELION unter Maschine in den engen Fjord. Bis zu fünf Meter Tidenhub erschweren es, den Verlauf des Ufers und die Wassertiefe richtig einzuschätzen, trotz unserer recht genauen Karten. Es ist eng. Zu eng, um hier frei um den Anker zu schwingen. Wir werden eine andere Taktik anwenden: Anker dicht an der westlichen Felswand werfen und dann mit Hilfe des Dinghies zwei Landleinen zum östlichen Ufer ausbringen. Klingt einfach, ist es aber ganz und gar nicht. Zunächst einmal müssen wir uns den knappen Platz mit der DANDELION teilen, ohne das es Anker und Kettensalat gibt. Dann muss B mit BOUNCE und den beiden 100m Landleinen an Land gehen, und dort an den glitschigen Felswänden emporklettern und mit Hilfe von Kettenstücken, Schäkeln und diversem Tauwerk zwei Befestigungspunkte konstruieren, die die VERA auch bei dem hier üblichen Starkwind zu halten in der Lage sind. Währenddessen versuche ich (M) das Schiff auf der Stelle zu halten, bis B mit den Leinen zurück ist, die wir dann über die Winschen so einstellen, das sich ein gleichmäßiger Zug auf dem Ankergeschirr und den Leinen einstellt. Zwei Stunden später ist es vollbracht: VERA und DANDELION liegen fest und sicher nebeneinander an einem der paradiesischsten Plätze unseres Seglerlebens. Wir feiern das mit den drei Engländern und einer köstlichen Pasta bei uns an Bord.

Die nächsten, vorweihnachtlichen Tage sind geprägt von allerlei Basteleien, die sich auf See ergeben haben. Eines unserer Positionslichter will nicht mehr. Korrodierte Kontakte im gut gespülten Ankerkasten. Drei freche Sturmvögel haben den Windmesser im Masttop derart verbogen, das das Gerät nur noch Unsinn anzeigt. Die Schleppöse, mit der wir BOUNCE auf See an Deck befestigen hat es bei der letzten Starkwindepisode ausgerissen. Da helfen nur noch Epoxi, Glasfasern und Verstärkungsbleche aus Aluminium. Alles in allem sind wir bisher jedoch fast ungeschoren davongekommen. Selbst unsere Dieselvorräte sind noch beinahe vollständig. Ein größeres Problem ist dagegen die fällige Reinigung unseres Unterwasserschiffes, das schon seit eineinhalb Jahren und vielen tausend Meilen kein frisches Antifouling mehr gesehen hat. Dafür graben wir unseren alten Tauchkompressor aus, zerlegen und reinigen den Vergaser des kleinen Viertaktmotors, und füllen endlich die beiden leeren Tauchflaschen der DANDELION. Danach erledigen beide Crews den Job gemeinsam auf beiden Booten während eines harten, aber wunderbaren Tages unter saukaltem Wasser.

Und endlich bleibt auch einmal Zeit für Erkundungen in die Klippen, und ausgedehnte Wanderungen in eine bizarre, beinahe unberührte Umgebung, die nur sehr wenige Spuren menschlicher Gegenwart aufweist. Die Pampa Patagoniens reicht hinter der Caleta Horno bis zum Horizont. Vieles erinnert an die Küste des roten Meers, die Wüsten und Marsas des Sudans. Pastellfarben, vulkanisch, felsig, und aride. Wir messen Luftfeuchtigkeit unter 30%. Jetzt, zum Sommeranfang ist es recht kalt des Nachts, tagsüber aber schon mal über 25 Grad warm. Verschiedene See- und Greifvogelarten teilen sich die Caleta, offenbar ohne großen Streit; Pinguine, Kormorane, Enten, Reiher, Bussarde, Seeadler und viele weitere Arten. Die ersten Schritte in ein felsiges Tal: Niedriges, dorniges Gebüsch, Kakteen und eine phantastisch angepasste Fauna. Wir finden Höhlen von diversen Insekten, kleinen Nagern und wilden Hasen. Leider gelingt es uns nicht, ein Gürteltier zu finden, wie den Engländern von der DANDELION. Das auffallendste Tier hier ist das Guanaco, eine heimische Kamelart, von der u.a. das domestizierte Lama abstammt. Guanacos sind scheu. Es ist schwer, nahe an sie heranzukommen. Aber man sieht sie gut, und schon von weitem, da sie die höchsten Hügel und Grate bevorzugen, vermutlich weil sie von dort aus ihrerseits auch alles immer gut im Blick behalten können. Guanacos sind schöne Tiere, die einen herrlich eleganten Laufstil pflegen, ein sanftes gleiten, das schwer zu beschreiben ist. Charles Darwin war von diesen interessanten Tieren sehr angetan und beschreibt ihr Verhalten in »The Voyage of the Beagle« sehr detailliert. Hier ein Auszug: »The guanacos have one singular habit, which is to me quite inexplicable; namely, that on successive days they drop their dung in the same defined heap. I saw one of those heaps which was eight feet in diameter, and was composed of a large quantity. This habit, according to M.A, d’Orbigny, is common to all the species of the genus; it is very useful to the Peruvian Indians, who use the dung for fuel, and are thus saved the trouble of collecting it.«

