004 - NACH GIBRALTAR
23/08/16 00:00 Gibraltar
Liebe Freunde!
Faule Tage in Porto Pino / Sardegna gehen zu Ende. Die VERA und ihre gut ausgeruhte Crew liegen startbereit vor Anker. Die neue Waschmaschine ist an Bord und das alte D2 - Toggle auf dem Navitisch. Die tägliche Analyse der Wetterdaten (jawohl, wir gehören auch zu den furchtsamen Wetterfenster Abwartern) verheißt vielversprechendes. Nonstop nach Gibraltar, ca. 700sm, könnte gehen. So lassen wir die überfüllten Balearen rechts liegen. Der, laut Vorhersage, von Norden einsetzende Mistral aus dem Golfe du Lion sollte uns nicht allzu hart erwischen, und später für einen sauberen ENE durch die Alboransee sorgen…
Am 20.08. laufen wir aus, in aller Frühe, bei glattem Wasser, und einer sympathischen, ganz leichten Brise aus S, die das Boot so gerade zu krängen vermag, und leise zum gluckern bringt. Den ganzen Tag über lässt es sich wunderbar segeln, bei strahlend blauem Himmel und warmer Luft, Kurs immer um die 255 Grad, also direkt auf Gibraltar zu. Erst am Abend setzt eine ominöse, diesige Flaute ein. Vorsichtshalber motoren wir bis 3 Uhr früh, um ein paar Meilen zwischen uns und die kapriziöse Südwestecke Sardiniens zu bringen. Man weiß ja nie. Dann kommt der Wind, wie versprochen, aus N. Und er hat Kraft. Das Boot freut sich und läuft, über 8kn zumeist. Endlich. Fast dachten wir, es geht nicht mehr. In der zweiten Nacht ist dann auch der passende Seegang da. Wir schlucken Meclozine und harren der Dinge. Wasser an Deck, Druck in der Luft, ein fahler Mond hinter jagenden Wolken. Ätzend. Was machen wir hier? Morgen früh gäbe es einen langen Waldspaziergang und danach feine Croissants mit Milchcafé… wenn wir zuhause wären. Aber wo ist zuhause jetzt? Vielleicht hier draußen? Am Morgen finden sich 3 verstorbene Tintenfische an Deck. Tot, in ihrer Tinte. Eine stattliche Meeresschildkröte passiert souverän im Kielwasser. Die aufgeregten Wolken von fliegenden Fische deuten auf Räuber im Wasser hin, Goldmakrelen oder Thunfische vielleicht. Zum Angeln ist uns nicht zumute. Die Sauerei, Ihr versteht schon. Noch weht es hart aus N, dann aus NNE. Immerhin zeigt der Sonnenuntergang den famosen »green blink«, just in dem Augenblick, als eine Herde Delfine munter um die VERA herumtobt. Zumindest dem Anschein nach gibt es im Mittelmeer noch wilde Tiere, trotz Überfischung, Öl und Plastikmüll. Zwei Hochseeangler mit einem klassischen »Sportsfisherman«, die wir in Carloforte trafen, schwärmten jedenfalls von famosen Fängen auf ihrer Überführung von der Algarve nach Sardinien. Vielleicht ist da doch noch Hoffnung.
Am Morgen hat der Wind auf ENE gedreht, wie erwartet. Eine Halse steht an. Nicht die reine Freude, bei der Geigerei, unter »preventertem« Groß und der Genua auf dem Spibaum. Wir benötigen fast eine halbe Stunde dafür, zu zweit. Danach sind wir platt. Zuviel Zivilisation, oder so. Und fehlende Routine. Die richtigen Handgriffe in der richtigen Reihenfolge sitzen nicht mehr richtig. Später bringt der Tag leicht abnehmenden Wind und, wie erhofft, eine so eben einsetzende Normalität, die erst der mehrtägige Törn möglich macht. Duschen, kochen, essen, alles halbwegs in guter Ordnung. Ein wenig Spanisch könnte in Zukunft nicht schaden? Das i-pad hilft beim Vokabeln lernen. Ab und an holen wir die Gitarre hervor. M bricht sich die Finger am Eingang zur Etude No-1. Danke, Bernhard, für Alles.
Wieder wird es Nacht. Der abnehmende Mond geht jetzt immer später auf. Das bringt spektakuläre Sternenhimmel, mit einer Milchstraße, wie wir sie lange nicht mehr gesehen haben. Glück: Auf dem Brückendeck auf dem Rücken liegen und die Okulare des ehrwürdigen, sauschweren Hensoldt 7x50 Marineglases auf den Augen absetzen. Dann langsam schwenken. Saturn und Mars passieren sich derzeit, wie streitbare Ritter beim Turnier. I-pad und »skyview« app? Nerviger Mist. Keine Schiffe weit und breit, auch nicht auf dem »AIS«. Wir sind allein.
Dann die Alboransee, zu früh eigentlich. Capo del Gata bleibt STB querab, 20sm entfernt. 20kn aus ENE, immer noch. Die VERA läuft, 7kn, oder 8, vorbei an der prächtig aus dem Dunst aufsteigenden Sierra Nevada, mit ihren bis zu 3.500m hohen Gipfeln. Irgendwo dahinter muss Granada liegen. Klangvoller Name. Und nie haben wir es dorthin geschafft, nicht mit dem Rad und nicht mit dem Auto, in all den Jahren. Morgen vor Sonnenuntergang in Gibraltar? Dann ein Mietwagen für Andalusien? Möglich, wenn der Wind hält.
Hier, am Ausgang des Mittelmeeres, sehen wir jetzt auch Schiffe. Viele Schiffe. Wir halten uns nördlich des Dampfertreks und hoffen auf die Umsicht der Kapitäne. Unser aktives »AIS« bringt uns auf deren digitale Karten, und auch wir wissen ziemlich gut Bescheid, was da so vorbei läuft. Das beruhigt die Nerven, die damals beim Überqueren der Malakkastraße im Jahre 2008 noch blank lagen. Die tatsächlichen Ausmaße des weltweiten Handels werden an solchen Orten erfahrbar. Hier geht es ein wenig zu, wie auf der A2, auf der ich (M) über eine halbe Million Kilometer vor, hinter und neben dicken Lastwagen auf- und abgefahren bin. Nur das auf einen großen Containerdampfer über 10.000 Seecontainer passen und nicht bloß einer. In der Nacht verwechselt man uns zwei mal mit einem ausweichpflichtigen Motorboot, das zu disziplinieren ist. Per »UKW« Funk klären wir jeweils die Situation, Segel oben, langsam, manöverierbehindert, nix Motor oder so. Dank »AIS« kennen wir die »MMSI« Nummer der Kandidaten und können sie am »DSC - UKW« direkt anrufen. Tolle Sache, die astrein funktioniert. Und nett ist man zu uns. »Good evening, sir… I‘ll alter course to starboard for you! Have a good watch.« mit baltischem, oder mit indischem Akzent gesprochen, das hat Charakter.
Endspurt: Der letzte Tag auf See zieht sich. Obwohl wir noch um die 7kn durchs Wasser laufen, kommen wir kaum mit 5kn voran. Durch die Straße von Gibraltar strömt das Wasser mit 2kn gen Osten, und das kostet Zeit. Am Ende erreichen wir die Säulen des Herkules am späten Nachmittag und die Queensway Quay Marina im Hafen von Gibraltar gerade so vor Sonnenuntergang. Per Telefon will man uns keinen Liegeplatz geben, aber ein zweiter Versuch auf dem UKW Radio bringt den Erfolg. B überredet die Betreiber, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Reserviert hatten wir erst ab Morgen… Alles bestens. Wir sind angekommen. Und glücklich.
Gibraltar? Bericht folgt.
_________________/)______________________________________________________
Mit herzlichen Grüßen von B und M / SY VERA / Queensway Quay Marina / Gibraltar
1-Gleich kommt der »green blink«