Auf weiteren Ausflügen mit dem Beiboot erkunden wir die umliegenden Klippen und den langen, verzweigten Fjord, bis er sich in ein sumpfiges Wattgebiet öffnet, in dem langbeinige Reiher waten. In einer »Piratenhöhle« in den Klippen finden wir das »Gästebuch« der Caleta Horno, und natürlich tragen wir uns ein, als letzte in eine überschaubare Reihe von Fahrtenyachten, die in den letzten Jahren hier waren.

Alles in allem verbringen wir in der Caleta Horno einige der herrlichsten Tage unseres Lebens. Wir sind ohne größere Probleme bis hierher gekommen, hatten großes Wetterglück. Das sozialisieren, dinieren und musizieren mit der dreiköpfigen Crew der englischen DANDELION, Sue, Michelle und John bringt Spaß. Wir passen zueinander und harmonieren gut als Gruppe. In langen Gesprächen finden wir viele Gemeinsamkeiten. Und doch: Allzu bald und unerbittlich stellt sich bei allen das diffuse, etwas bedrückende Gefühl ein, weiter zu müssen. 700 Seemeilen bis zum Beagle Kanal liegen vor uns, und diese genießen seit den Tagen der Entdecker einen miesen Ruf: Kälte, Starkwind und unter Umständen mörderischer Seegang. Das Wettermodell verspricht allerdings für die kommende Woche annehmbare Bedingungen für dieses anspruchsvolle Projekt. Wir werden daher morgen, am 23.Dezember 2017, gemeinsam mit der DANDELION, nach Süden aufbrechen. Leider werden wir uns auf See wohl bald aus den Augen verlieren, aber das ist ohnehin kaum zu vermeiden. Hoffentlich sehen wir uns wieder, gesund und ohne Schäden an unseren Schiffen. Wünscht uns Glück.


Herzliche Grüße an Alle von B und M / SY VERA / Caleta Horno / 45.02,2 S - 065.41,0 W / Argentinien


1 - DANDELION und VERA in der legendären Caleta Horno.
Vera und Dandelion

2 - Morgentee mit Blick auf die DANDELION.
Morgentee

3 - B und BOUNCE in der Caleta Horno.
Britta und Bounce

4 - Zwischen Ebbe und Flut: Die Umgebung wirkt bizarr, wie auf einem fremden Planeten.
Pastelltöne

5 - Blick aus dem Rigg der VERA auf eine phantastische Landschaft. Links unten im Bild sind unsere Landleinen zu erkennen.
Pastelltöne 2

6 - M und BEAGLE, das Beiboot der DANDELION. Wir nutzen die Chance, Unterwasserschiffe und Propeller zu reinigen, solange das Wasser noch warm ist.
Beagle

7 - Die argentinische Pampa wirkt karg, aber kraftvoll. Jedes Tier, jede Pflanze hier hat sich in vielen hunderttausenden von Jahren an sie angepasst.
Gespenst

8 - Zehn Guanacos geben Fersengeld.
Guanacos Fersengeld

9 - Guanaco?
Guanaco

10 - Gästebuch der Caleta Horno in einer geheimen Höhle in den Klippen.
Gästebuch

11 - Seelöwe?
Seelöwe

12 - Einsamer Strand in Patagonien.
Strand

13 - B findet Weihnachtsdekoration.
Kieselparadies