2-Die Segel

3-Der berühmte Felsen

4-Die Route (blaue Raute = Mittagsposition)

Faule Tage in Porto Pino / Sardegna gehen zu Ende. Die VERA und ihre gut ausgeruhte Crew liegen startbereit vor Anker. Die neue Waschmaschine ist an Bord und das alte D2 - Toggle auf dem Navitisch. Die tägliche Analyse der Wetterdaten (jawohl, wir gehören auch zu den furchtsamen Wetterfenster Abwartern) verheißt vielversprechendes. Nonstop nach Gibraltar, ca. 700sm, könnte gehen. So lassen wir die überfüllten Balearen rechts liegen. Der, laut Vorhersage, von Norden einsetzende Mistral aus dem Golfe du Lion sollte uns nicht allzu hart erwischen, und später für einen sauberen ENE durch die Alboransee sorgen…
Am 20.08. laufen wir aus, in aller Frühe, bei glattem Wasser, und einer sympathischen, ganz leichten Brise aus S, die das Boot so gerade zu krängen vermag, und leise zum gluckern bringt. Den ganzen Tag über lässt es sich wunderbar segeln, bei strahlend blauem Himmel und warmer Luft, Kurs immer um die 255 Grad, also direkt auf Gibraltar zu. Erst am Abend setzt eine ominöse, diesige Flaute ein. Vorsichtshalber motoren wir bis 3 Uhr früh, um ein paar Meilen zwischen uns und die kapriziöse Südwestecke Sardiniens zu bringen. Man weiß ja nie. Dann kommt der Wind, wie versprochen, aus N. Und er hat Kraft. Das Boot freut sich und läuft, über 8kn zumeist. Endlich. Fast dachten wir, es geht nicht mehr. In der zweiten Nacht ist dann auch der passende Seegang da. Wir schlucken Meclozine und harren der Dinge. Wasser an Deck, Druck in der Luft, ein fahler Mond hinter jagenden Wolken. Ätzend. Was machen wir hier? Morgen früh gäbe es einen langen Waldspaziergang und danach feine Croissants mit Milchcafé… wenn wir zuhause wären. Aber wo ist zuhause jetzt? Vielleicht hier draußen? Am Morgen finden sich 3 verstorbene Tintenfische an Deck. Tot, in ihrer Tinte. Eine stattliche Meeresschildkröte passiert souverän im Kielwasser. Die aufgeregten Wolken von fliegenden Fische deuten auf Räuber im Wasser hin, Goldmakrelen oder Thunfische vielleicht. Zum Angeln ist uns nicht zumute. Die Sauerei, Ihr versteht schon. Noch weht es hart aus N, dann aus NNE. Immerhin zeigt der Sonnenuntergang den famosen »green blink«, just in dem Augenblick, als eine Herde Delfine munter um die VERA herumtobt. Zumindest dem Anschein nach gibt es im Mittelmeer noch wilde Tiere, trotz Überfischung, Öl und Plastikmüll. Zwei Hochseeangler mit einem klassischen »Sportsfisherman«, die wir in Carloforte trafen, schwärmten jedenfalls von famosen Fängen auf ihrer Überführung von der Algarve nach Sardinien. Vielleicht ist da doch noch Hoffnung.
Am Morgen hat der Wind auf ENE gedreht, wie erwartet. Eine Halse steht an. Nicht die reine Freude, bei der Geigerei, unter »preventertem« Groß und der Genua auf dem Spibaum. Wir benötigen fast eine halbe Stunde dafür, zu zweit. Danach sind wir platt. Zuviel Zivilisation, oder so. Und fehlende Routine. Die richtigen Handgriffe in der richtigen Reihenfolge sitzen nicht mehr richtig. Später bringt der Tag leicht abnehmenden Wind und, wie erhofft, eine so eben einsetzende Normalität, die erst der mehrtägige Törn möglich macht. Duschen, kochen, essen, alles halbwegs in guter Ordnung. Ein wenig Spanisch könnte in Zukunft nicht schaden? Das i-pad hilft beim Vokabeln lernen. Ab und an holen wir die Gitarre hervor. M bricht sich die Finger am Eingang zur Etude No-1. Danke, Bernhard, für Alles.
Wieder wird es Nacht. Der abnehmende Mond geht jetzt immer später auf. Das bringt spektakuläre Sternenhimmel, mit einer Milchstraße, wie wir sie lange nicht mehr gesehen haben. Glück: Auf dem Brückendeck auf dem Rücken liegen und die Okulare des ehrwürdigen, sauschweren Hensoldt 7x50 Marineglases auf den Augen absetzen. Dann langsam schwenken. Saturn und Mars passieren sich derzeit, wie streitbare Ritter beim Turnier. I-pad und »skyview« app? Nerviger Mist. Keine Schiffe weit und breit, auch nicht auf dem »AIS«. Wir sind allein.
Dann die Alboransee, zu früh eigentlich. Capo del Gata bleibt STB querab, 20sm entfernt. 20kn aus ENE, immer noch. Die VERA läuft, 7kn, oder 8, vorbei an der prächtig aus dem Dunst aufsteigenden Sierra Nevada, mit ihren bis zu 3.500m hohen Gipfeln. Irgendwo dahinter muss Granada liegen. Klangvoller Name. Und nie haben wir es dorthin geschafft, nicht mit dem Rad und nicht mit dem Auto, in all den Jahren. Morgen vor Sonnenuntergang in Gibraltar? Dann ein Mietwagen für Andalusien? Möglich, wenn der Wind hält.
Hier, am Ausgang des Mittelmeeres, sehen wir jetzt auch Schiffe. Viele Schiffe. Wir halten uns nördlich des Dampfertreks und hoffen auf die Umsicht der Kapitäne. Unser aktives »AIS« bringt uns auf deren digitale Karten, und auch wir wissen ziemlich gut Bescheid, was da so vorbei läuft. Das beruhigt die Nerven, die damals beim Überqueren der Malakkastraße im Jahre 2008 noch blank lagen. Die tatsächlichen Ausmaße des weltweiten Handels werden an solchen Orten erfahrbar. Hier geht es ein wenig zu, wie auf der A2, auf der ich (M) über eine halbe Million Kilometer vor, hinter und neben dicken Lastwagen auf- und abgefahren bin. Nur das auf einen großen Containerdampfer über 10.000 Seecontainer passen und nicht bloß einer. In der Nacht verwechselt man uns zwei mal mit einem ausweichpflichtigen Motorboot, das zu disziplinieren ist. Per »UKW« Funk klären wir jeweils die Situation, Segel oben, langsam, manöverierbehindert, nix Motor oder so. Dank »AIS« kennen wir die »MMSI« Nummer der Kandidaten und können sie am »DSC - UKW« direkt anrufen. Tolle Sache, die astrein funktioniert. Und nett ist man zu uns. »Good evening, sir… I‘ll alter course to starboard for you! Have a good watch.« mit baltischem, oder mit indischem Akzent gesprochen, das hat Charakter.
Endspurt: Der letzte Tag auf See zieht sich. Obwohl wir noch um die 7kn durchs Wasser laufen, kommen wir kaum mit 5kn voran. Durch die Straße von Gibraltar strömt das Wasser mit 2kn gen Osten, und das kostet Zeit. Am Ende erreichen wir die Säulen des Herkules am späten Nachmittag und die Queensway Quay Marina im Hafen von Gibraltar gerade so vor Sonnenuntergang. Per Telefon will man uns keinen Liegeplatz geben, aber ein zweiter Versuch auf dem UKW Radio bringt den Erfolg. B überredet die Betreiber, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Reserviert hatten wir erst ab Morgen… Alles bestens. Wir sind angekommen. Und glücklich.
Gibraltar? Bericht folgt.
_________________/)______________________________________________________
Mit herzlichen Grüßen von B und M / SY VERA / Queensway Quay Marina / Gibraltar
1-Gleich kommt der »green blink«

2-Die Segel

3-Der berühmte Felsen

4-Die Route (blaue Raute = Mittagsposition)
